Kosmetische Versorgung mit einer prothetischen Iriskontaktlinse
Die 25-jährige angehende Immobilienkauffrau D. T. stellte sich Ende letzten Jahres bei Optiker Schnurbusch mit einer augenärztlichen Verordnung „Irislinse nach Maß“ vor. Im Folgenden werden die einzelnen Untersuchungsschritte dargestellt und erklärt.
Anamnese
Als Immobilienkauffrau hat die Kundin circa 70 Prozent Bürotätigkeit im typischen Umfeld mit Klimaanlagen und trockener Luft und arbeitet etwa fünf bis sechs Stunden am Bildschirmarbeitsplatz. Bei der Anamnese stellte sich ferner heraus, dass Frau D. T. an der Allgemeinerkrankung Multiple Sklerose sowie Diabetes Mellitus erkrankt ist. Zusätzlich nimmt sie Kortisonpräparate, befindet sich zur Zeit der Anpassung in einem gut eingestellten Zustand. Ein Glaukom ist ebenfalls seit mehreren Jahren diagnostiziert und wird mit augendrucksenkenden Medikamenten behandelt. Den genauen Zeitpunkt der Glaukomdiagnose sowie den Medikamentennamen konnte die Kundin nicht benennen.
Bis 2011 trug Frau D. T. weiche Kontaktlinsen (CooperVision: Biofinity, BC 8,60, sph -3,50dpt, DIA 14,00, beidseits im regelmäßigen Austausch). 2011 wurde eine Katarakt-OP infolge einer Vitrektomie des linken Auges durchgeführt. Wenige Monate später erfolgte auf dem rechten Auge ebenfalls eine Katarakt-OP. Im Folgejahr wurden beide Augen einer Laser-OP des Nachstars unterzogen. Auch weitere Operationen konnten eine Erblindung des linken Auges nicht verhindern. Die Hornhaut hatte ihre Transparenz verloren und das Auge ist kosmetisch entstellt.
Tränenfilmanalyse / vorderer Augenabschnitt
Nach der Anamnese erfolgte die ausführliche Tränenfilmanalyse. Die Auswertung des JenvisDry-Eye-Reports ergab einen als physiologisch normal einzuschätzenden Tränenfilm. Eine leichte Auffälligkeit zeigte die Auswertung des Dry-Eye- Fragebogens (OSDI-Dry Eye Fragebogen), bei dem subjektiv einige Anzeichen des Trockenen Auges angezeigt wurden. Auch die nicht-invasive Tränenfilmaufreißzeit (NIKBUT-Test) zeigte eine leichte Auffälligkeit (klassifiziert mit Grad 1). Alle weiteren Tränenfilmteste zeigten keine Auffälligkeiten.
Die anschließende Untersuchung des vorderen Augenabschnitts mit der Spaltlampe zeigte zwischen 8-10 h im peripheren temporalen Bereich der Cornea eine etwa zwei bis drei Millimeter lange, scharf begrenzte, nicht erhabene Auffälligkeit (Schnittnarbe der Katarakt-OP) am rechten Auge.
Die Bindehaut des linken Auges wurde trotz der hier vorliegenden prominenten Blutgefäße ähnlich dem rechten Auge klassifiziert. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen den leicht verschiebbaren Gefäßen der bulbären Bindehaut und tieferliegenden, nicht verschiebbaren skleralen Gefäßen. Die dickeren, skleralen Gefäße täuschen einen höheren Rötungsgrad vor, müssen aber beim Grading der Bindehautrötung ignoriert werden, da es sich nicht um Bindehautgefäße handelt.
Die gesamte Cornea des linken Auges zeigte eine massive Schädigung mit annähernd kompletten Transparenzverlust. Auf circa 4 h, sowie auf 6-7 h befinden sich einzelne Neovaskularisationen des Grad 2 (nach Jenvis).
Topographie / Refraktion
Die Topographie zeigte auf dem rechten Auge einen regelmäßigen Astigmatismus rectus in Höhe von 2,00 dpt bei durchschnittlichen Hornhautradien. Es war zu erwarten, dass die Topographie für das geschädigte linke Auge kaum oder nur schwer zu messen ist. Die besten Ergebnisse waren durch zusätzliche Gabe von Benetzungstropfen zu erzielen. Dennoch waren verwertbare Daten nur auf einer Zone von 37 Prozent (AA – analyzed area) messbar, die kaum Anhaltspunkte für die folgende Anpassung der Irislinse liefern. Daher wurden die geometrischen Daten vom Gegenauge für die Anpassung einbezogen.
