Genau hinschauen, wenn der Kunde spricht

Darstellung von Gestik und Mimik
Was will mir dieser Kunde sagen? Manchmal sind Gestik und Mimik sofort zu entschlüsseln, manchmal braucht es dafür mehr Erfahrung und Menschenkenntnis.
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Körpersprache ist ein Bestandteil der Kommunikation mit Kunden. Der Augenoptiker und seine Mitarbeiter senden ständig durch Gestik und Mimik unbewusst Signale in Richtung Interessent. Aber auch der Kunde spricht durch seine Gestik, übermittelt Botschaften, drückt seine innere Haltung und Gefühle aus. Wer genau beobachtet, kann beide Seiten erkennen und entschlüsseln.

Bei der Körpersprache des Kunden sind Bewegungstempo und Bewegungsumfang der Gesten zu unterscheiden. Ausufernde Handbewegungen zeigen starke Gefühle, zudem Temperament und Engagement. Langsamere und kleinere Gesten werden als bescheiden bewertet, haben keine besondere Bedeutung und zeigen wenig Nachdruck. Bei Verlang samung der Gesten und leiserem Sprechen drückt der Kunde seine Bedenken oder Unsicherheit aus. Stimme und Körpersprache sind meist synchron. Geringer Bewegungsumfang deutet auf Bescheidenheit, Zurückhaltung und Skepsis hin, große, ausgreifende Bewegungen zeichnen den selbstbe wussten Käufer aus, der sich seiner Sache sicher ist.

Hände haben starke Ausdruckskraft

Hände sind ein wichtiges Instrument der Gestik und haben starke Ausdruckskraft. Gibt der Kunde die Brillenfassung dem Mitarbeiter direkt in die Hand zurück, signalisiert er aktives Verhalten. Er könnte sie ja auch auf den Tisch legen. Führt der Kunde während der Beratung die Hand an den Mund, zeigt er Verlegenheit, Überraschung, Unsicherheit. Je häufiger das geschieht und je länger, desto deutlicher ist Körpersprache.

Kopfgesten werden meist mit Handgesten unterstützt. Nickt jemand zustimmend, hebt er auch die Hände etwas. Hände bringen auch Gefühle zum Ausdruck. Besonders Finger zeigen Emotionen. Der erhobene Zeigefinger zeigt Autoritätsverhalten. Ausgestreckte Zeigefinger in Richtung des Gesprächspartners werden als Bedrohung empfunden, auch wenn es nicht immer so gemeint ist.

Erst der Zeigefinger, dann der Hinweis

Gesten entstehen immer eine Sekunde früher als Worte: erst kommt der erhobene Zeigefinger, dann der Hinweis, dass die Brille zu einem bestimmten Termin fertig sein muss. Sind die Arme vor dem Oberkörper verschränkt, begleitet von leichtem Kopfschütteln, zeigt der Kunde, dass er von einem Vorschlag des Mitarbeiters noch nicht überzeugt ist. Verschlossene Arme vor der Brust signalisieren Verschlossenheit. Reibt der Kunde sein Kinn, überlegt er noch, ist noch unentschieden. Hält er eine bestimmte Brillenfassung länger in der Hand als eine andere, zeigt das ein deutliches Interesse, auch wenn die Wortsprache noch fehlt.

Der Augenkontakt wird länger als üblich gehalten, wenn der Kunde interessiert ist und mit dem Mitarbeiter übereinstimmt. Augenkontakt heißt, dass man nichts zu verbergen hat, dass man es ehrlich meint und den Gesprächspartner akzeptiert. Waagerechte Stirnfalten des Kunden signalisieren dem Mitarbeiter Erstaunen oder Erschrockenheit. Negative Aussagen werden grundsätzlich mit einem leichten Blick nach unten begleitet, bei positiven Bemerkungen geht der Blick etwas nach oben, häufig mit einem Kopfnicken verbunden. Der Blick nach unten bedeutet meist Enttäuschung des Kunden über die Aussagen des Mitarbeiters. Dabei vermeidet er für ein paar Sekunden auch den Blickkontakt zum Mitarbeiter

Körperliche Signale

Der Mitarbeiter kann die wahrgenommene Gestik gleich hinterfragen („Sie wirken so nachdenklich, oder?“, „Sie wirken nicht gerade begeistert über …“) oder noch auf weitere Signale des Kunden warten. Je besser man sich in die Lage des Kunden versetzten kann, desto eher kann man Gestik und Mimik verstehen. Allerdings: Will der Kunde denn überhaupt, dass der Mitarbeiter sein Inneres entlarvt, dass sein Verhalten entschlüsselt wird? Ist es nicht seine private Angelegenheit, zu der er nicht angesprochen werden will?

Blickkontakt des Kunden zeigt: Ich bin jetzt ansprechbar!

