Dr. Mirko Casper: „Kreative Begeisterung könnte hilfreich sein“
Seit 2011 ist Dr. Mirko Caspar neben Firmengründer Dirk Graber Geschäftsführer von Mister Spex. Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre promovierte der gebürtige Kasseler anschließend über Markenstrategien. Caspar ärgert sich über die schleppende Entwicklung der Digitalisierung in Deutschland und mahnt nicht nur die fehlende Breitband-Infrastruktur hierzulande an. Die Zukunft für Mister Spex und den Onlinehandel in der Augenoptik sieht er positiver: „Durch technische Innovationen wie die 3D-Anprobe per Webcam oder Video-Zentriersysteme wird der Bestellprozess für Brillen über das Internet immer einfacher und macht mehr Spaß. Zudem sorgen günstige und transparente Preise dafür, dass Kunden sich häufiger eine neue Brille aus dem Web-Shop leisten werden.“ Die DOZ sprach mit Mirko Caspar über die Situation in unserer Branche. [Noch mehr Interviews mit den Köpfen der Branche zum Thema Digitalisierung finden Sie in der DOZ-Sonderausgabe zur Opti.]
DOZ: Mister Spex expandiert stationär und eröffnet regelmäßig neue Shops. Hat das Auswirkungen auf den Onlinevertrieb – hat er intern eine andere Bedeutung erhalten?
Mirko Caspar: Der Onlineshop wird bei uns größer gedacht und ist eine Multi-Channel-Plattform. In unseren Läden bieten wir sozusagen betreutes Onlineshopping, andersherum übernehmen wir Feedback und Funktionalitäten aus den physischen Shops in unsere Onlineplattform. Uns ist es aber nach wie vor egal, wo der Kunde unsere Brillen kauft, wir eröffnen ihm nur verschiedene Möglichkeiten.
Fielmann hat nun angekündigt, Brillen online verkaufen zu wollen. Was ändert sich für Mister Spex, wenn Fielmann den Onlineshop live schaltet? Was ändert sich für die Branche?
Wir beobachten das mit Interesse. Angesichts dieser Ankündigung muss die Gegenfrage erlaubt sein, ob nicht eher wir – Mister Spex – die Branche verändert haben? Fielmann tritt jetzt in unsere Fußstapfen, das macht es noch offensichtlicher, dass die Digitalisierung etwas ist, das bleibt und bei der auch in der Augenoptik mehr kreative Begeisterung hilfreich sein könnte. Die Branche ändert sich seit Langem, aber natürlich ist die Brille ein spezielles, ein haptisches Produkt, deswegen dauert die Digitalisierung länger und geht nicht so radikal vonstatten wie in manch anderer Branche.
Wie sehr beschäftigen Sie sich damit, dass Fielmann jetzt mit einem Shop online geht?
Nicht so sehr, ich sehe das eher emotionslos. Wir haben unsere Strategie und werden diese jetzt nicht deswegen ändern. Vielmehr ist es eine Bestätigung für uns, das Richtige zu tun, aber damit ist es auch schon gut.
Inwiefern wird sich die Relevanz des Onlinevertriebs für Mister Spex verändern, wenn eine Onlinerefraktion mit annehmbaren Ergebnissen leicht für den Kunden möglich ist? Wie wird sich das Kaufverhalten verändern?
Prinzipiell wird das einen Schub geben, denn für viele Kunden wird das eine Möglichkeit sein, sich unkompliziert eine neue Brille kaufen zu können. Heute kaufen die Menschen vorzugsweise eine neue Brille, wenn sich ihre Werte ändern; mit der Onlinerefraktion wird der Kunde autonomer, er kann und wird interagieren. Das ist ein Hebel für die gesamte Branche, denn dann werden mehr Brillen verkauft, auch der stationäre Handel kann davon profitieren – der Onlinebereich wiederum wird überproportional davon profitieren.
Derzeit ist überall von Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz (KI) und Customer Journey die Rede. Wird das alles zu heiß diskutiert oder werden diese Schlagzeilen die Branche derart verändern, wie es zu vermuten ist?