Tabelle 1 zeigt die Werte der subjektiven Refraktionsbestimmung.
Vorüberlegungen und Versorgungsideen zur Anpassung von Kontaktlinsen
Die Kundin äußerte den Wunsch, idealerweise auf beiden Augen tagsüber Kontaktlinsen zu tragen. Sie wurde daraufhin über die Chancen und Risiken einer Versorgung des gesunden Auges trotz funktioneller Einäugigkeit aufgeklärt, insbesondere über die Möglichkeit einer kontaktlinseninduzierten Schädigung durch unsachgemäßes Linsentragen. Die Notwendigkeit eines verantwortungsvollen Linsentragens sowie einer guten Compliance wurde der Kundin ausführlich erläutert und im Folgenden eine beidäugige Kontaktlinsenanpassung durchgeführt.
Durch die massive Hornhauttrübung kam als erste Alternative eine prothetische Weichlinse mit Irisfärbung in Frage. Wichtig ist bei dieser Versorgungsalternative die Aufklärung, da das Desinfektionsmittel „BAC“ (Benzalkoniumchlorid), das in Augentropfen zur medikamentösen Glaukomtherapie vorkommen kann, in diesem Fall nicht mit aufgesetzten Linsen getropft werden darf. Durch die kleine Molekülgröße können sich Bestandteile unter Umständen in der Weichlinsenmatrix einlagern und anreichern und so negative Wechselwirkungen mit der Augenoberfläche hervorrufen.
Um auf beiden Augen ein ähnliches Tragegefühl zu erreichen, wurde beidseits eine individuelle Weichlinse angepasst (ähnliche Dicke, Modulus, Geometrie und Bevel). Zur Feststellung von Zentrierung, Beweglichkeit, Benetzungsverhalten und Sehleistung wurden beidseits klare Anpasskontaktlinsen bestellt. Für das rechte Auge eine dynamisch stabilisierende, außentorische weiche Austauschkontaktlinse und für das linke, geschädigte Auge eine erste klare rotationssymmetrische weiche Linse mit folgenden Parametern:
- R: SwissLens Toris Dyn Ext SL3, BC 8.50, sph +0.50 cyl -1.50 A8° DIA14.50, Material: Definitive74 (Efrofilcon A),
- L: SwissLens Orbis SL12, BC8.70, sph 0.00 DIA14.50, Material: CTF67 (Filcon II2)
Die Auswahl der genannten Materialien gewährleistet eine ausreichende Sauerstoffversorgung. Kontaktlinsenmaterialien sollten für Tagestragen nach Harvitt & Bonnano einen Grenzwert von DK/t = 35 barrers überschreiten. Ferner wurde aufgrund der vorangegangenen Katarakt-OP ein Material mit UV-Schutz gewählt.
Zweiter Anpasstermin
Nach circa einer Woche wurde ein zweiter Anpasstermin durchgeführt. Tragekomfort, Beweglichkeit und Zentrierung wurden als gut eingestuft (Grad 0-1 nach Jenvis/Sickenberger). Im Anschluss wurde mittels Farbfächer die passende Irisfarbe sowie die Größe des Linsendurchmessers gewählt, ausgehend vom unbeschädigten Gegenauge.
Die Auswahl der Irisfarbe mittels Schablonenprinzip stellt einen Kompromiss zwischen reinem Print und handbemalter Irislinse dar. Dieses Prinzip ähnelt anfänglich reinen Printvarianten, wird allerdings von Hand durch acht verschiedene Grundfarben in mehreren Schritten bei guter Reproduzierbarkeit individuell für den Kunden erstellt.
Zur Ermittlung des Durchmessers der schwarzen Pupille der Irislinse wurde der Pupillendurchmesser des rechten Auges mittels Schablonen (Abb. 11) bei Lichtverhältnissen gemessen, die dem alltäglichen Umfeld der Kundin nachempfunden waren.
