Wie reagiert der Wettbewerb auf Alcons Rekordbudget?
Liebe für die Linse – und das nicht zu knapp: Umgerechnet rund acht Millionen Euro lässt sich Alcon seine „Media- Offensive 2018“ kosten, um für Kontaktlinsen beim Verbraucher zu werben. Aber: Welche Rolle spielt der stationäre Augenoptiker dabei? Inwieweit kann eine B2C-Kampagne auch ihm zu einem Umsatzplus verhelfen? Was erhofft sich Alcon – und was machen eigentlich die anderen Kontakt- linsenhersteller, um Brillenträger von ihren Produkten zu überzeugen?
In einem scheint sich die Industrie einig: Im Vergleich zur Brille ist der Absatz von Kontaktlinsen in Deutschland erstaunlich gering – zu gering. 3,4 Millionen Deutsche tragen Kontaktlinsen, fast 25 Millionen greifen dauerhaft lieber zur Brille. Ein Ungleichgewicht, dem Alcon bereits im vergangenen Jahr mit einigen Millionen Euro Werbebudget auf den Leib zu rücken versuchte, und 2018 setzt man noch mal einen obendrauf: Als Sponsoring-Partner populärer Sendungen wie „Germany‘s Next Topmodel“ (ProSieben) und „Sixx Mädelsabend“ (Sixx) richtet sich das Unternehmen aus Großostheim unter dem Motto „Mehr als meine ersten Kontaktlinsen“ direkt an junge Verbraucher, genauer: an Kontaktlinsen-Einsteiger zwischen 16 und 24 Jahren.
„Das sind die sogenannten ,Generationen Y und Z‘ – junge Leute vom Teenager-Alter bis Mitte 20, die das Leben in vollen Zügen genießen wollen. Daher möchten wir speziell in dieser Zielgruppe die Aufmerksamkeit für die Vorteile von Kontaktlinsen schaffen“, erläutert Christian Jayet, General Manager der Alcon Pharma GmbH. Er ist sicher: Die Kampagne wird Anklang finden und der Linse nutzen. Ein hehres Anliegen, denn: Im Vergleich zum europäischen Umfeld werden Kontaktlinsen vom Verbraucher hierzulande wie er-wähnt eher stiefmütterlich behandelt – der Fachmann spricht gar von einer „sehr geringen Kontaktlinsen-Penetration“.
„Fokus auf dem stationären Optiker“
Unter anderem zwei wesentliche Gründe sieht man bei Alcon hier-für: fehlende Ansprache in den Geschäften und eine allgemein geringe Sichtbarkeit der Kontaktlinse. Die neue Media-Offensive soll nun helfen, sie bricht schließlich an anderer Stelle schon Rekorde: „Ich wette, so viel ist noch nie von einem Hersteller in der Augenoptik in eine Werbemaßnahme gesteckt worden, unabhängig davon, ob es sich um einen Glas-, Fassungs- oder Kontaktlinsenhersteller handelt“, behauptet Jan Thore Föhren-bach, seines Zeichens Business Unit Head Vision Care bei Alcon. „Mit der großen Media-Kampagne möchten wir sowohl die Kontakt-linsen-Kategorie als auch unsere Marken bekannt machen. Dabei fokussieren wir uns jedoch immer auf den stationären Optiker – das heißt, der ,call to action‘ dieser Kampagne zielt darauf ab, sich Kontaktlinsen beim stationären Augenoptiker anpassen zu lassen“, erklärt Föhrenbach.
Im TV sollen so mehr als 24 Millionen Zuschauer erreicht, durch Online-Werbemaßnahmen rund 90 Millionen Impressionen generiert werden: alles potenzielle Kundenkontakte für den augenoptischen Betrieb. Kooperierende Augenoptiker erhalten zudem POS-Werbematerialien inklusive TV-Spot fürs Schaufenster und eine Kampagnen-Toolbox für die eigene Social-Media-Präsenz. Hinzu kommt: Alle Maßnahmen der Offensive verweisen auf die Website www.dailies.de, die Neukunden wiederum auf das Online-Portal „In-Contact“ führt. Föhrenbach spricht dabei vom „digitalen Schaufenster des Augenoptikers“: „InContact unterstützt den augenoptischen Fachhandel auf bei Neuträgergewinnung sowie der Erhöhung der Sichtbarkeit.“ Kurzum: Das Portal soll Endkunden und Anpasser zusammenbringen.
Wöhlk setzt wie im Vorjahr aufs Kino
Der stationäre Augenoptiker im Mittelpunkt: eine Herangehensweise, die auch die Konkurrenz pflegt. Die „Wöhlk Contactlinsen GmbH“ etwa setzt wie im Vorjahr auch 2018 auf Kinospots: „Augenoptiker können diesen Spot für sich individualisieren, also mit dem eigenen Logo am Ende versehen. Wöhlk trägt die Kosten für die Individualisierung und sogar die Mediaplanung in umliegenden Kinos“, verrät Anna-Lena Band, die für die PR-Beratung des Schönkirchener Unterneh-mens verantwortlich zeichnet.
