Augenärztin und Augenoptiker harmonieren beruflich und privat
Das Ehepaar Becker bereist regelmäßig zusammen die Welt und geht auf Entdeckungstour in die verschiedensten Länder.
Erstveröffentlichung in der DOZ 12|2023.
Familie Becker, wie sieht das Abendessen bei Ihnen aus? Wird beim Essen noch über fachliche Dinge gesprochen oder gilt die Feierabendruhe, bei der strikt das Berufliche vom Privaten ferngehalten wird?
Renate Jurek-Becker: Nein, wir tauschen uns eigentlich jeden Tag aus: Mein Mann berichtet mir, welche interessanten Fälle er hatte, ich erzähle ihm von meinen. Wir haben viele Freunde, die Patienten und Kunden von uns sind und teilweise besprechen wir uns in ihrem Sinne, was für sie jetzt das Beste ist. Es ist eigentlich jeden Tag etwas, da er mehr Ahnung von Optik und ich mehr von der konservativen Augenheilkunde habe.
Gab es von Ihnen beiden gefühlt mal Kompetenzüberschreitungen des anderen?
Jurek-Becker: Nein. Ich weiß, dass mein Mann die Brillenwerte nochmal nachmisst, da er weiß, was der Kunde für eine Brille möchte und braucht. Die Bedarfsanalyse mache ich jetzt nicht so genau, da ich für so eine Beratung erstens keine Zeit habe und zweitens auch weiß, dass der Augenoptiker in diesem Bereich kompetent ist und dies übernimmt. Eigentlich beraten wir uns eher, um den Kundinnen und Patienten zu helfen, wenn diese zum Beispiel einen zu schlechten Visus erreichen und nicht klar ist, woran das liegt.
War das berufliche Verhältnis schon immer so wie heute oder entwickelte sich dieses erst?
Jurek Becker: Wir waren immer schon in der Nähe und dadurch hatten wir auch ein so gutes Verhältnis wie heute. Zudem hat mein Mann recht gute Kenntnisse im Bereich der Augenerkrankungen und ein gutes Gespür und schickt seine Kunden dann zu uns oder den Kollegen. Je nachdem bei welchem Augenarzt sie sind.
Das heißt, Sie können dann sehr einfach bei Ihrer Frau anrufen und sagen: „Ich habe da etwas Auffälliges, kannst du dir das anschauen?“
Michael Becker: Ja, wenn etwas ganz Madiges ist, dann mache ich auch schon mal ein Foto mit Genehmigung des Kunden und sende es meiner Frau mit der Bitte um ihre Einschätzung. Es gibt Dinge, die ein Augenoptiker sehr selten sieht. In der Regel schicke ich die Kunden aber in die Praxis und lasse es durch die Augenärzte abklären.
Jurek-Becker: So ist es auch bei den anderen Augenoptikern. Wir hören oft von den Patienten, dass der Augenoptiker sie in die Praxis geschickt hat.
Becker: Das funktioniert hier in Neuwied insgesamt sehr gut, auch wenn man nicht verheiratet ist.
Also kann man sagen, dass in Neuwied das allgemeine Miteinander zwischen Augenoptikern und Augenärzten gut funktioniert?
Jurek-Becker: Es ist schon so, dass der Augenoptiker merkt, wenn etwas nicht stimmt oder der Patient entsprechende Beschwerden äußert und an die Augenärzte verwiesen wird. Fast jeden Tag kommt ein Patient in die Praxis und sagt: die Augenoptikerin hat mich geschickt.
Becker: Ich harmoniere übrigens auch sehr gut mit der anderen Augenarztpraxis hier vor Ort und kann in Rücksprache mit dem Kunden mal ein Foto rüberschicken und die Ärzte prüfen, ob es akut ist.
Gab es schon Fälle, bei denen die Pateinten aufgrund der guten Zusammenarbeit vor schlimmeren Folgen bewahrt werden konnten?
Jurek-Becker: Es gab zum Beispiel die Fälle, bei denen der Augenoptiker einen viel zu hohen Augeninnendruck gemessen hat und durch den Verweis an den Augenarzt die Folgen einer Nicht-Behandlung verhindert werden konnten.
Becker: Ich hatte auch schon Mails von Kunden, die mir Probleme schilderten, bei denen ich dann sagte, melden Sie sich bitte direkt beim Augenarzt oder gehen Sie morgen früh sofort in die Praxis.
Renate Jurek-Becker mit ihren zwei liebsten Männern: Ehemann Michael Becker und Sohn Leonhard.
In der Regel haben die Augenärzte auch immer eine gewisse Kapazität an Notfallterminen, oder?
Jurek-Becker: Ja genau. Also wenn bei uns eine Patientin mit einem akuten Problem in die Praxis kommt, wird sie auch behandelt. Alternativ haben wir alle eine offene Sprechstunde und unser Personal ist auch darin geschult zu prüfen, ob ein Notfall vorliegt oder nicht.
Man hört immer wieder, dass Augenoptiker oder Augenärzte der jeweils anderen Partei etwas wegnehmen wollen oder ihre Kompetenzen übertreten. Würden Sie sagen, dass die gute Zusammenarbeit in Ihrer Region daran liegt, dass jeder in seinem Bereich bleibt oder es ein fließendes Miteinander ist?
Jurek-Becker: Ja natürlich. Die Augenoptiker haben in den letzten Jahren schon versucht mehr Augenheilkunde zu machen, aber mein Eindruck ist, dass es auch wieder etwas weniger wird. Eigentlich ist es so: wenn dem Augenoptiker etwas auffällt und er die Patientin zum Augenarzt schickt, ist es im Wohle der Patientin. Ich habe nicht das Gefühl, dass man sagen muss, da hat der Augenoptiker jetzt sämtliche Kompetenzen übertreten. Im Großen und Ganzen funktioniert das, ohne zu sagen, man macht sich da etwas streitig.
Becker: Ich kann überhaupt nicht klagen. Dadurch, dass jeder in seinem Bereich ist, klappt das sehr gut. Ich höre über die Fachzeitschriften auch schon Mal andere Dinge, aber hier in Neuwied klappt das toll.
Kann ein regelmäßiger Austausch, regional wie überregional, das Miteinander stärken?
Becker: Der Austausch über Tag ist zum Teil recht schwierig, da die Patientenflut einfach so groß ist. Und ich denke ein Augenarzt ist nicht darauf erpicht mit einem Augenoptiker darüber zu diskutieren, warum auf der Verordnung eine halbe Dioptrie weniger steht. Es sollte eigentlich klar sein, dass das Miteinander und ein Zuarbeiten wichtig sind. Beispiel: Der Augenarzt schreibt die Autorefraktionswerte auf und der Augenoptiker prüft diese nochmal. Und da ist heutzutage auch nicht mehr das Gerangel, wer misst die Brillenwerte, das ist Vergangenheit.
Gab es denn früher solches „Gerangel“?
Becker: Vor 20 Jahren hatte ich es einmal, dass mir ein Augenarzt sagte: Sie haben meine Werte abgeändert und ich will das nicht! Darauf antwortete ich, dass ich seine Werte übernehme, aber bei Fehlrefraktionen dann wiederum eine Rechnung an ihn schicke. Jedoch gab es nie Probleme mit dem Augenarzt und wir duzen uns auch schon seit langem. Außerdem gibt es auch Betonköpfe in der Augenoptik, die nicht gerade dazu beitragen, dass die Zusammenarbeit zwischen Augenoptikern und Augenärzten wächst, wie es zu jedermanns Wohl ist.