Unterwegs mit zwei Servicetechnikern von Oculus
Silas Mandler (l.) und Markus Kniese im Einsatz beim Kunden. Hier prüfen die Servicetechniker die Refraktionseinheit.
Erstveröffentlicht in der DOZ 06I23
45 Zentimeter lang, 35 Zentimeter breit und fast zehn Kilogramm schwer: Das wichtigste Arbeitsutensil von Silas Mandler und Markus Kniese ist ein schwarzer Koffer. Was für einen Allgemeinmediziner das Stethoskop oder für einen Lehrer die Tafel, ist für die beiden Servicetechniker von Oculus ihr Werkzeugkoffer mit zahlreichen Schraubenziehern, Inbusschlüsseln und Zangen in verschiedenen Größen. „Jeder Techniker hat seinen eigenen Koffer mit seiner eigenen Ordnung“, verrät Mandler. Seiner steht an diesem Donnerstagmorgen mitten im Refraktionsraum bei Optik Mattern in der Hauptstraße im baden-württembergischen Sandhausen (bei Heidelberg), bei dem sie zur Wartung der Geräte sind. Während im Verkaufsraum alles seinen gewohnten Gang geht und eine Augenoptikerin eine Kundin vor einem Spiegel bei der Brillenanprobe berät, ziehen die beiden Techniker die Tür zum Refraktionsraum zu, um konzentriert arbeiten zu können. Ihr Auftrag: Die Kontrolle der Refraktionseinheit und Wartung der Pentacam, die vielseitig zur Analyse des vorderen Augenabschnitts verwendet werden kann. Ihre Maxime: „Wenn wir wegfahren, dann läuft alles.“
Gemeint sind damit die Geräte von Oculus und Nidek, für die eine Wartung vereinbart wurde. Anlagen anderer Hersteller überprüfen sie nicht. Auch die Aufgabenverteilung zwischen den beiden ist klar: Mandler ist der Experte für Refraktionseinheiten und kümmert sich daher um diese, wohingegen Kniese zeitgleich die Funktionen der Pentacam überprüft. Im Vordergrund der Wartung steht immer die Sicherheit für die Augenoptikerinnen und Augenoptiker sowie deren Kunden. Es gilt, Risiken zu eliminieren. Ein Beispiel: „Die Sicherheitsbremse am Ausziehtisch der Refraktionseinheit muss funktionieren, damit sich die Kunden auf dem Stuhl beispielsweise nicht verletzen, wenn jemand eine ruckartige Bewegung macht“, sagt Mandler und testet genau dies, indem er sich auf den Stuhl setzt, die Platte ausfährt und ruckartig aufsteht.
„Ein bisschen tüfteln, bis es passt“
Der 26-jährige Mandler kniet sich nun neben die Ausziehplatte der Refraktionseinheit und checkt bei der sogenannten Sicherheitsprüfung zunächst, ob alle Kabel richtig angeschlossen sind, und dann, ob diese durch Quetschungen oder Verschleiß sichtbare Schäden wie einen Kabelbruch mit beschädigten Isolierungen und freiliegende Adern aufweisen. „Alles in Ordnung“. Mit zufriedenem Gesicht geht Mandler zum kleinen Tisch, auf dem das Wartungsprotokoll liegt und macht einen Haken. „Alle Arbeitsschritte der Wartung sind dort aufgelistet und werden von mir wie bei einer Checkliste nach und nach abgearbeitet“, sagt Mandler, der bereits seit seiner Ausbildung im Jahr 2014 für Oculus arbeitet und nun regelmäßig zwei bis vier Wartungen am Tag durchführt, Refraktions-einheiten neu installiert oder repariert. Das Besondere an der Arbeit für ihn: „Jeder Kunde ist eine andere Herausforderung“. In den Filialen der Ketten seien Abläufe und Anlagen standardisiert, Tradis hingegen seien bei der Auswahl der Ausstattung individueller. „Die einen wünschen sich einen manuellen Auszug für die Refraktionseinheit, andere bedienen diese lieber mit einem Fußschalter und wieder andere mit dem Schaltknopf. Wir versuchen, die Einheiten an den Arbeitsalltag anzupassen und müssen manchmal auch ein bisschen tüfteln, dass es passt.“
Der Staub muss weg! Mit einem Spezialreinigungstuch wischt Markus Kniese vorsichtig über die Pentacam.