Wir beschäftigen uns zurecht mit KI und der Digitalisierung, denn darauf müssen wir uns einstellen. Die Branche hat es bislang nicht ausreichend geschafft, die Menschen für Brillen zu begeistern, auch die Customer Journey hat es erst spät in die Diskussion geschafft und wird noch zu sehr vernachlässigt. Natürlich ist das ein Buzzword, aber zurecht. Ein tiefes Verständnis der Kundenreise ist super wichtig.
Was ist für Sie der größte Segen der Digitalisierung, welche neuen Möglichkeiten wünschen Sie sich noch?
Der E-Commerce, die 2D- und 3D-Anprobe, und das durch die Digitalisierung möglich gewordene Empfehlungsmarketing: Das hat den Markteintritt von Mister Spex erst ermöglicht.
Welche Gefahren lauern auf eine Branche, die sich digital neu aufstellt?
Die Gefahr ist, dass wir die Chancen der Digitalisierung nicht nutzen. Die Augenoptik verpasst eher Chancen, in Deutschland gibt es ohnehin viel Unsicherheit bei dem Thema. Beim Handy, beim Fax und sogar bei den Druckmaschinen haben wir schon verloren, dieses Mal sollten wir das Feld nicht den Chinesen und Amerikanern überlassen.
Mister Spex gilt als ein Verfechter des Multi-Channel-Vertriebs. Glauben Sie, dass das auch in zehn Jahren noch der Schlüssel zum Erfolg ist, wenn sich die digitale Entwicklung so schnell fortsetzt?
Ja, diese Relevanz wird bleiben in der Augenoptik. Es gibt unterschiedliche Kundenkreise und gewiss eine Verschiebung Richtung online. Aber etliche Studien zeigen, dass Multi-Channel weiter zunimmt.
Die Customer Journey kommt immer mehr ins Blickfeld, für Mister Spex ist dieser Ansatz aber kein neuer. Welche Stelle der Kundenreise ist für Sie die Schwierigste?
Ganz am Anfang. Wir haben ausgezeichnete Bekanntheitswerte, hohe Zufriedenheitswerte, die Leute vertrauen uns. Aber die Frage ist immer: Wie bekommen wir sie dazu, es einmal auszuprobieren, eine Brille online zu kaufen? Auch deswegen gibt es unsere stationären Geschäfte.
Welche konkreten Vorteile haben Ihre Kunden und hat Mister Spex beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz?
Aktuell durch die 2D- und 3D-Anproben, durch die Empfehlungsmöglichkeiten, die auf Algorithmen basieren. Zukünftig wird es unter anderem auch in der Logistik und in der Produktion bedeutende Verbesserungen geben.
Denken Sie daran, Künstliche Intelligenz auch stationär in der Kundenberatung einzusetzen?
Ja, aber in Maßen.
Glauben Sie, dass es irgendwann möglich sein wird, eine optimale Brillenberatung durch eine Maschine vornehmen zu lassen – off- oder online?
Eine KI, die autonom aus dem Blauen heraus eine Beratung übernimmt, wird es nicht geben. Aber eine Beratung aus dem Dialog mit dem Kunden heraus, der mit der Maschine interagiert – dabei kann in Verbindung mit einem intelligenten Algorithmus viel Nützliches herauskommen. Ich traue dem gut informierten Kunden einiges zu.
Glauben Sie, dass die Digitalisierung in ihrer Fülle es einem branchenfremden Disruptor ermöglichen wird, in der Augenoptik entscheidend Fuß zu fassen? Oder glauben Sie, dass darin eine Stärke der vorhandenen Player am Markt liegt, um sich dagegen weiterhin erfolgreich zur Wehr zu setzen?
Wir waren auch branchenfremd und sind heute sehr zufrieden und angekommen. Kann das nochmal passieren? Ja. Es wird neue technologische Möglichkeiten geben, die neue Player am Markt hervorbringen können. Es bleibt also die Frage und der Ansporn, ob irgendwann ein anderer Player in den Markt kommen kann, der noch ganz andere Möglichkeiten hat. Wir müssen und werden diese Branche daher weiter aktiv mitgestalten, dann ist es für potenzielle neue Mitstreiter schwieriger.
Die Fragen stellte Ingo Rütten