Der 30-Sekunden-Spot endet mit den Worten „Contactlinsen von Wöhlk erhalten Sie auch in Ihrer Nähe!“ und zeigt dabei Logo und Adresse des jeweiligen Augenoptikers. In puncto Marketingmaßnahmen und Kommunikationsmittel bietet das Unternehmen zudem neues Ma-terial zur Geschäftsausstattung, etwa für seine Premium-Kontaktlinsenlinie „EGO“, darin enthalten sind Tischaufsteller, Poster, Banner, Flyer sowie Anschreiben.
Auch andernorts wird investiert
Ähnlich verfährt auch die Hecht Contactlinsen GmbH aus Au im Breisgau, die Augenoptikern Werbemittel und Flyer zu Themen wie zum Beispiel „Ortho-K“, „Urlaub und Kontaktlinsen“ oder „Sport und Kontaktlinsen“ zur Verfügung stellt, hinzu kommen individualisierte Poster sowie Bild- und Textmaterial für die Homepage. Der Stuttgarter Kontaktlinsenanbieter Mark‘ennovy unterstützt seine Kunden ebenfalls bei Anzeigen, stellt Werbemittel zur Verfügung. Menicon aus Frankner in Erscheinung treten. Gerade in diesem Jahr wollen wir unsere Kunden dabei unterstützen, mehr Umsatz durch einen erhöhten Verkauf von Einmalkontaktlinsen zu generieren.
Mit der zur Opti vor-gestellten Kommunikationskampagne ,Singles – by CooperVision‘ unterstützen wir Augenoptiker und Augenärzte mithilfe umfangreicher POS-Unterlagen sowie umfassender Online-Unterstützung für ihre Website.“ Hintergrund sei, dass die Tageslinse das größte Wachstumspotenzial im Markt vorzuweisen hätte. Kern: „Mit unserer Singles Kategorie-Kampagne bieten wir unseren Kunden so die Möglichkeit, das Thema Einmalkontaktlinse auf eine neue Art und Weise zu kommunizieren.“
Es tut sich also etwas – aber mit welchem Nutzen? Was bleibt dem stationären Augenoptiker, wie profitiert er von den Maßnahmen der Industrie, die Kontaktlinse heraus-zustellen?
Nachfrage und Begehren erzeugen
Kristian Kloevekorn-Norgall, Geschäftsführer der unter anderem auf Augenoptiker spezialisierten Marketing-Agentur „Eyes and friends“ mit Sitz in Berlin und Halle, sagt: „Alles, was in irgendeiner Form Nachfrage und Begehren erzeugt, finde ich gut. Gerade in der Branche, die es eigentlich nie so richtig geschafft hat, das Thema als Mode- oder Gebrauchsartikel zu lancieren.“ Gleichzeitig schränkt er aber ein: „Der Anpasser sollte dabei natürlich nicht umgangen werden.“ So sieht es auch Augenoptikermeister Jens Heymer aus Bielefeld: Reklame ja, aber bitte den Experten respektive Anpasser im Blick behalten. „Ansonsten ist das eine Werbung, die dem Hersteller gefällt und die Kunden den Filialisten und Onlinehändlern in die Arme spült“, analysiert Heymer.
Er verweist unter anderem auf die Situation in England, wo man ein Rezept vom Augenarzt benötigt, um seine „contact lenses“ zu bekommen – und die gäbe es dann auch nur beim „optician“. „Sowohl für die Sicherheit beim Kontaktlinsentragen als auch für die Möglichkeit, einzugreifen und ein anderes Produkt zu nehmen, bevor der Kunde die Sache aufgibt, ist die fachliche Begleitung nötig.“ Das würde laut Heymer auch die hohe Dropout-Quote bestätigen: „Viele dieser möglichen Linsenkunden könnten gehalten und zufriedengestellt werden, bevor sie das Handtuch werfen und für diesen Markt verloren sind.“ Fest steht: Die direkte Ansprache des Verbrauchers funktioniert, wenn sie mit dem Verweis auf die stationäre Augenoptik einhergeht.
Kloevekorn-Norgall beleuchtet einen weiteren Aspekt: „In puncto Werbung muss man auch einmal festhalten, was Fielmann erreicht hat. Bevor die ihre Werbetrommel gerührt haben, war die Branche eher verschnarcht.“ Die Hamburger hätten mit ihrer Reklame völlig neuen Schwung reingebracht: „Die Brille konnte dadurch anteilsmäßig enorm an Akzeptanz gewinnen. 25 bis 30 Prozent der Werbeaussagen, die Fielmann trifft, gelten nämlich auch für den traditionellen Optiker, die werben sozusagen ,für ihn mit‘. Insofern hilft die Werbung auf jeden Fall auch dem stationären Handel“, findet Kloevekorn-Norgall.
Autor: Benjamin Weber