Während sich Mandler die nächsten eineinhalb Stunden bei der Funktionsprüfung der Refraktionseinheit an der Checkliste entlanghangelt, schraubt sein Kollege Markus Kniese mit einem kleinen silbernen Innensechskant aus seinem Werkzeugkoffer das Gehäuse des Pentacam-Messkopfes ab. Der Mess- sieht nun aus wie ein Roboterkopf mit grünen und braunen Leiterplatten, verschiedenen kleinen roten und blauen Kabeln und einem Kameraauge. „Regelmäßig kommen in dem Moment, wenn ich die Schutzplatten abschraube, unsere Kunden dazu und wollen das Innere des Messinstruments sehen“, sagt der 41-Jährige lachend. Dabei schauen ihm seiner Erfahrung nach die Augenoptiker im Vergleich zu den Augenärzten, bei denen er auch oft für eine Wartung ist, häufiger über die Schulter. Warum, das weiß er nicht. „Möglicherweise sind Augenoptiker handwerklich interessierter und wollen wissen, wie das Gerät aufgebaut ist.“ Außerdem werde in vielen Fällen der Refraktionsraum auch während der Wartung benutzt und die Techniker müssen immer wieder für kurze Zeit pausieren und den Raum verlassen. Die Augenoptiker seien daher immer wieder in der Nähe und könnten öfter mal kurz zuschauen.
Ein Hoch auf große Räume
Das ungestörte Arbeiten wie an diesem Morgen bei Optik Mattern in einem großen Refraktionsraum ist für die Kollegen Luxus. Viele Refraktionsräume seien viel kleiner, sodass man kaum Platz habe, die Werkzeugkoffer und die Sackkarre abzustellen oder nur schwer an die Geräte und Kabel herankomme, weil alles sehr eng gebaut sei. „Ich freue mich auch immer, wenn die Räume ebenerdig sind“, ergänzt Mandler, der mittlerweile zwei große rot-gelbe Schraubenzieher aus seinem schwarzen Werkzeugkoffer neben sich liegen hat und in einem weiteren perfekt organisierten Handwerkerkoffer mit Schrauben in allen Größen nach der passenden für den Tisch sucht. „Ich erinnere mich, wie ich damals bei der Montage einer Untersuchungseinheit in einer hochmodernen Praxis am Berliner Ku’damm die bis zu 50 Kilogramm schweren Einzelteile über die Treppe in den sechsten Stock tragen musste, weil der nagelneue Fahrstuhl im Gebäudekomplex an diesem Tag ausgefallen war.“
„Check“ – alles in Ordnung. Das Wartungsprotokoll hat seit der Sache mit der Stütze noch einen Punkt mehr.
Die beiden Männer haben aufgrund der vielen unterschiedlichen Kunden viele Geschichten auf Lager. Dennoch sind sie nicht nur im Außendienst bei der Montage, Wartung und Reparatur tätig, sondern schieben auch mehrere Tage die Woche Innendienst. „Unser Service-Team besteht aus 60 Mitarbeitern, wir sind vier Teams. Eines ist für die Wartung der Refraktionseinheiten zuständig, Team Nidek für die Nidek- Geräte“. Ein weiteres Team habe sich auf die Oculus-Geräte spezialisiert und eine vierte Gruppe führt Inhouse, sprich am Standort im hessischen Wetzlar, aufwendigere oder kompliziertere Reparaturen in einem staubfreien Raum durch. Außerdem die Wartungen eingeschickter Geräte. „40 der 60 Mitarbeiter des Serviceteams – darunter zwei Frauen – fahren zwei bis drei Tage die Woche zu den Kunden in ganz Deutschland“, erklärt Kniese, der bis 2006 in der Qualitätssicherung in der Kfz-Branche tätig war und dem Freund, der ihn damals zu Oculus gebracht hat, heute noch dankbar ist, denn er mag es, unterwegs zu sein. „Wenn ich mal eine Woche Innendienst mache, merke ich, dass mir der Kontakt zu den Kunden fehlt.“
Rütteln und auflehnen ist hier Pflicht: Mit ein paar Handgriffen überprüft Silas Mandler die Sicherheit des Ausziehtisches der Refraktionseinheit.
Innendienst bedeutet: Dienst an der Hotline, Online-Support oder die Fernwartung. „Die Kunden haben je nach Wartungsvertrag die Möglichkeit, Geräte oder bestimmte Teile davon wie den Messkopf der Pentacam einzuschicken und wir warten die Geräte in Wetzlar. Für diesen Zeitraum erhält der Kunde dann ein Leihgerät“, sagt der Service-Mitarbeiter. Diese Variante sei gerade in der Coronazeit mehr genutzt worden, aber „viele Augenoptikerinnen und Augenoptiker wollen weiterhin eine Wartung vor Ort“. Diese läuft, egal ob im Oculus- Werk oder vor Ort beim Fachbetrieb, immer gleich ab. Erst werden die Kontrollpunkte an der Software, dann die an der Hardware begutachtet und zum Schluss Testmessungen durchgeführt. Kniese nimmt nun vor dem PC Platz und prüft mit ein paar gezielten Klicks die PC Konfigurationen, fährt ein Software-Update und schaut sich die Qualität der Scheimpflugbilder an. „Check“ – alles in Ordnung. Weiter geht es auch bei ihm mit dem nächsten Punkt auf seiner Liste, der Kontrolle der Hardware. Erneut nimmt er einen Inbusschlüssel in einer anderen Größe aus seinem Koffer in die Hand und entfernt die nächste Abdeckung des Geräts. „Wichtig bei der Pentacam ist es zu überprüfen, ob die Basis parallel zur Kinn-Stirn-Stütze ausgerichtet ist“, sagt der 41-Jährige. Das sei eine der ersten Fragen, die er bei den Kunden an der Hotline stelle. „ITler fragen, ob der PC schon mal neu gestartet wurde, ich frage, ob die Stütze parallel zur Basis ist“. Diese Frage ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen, weil er kurz nach der Markteinführung der Pentacam wie ein Detektiv fast eine Stunde lang bei einem Augenoptiker, dessen Pentacam immer nur Messungen an einem Auge gemacht hat, nach der Fehlerquelle gesucht hat. „Auf die Lösung, dass die Basis nicht parallel zur Stütze war, kamen mein damaliger Kollege und ich lange Zeit nicht“, erinnert sich der Service-Ingenieur, dem das Problem im Gedächtnis blieb. Mittlerweile sei die Frage ins Wartungsprotokoll aufgenommen worden.