Umgekehrt sendet jeder Mitarbeiter unbewusst mit seiner Gestik, Körperhaltung und Mimik Signale, die im Gespräch auf den Kunden wirken. Übertrieben heißt es, dass man sich auch nur durch ausgeprägte Körpersprache ohne Wort mitteilen kann. Durch ein leichtes Kopfnicken werden bejahende Aussagen unterstützt, die Zustimmung wirkt stärker als ohne Nicken. Ein ernster Gesichtsausdruck wirkt auf Kunden auch dann kritisch, wenn die Worte noch fehlen. Mit Gesten und Mimik übermittelt man Unausgesprochenes, wie Zuversicht, Hoffnung, Resignation, Freude oder Erstaunen. Durch Körpersprache teilt man sich zu 40 Prozent, durch Wortsprache zu 60 Prozent mit. Dabei ist Körpersprache meist ehrlicher als Wortsprache.

Schon bei der Begrüßung des Kunden wirkt der Mitarbeiter mit seinem Auftreten. Wohin mit den Händen lautet die Frage? Die Hände wirken seitlich am Körper besser als verschränkt vor der Brust, hinter dem Rücken versteckt oder sich an der Theke abstützend. Wie dicht geht man an den Kunden heran? Die Distanz wird in drei Zonen unterteilt: Die „öffentliche Distanz“ beträgt etwa einen Meter, die „persönliche Distanz“ circa 80 Zentimeter und die sogenannte „Intimdistanz“ unter 40 Zentimeter. Bei der Begrüßung wird die persönliche Entfernung empfohlen. Man sollte es dem Kunden überlassen, welche Entfernung er möchte. Schwerhörige Personen verringern gerne den Abstand. Aber den meisten Kunden ist im Zweifelsfall ein größerer Abstand lieber, vor allem bei unterschiedlicher Körpergröße zum Mitarbeiter. Der Blickkontakt des Kunden ist für den Mitarbeiter ein Zeichen, dass er jetzt angesprochen werden kann. Mit dem ständigen Wechsel zwischen Stand­ und Spielbein zeigt man dem Kunden eine innere Unruhe. Die äußere Haltung durch die Gestik hat viel mit der inneren Haltung zu tun. Die aufrechte Körperhaltung zeigt Selbstbewusstsein und wirkt souverän. Wer den Augenkontakt länger hält, zeigt Interesse, wirkt aufgeschlossen und punktet.

Gestik passt nicht zur Aussage

Körpersprache ist mehrdeutig, es müssen schon zwei Aussagen zusammenkommen, bis der Kunde einen Rückschluss daraus ziehen kann. Gesten von oben nach unten werden als negativ bewertet, von unten nach oben positiv. Negative Aussagen werden grundsätzlich mit einem leichten Blick nach unten begleitet, bei positiven Bemerkungen geht der Blick etwas nach oben, häufig mit einem Kopfnicken verbunden. Der Blick nach unten bedeutet meist Enttäuschung.

Muss der Mitarbeiter Körpersprache erlernen? Völlig unnötig, weil er seit seiner Kindheit Körpersprache kennt und anwendet. Man hat nur verlernt, sie zu beachten, zu verstehen. Aber wer seinem Körper ständig bestimmte Haltungen aufzwingt, verliert schließlich sein eigenes Körpergefühl. Gestik bewusst einsetzen ist unehrlich, wirkt unnatürlich. Trainierte Körpersprache schadet der eigenen Authentizität und wirkt unglaubwürdig. Der Eindruck, den man bei anderen damit erweckt, lautet: „Der will irgendetwas verbergen, die Gestik passt nicht zur Aussage.“ Worte und Körpersprache müssen übereinstimmen. Eine abgehackte, hektische Gestik, die nicht fließend verläuft, gibt Auskunft über den Grad der inneren Unausgeglichenheit eines Redners. Man muss nur andere beobachten, um für sich selbst Rückschlüsse zu ziehen.

Checkliste Körpersprache

Es ist ein Unterschied, ob man dem Kunden die Brille zum Anprobieren überreicht oder sie ihm selbst aufsetzt. Das Etui in die Hand geben, oder auf die Theke legen – kleine Unterschiede werden vom Kunden auch ohne Kommentar wahrgenommen. Muss der Kunde sich etwas von der Theke nehmen, wirkt das weniger persönlich, als wenn man es ihm in die Hand gibt. Man kann den Kunden bitten einen Sitzplatz einzunehmen mit oder ohne Handgeste. Worte mit einer Geste wirken überzeugender, machen mehr Eindruck. Gesten zeigen Begeisterung.

Kunden zu beobachten ist immer auch ein Prozess der Wahrnehmung und verlangt gute Urteilsfähigkeit des Mitarbeiters. Vom „Überstrahlungseffekt“ spricht man, wenn er von einem auffälligen Merkmal des Kunden auf sein Gesamtbild schließt. Eine einmalige Beobachtung überstrahlt dann alle anderen Wahrnehmungen. Beim „Aktualitätseffekt“ prägen die jüngsten Beobachtungen den Gesamteindruck übermäßig und werden bei der Beurteilung besonders gewertet. Der „Sympathieeffekt“ bedeutet, dass man bei einem sympathischen Kunden die Körpersprache grundsätzlich schönfärbt und nur Positives wahrnimmt.

Autor: Rolf Leicher