Trotz massiv geschädigter Cornea sollte auf eine gute lidschlaginduzierte Bewegung und auf eine gute Zentrierung geachtet werden. Die Überrefraktion des rechten Auges wurde mit Angabe der Stabilisationsachse an den Hersteller übermittelt. Das Anfärben mit großmolekularem Fluoreszein schloss den zweiten Anpasstermin nach Absetzen der Kontaktlinsen ohne Auffälligkeiten ab.
Aufgrund der längeren Lieferzeiten von individuellen Irislinsen wurde im Anschluss der Sitzung zur Überbrückung eine handelsübliche plane Farblinse in den Werten BC 8.60, DIA 14.50 angepasst (Alcon: Freshlook Colorblend, Farbe blau). Auch auf dem rechten Auge verblieb die bestellte Kontaktlinse bis zum Abgabetermin der individuell gefertigten Rezeptlinsen.
Abgabe
Nach einer rund vierwöchigen Lieferzeit erfolgte die Abgabe der endgültigen Irislinse.
- L: SwissLens Hydrocolor Pro Orbis SL12, BC8.70 sph 0.00 DIA14.50, Material: CTF67 (Filcon II2)
Dabei erfolgte eine Kontrolle des Sitz- und Zentrierungsverhaltens. Außerdem wurde unter natürlichen Lichtverhältnissen die Irisfarbe im Vergleich zum ungeschädigten Gegenauge kontrolliert.
Bei der Pflegemittelauswahl für diesen individuellen Fall wurde auf ein drei Prozent Wasserstoffperoxid mit Tablette (SwissLens AcuaCare One Step-T) sowie einen Alkoholreiniger zum manuellen Abreiben der Linsen (SwissLens allClean) zurückgegriffen. Dieses Pflegemittel entspricht auch der Pflegemittelempfehlung des Kontaktlinsenherstellers (SwissLens) für deren Irislinsen.
Aufgrund der in der Tränenfilmanalyse gezeigten Auffälligkeiten bekam Frau D. T. zusätzlich Tücher zur wöchentlichen Anwendung und Verbesserung der Lidrandygiene ausgehändigt. Das anfängliche Aufweichen der Lidränder mittels warmen Waschlappens kann auch vor der Lidkantenpflege umgangen werden. Hierfür kann auch das einzelverpackte Reinigungstuch kurz in warmem Wasser erwärmt werden.
Mit dieser endgültigen Linsenversorgung war die Kundin subjektiv sehr zufrieden. Die Kontaktlinsen werden sehr gut vertragen und zeigen auch kosmetisch durch die prothetische Irislinse ein sehr gutes Ergebnis. Auch die Sehleistungssteigerung durch die optische Versorgung des ungeschädigten Auges empfindet die Kundin positiv. Zum Lesen nutzt sie allerdings weiterhin die Lesehilfe in der Stärke +2,50 dpt.
Regelmäßige Nachkontrollen / Ausblick
Durch die Versorgungsvariante einer funktionellen Einäugigkeit werden die Nachkontrollen zunächst auf drei Monate und später auf ein Intervall von sechs Monaten eingestellt. Die rechte Kontaktlinse wird alle drei Monate ersetzt, bei der linken Iriskontaktlinse ist ein Austauschintervall von zwölf Monaten vorgesehen.
Fazit
Eine prothetische Irislinse kann nie die eigene und sehr individuelle Iriszeichnung und Farbe ersetzen. Dennoch können solche kosmetischen Linsen für die betroffenen Menschen ästhetische sowie auch optische Vorteile bieten. Ferner wird durch das natürlichere Erscheinungsbild der mit Irislinsen versorgten Augen das Selbstbewusstsein der Betroffenen gestärkt. Die Beratung und Anpassung ist zwar sehr aufwändig, lohnt sich aber, denn die Betroffenen sind in der Regel sehr zufrieden und glücklich und der Augenoptiker gewinnt einen langjährigen, treuen und begeisterten Kunden.
Erstpublikation des Artikels in DOZ 06|2019
Marian Hofmann ist Augenoptikermeister und seit 2019 Kontaktlinsenspezialist (FH).
Er arbeitet seit rund 15 Jahren bei Optiker W. Schnurbusch GmbH in Lünen und leitet dort die Kontaktlinsenabteilung.