„Der Koffer ist das Heiligtum des Technikers“
Dieses geht Kniese langsam und sorgfältig durch. „Kannst du mir mal ein Reinigungstuch geben?“, bittet der Techniker seinen jüngeren Kollegen. Sorgfältig reinigt er mit diesem Spezialtuch die Linse der Kamera und erzählt, dass unter den Service-Mitarbeitern im Oculus-Team die ungeschriebene Regel gelte, nichts aus dem Werkzeugkoffer des anderen zu nehmen, sondern diesen immer frage. Die genutzten Werkzeuge oder Tücher, sofern sie weiter verwendbar seien, würden dementsprechend vor den Koffer gelegt, um die Ordnung des anderen nicht zu stören. „Der Koffer ist das Heiligtum des Technikers“, ergänzt Mandler lachend. „Da darf niemand ran!“ Daher geht Kniese nun wieder an seinen Koffer, steckt den einen Inbusschlüssel zurück und greift nach einem noch kleineren, um die letzten Abdeckungen und Schutzscheiben von der Pentacam abzunehmen, sodass vom Gerät nur noch ein Gerippe aus Kabeln und Projektorteilen zu sehen ist. Mit dem nächsten Reinigungstuch entstaubt er den Spaltprojektor und erzählt dabei die nächste Geschichte. Zu manchen Kunden habe er mittlerweile schon ein freundschaftliches Verhältnis. Abends nach der Wartung gehe man teilweise noch gemeinsam essen. Überhaupt schätzt er es unterwegs zu sein. „Man sieht viel von Deutschland.“ Mandler erkundet beispielsweise gerne nach dem Arbeitstag mit den Inlinern die Gegend, Kniese wiederum geht häufiger abends noch in Museen. Lieblingstouren oder Städte haben beide aber nicht. Aufgefallen ist den beiden aber bei ihren Touren in ganz Deutschland, dass in den augenoptischen Betrieben immer mehr hochpreisige und komplexe Geräte stehen und das Screening mittlerweile bei den Augenoptikerinnen und Augenoptikern große Bedeutung hat.
Zum Abschluss der Wartung führen die Kollegen eine Testmessung durch.
Expresslieferung für Ersatzteile
In der Regel dauert die Wartung eineinhalb bis zwei Stunden. Aber das ist natürlich Fall abhängig. Gerade bei speziellen Fehlermeldungen oder bei Wackelkontakten, die meist nicht sofort erkennbar sind, kann die Ursachensuche und damit auch die Wartung mal drei Stunden oder länger dauern. In ihrem Auto haben die Service-Mitarbeiter viele Ersatzteile und Leihgeräte. „Manchmal kommt es aber auch vor, dass wir uns die fehlenden Teile aus unserem Werk in Wetzlar per Expresslieferung mit dem Paketdienst ins Hotel, in dem wir übernachten, schicken lassen und diese dann einbauen“. Ehe die beiden Männer ihre benutzten Werkzeuge wieder in ihre Koffer einräumen, führt Markus Kniese zum Abschluss der Wartung noch eine Testmessung mit Testaugen durch und setzt die Pentacam wieder zusammen, sodass sie bei Optik Mattern nun wieder benutzt werden kann. Silas Mandler fettet indes mit einem Tuch den Auszug der Tischplatte ein. Nach einer letzten elektrischen Sicherheitsprüfung ist die Wartung abgeschlossen. Es ist Zeit für die beiden Oculus- Mitarbeiter, wieder ihren Zehn-Kilo-Koffer zu den Schrauben- und weiteren Profi-Handwerker koffern auf die Sackkarre zu laden, alles im Laderaum ihres Autos zu verstauen und zur nächsten Wartung zu fahren. Zum nächsten Fall für Mandler und Kniese.