Ladenbau: Nächste interaktive Generation
Interaktive Elemente und digitale Beratung sind auch und gerade im Ladenbau ein großes Thema. Nicht erst seit der „Entdeckung der Digitalisierung“ entwickeln Ladenbauer und andere Branchenangehörige raffinierte Konzepte für die Betriebe, um einen optimierten Service, effektivere Abläufe und letztlich für den Kunden einen Erlebniswert zu ermöglichen.
Für viele Augenoptiker spielt die Digitalisierung von Geschäftsprozessen längst eine zunehmend große Rolle. Aus gutem Grund heißt der Schwerpunkt der Opti bekanntermaßen in diesem Jahr „OPTIC 4.0 – Digital Solutions“. So können Fachbesucher sich unter anderem auch über digitale Mess- und Fertigungstechnologien für Brillengläser, Kontaktlinsen und Brillenfassungen informieren und beraten zu lassen. Auch spezielle IT-Systeme, 3D-Drucker und Smart Glasses gehören zum großen Angebot.
Beratung digital im „Competence Store“
Als Brillenglas- und Fassungshersteller ist unter anderem Rodenstock besonders daran interessiert, dass sich der unabhängige Augenoptiker mit seinem Ladengeschäft klar vom Wettbewerb differenziert. Kompetenz zum Anfassen und Brillenkauf als ganzheitliches Erlebnis sind die zentralen Aspekte der seit über zehn Jahren betriebenen Unterstützung von Rodenstock. Neben den mit maß- geschneiderten „Competence Stores“. bieten die Münchener seit 2016 modular anpassbare Shop-Lösungen für jede Ladengröße. In Österreich, Slowenien und Belgien wurden bereits Shops umgebaut, ebenso gibt es national und international Shop-in-Shop-Lösungen. Mit der Erweiterung der digitalen Beratungs-Tools leitet Rodenstock die nächste Ausbaustufe ein. Vermessungsgeräte wie der DNEye-Scanner oder der ImpressionIST können besonders prominent im Ladengeschäft platziert wer- den und unterstreichen die Kompetenz des Augenoptikers. Zur bestmöglichen Inszenierung dieser modernen Vermessungstechnik im Verkaufsraum gibt es speziell konzipierte Möbelstücke. So sorgt ein höhenverstellbarer Hubtisch für den DNEye-Scanner neben der technischen Raffinesse auch für einen optischen Höhepunkt in einem anderen Sinne.
Um den Augenoptikern noch mehr Unterstützung zu bieten, wird Rodenstock im Jahr 2017 eine interaktive Stele zur digitalen Beratung von Brillengläsern auf den Markt bringen. Auch dieses Gerät fügt sich optisch harmonisch in den „Competence Store“ ein oder hinterlässt beispielsweise im Schaufenster einen tollen Eindruck. Der Prototyp der Stele kann auf der Opti am Stand von Rodenstock bestaunt werden.
Shopdesign 2.0 mit Smart Select
Auch die Ladenbauer sind „digital aktiv“. So stellt die Concept-s Ladenbau & Objektdesign GmbH aus Schorndorf die „nächste Generation interaktiver Displays und Shop-Konzepte“ vor. „Gerade im Bereich der interaktiven Warenpräsentation haben wir Retail-Lösungen, die eine Harmonisierung von stationärem Handel und zunehmendem Onlinegeschäft bietet“, verkündet Kirsten Lind, Marketing-Chefin bei Concept-s. In Zeiten von hohem Wettbewerbsdruck und wachsendem Onlinehandel sei eine erfolgreiche Harmonisierung des Einzelhandels die Hauptaufgabe des zukunftsorientierten Ladenbaus. Kunden lassen sich zeitaufwändig im Geschäft beraten, womöglich auch die erforderlichen Augenprüfungen durchführen, um die Produkte der Wahl dann preisgünstiger online bei einem Wettbewerber zu kaufen. Angesichts dieser Probleme stöhnt mancher Augenoptiker auf. Dass eine persönliche, fundierte Beratung aber ihren Wert und somit einen Preis hat, wird vom Kunden gern mal übersehen.
Wohl auch vor diesem Hintergrund hat Concept-s eine Lösung entwickelt, mit der Augenoptiker ihre Ware stationär und online präsentieren können: Smart Select steht für eine Synthese aus lokalem Betrieb und zunehmend online verfügbaren Informationen. „Die Kunden erhalten so eine optimale Beratung“, erklärt Lind. „Alle produktrelevanten Daten sind online abgelegt und mit Tablet, PC oder Smart- phone abrufbar.“ Kunden können dabei etwa per Schaufenster-Shopping jederzeit bestellen. Auf diese Weise ist der stationäre Handel rund um die Uhr erreichbar. Über einen QR- Code können die Kunden auch von außen am Schaufenster auf alle Präsentationsflächen zugreifen und sich Produkte im Detail anzeigen lassen. Für Lind ein klarer Vorteil: „Dies verhilft dem Ladenbesitzer auch außerhalb der Öffnungszeiten zu ständigem Kontakt mit seinen Kunden, die ihn direkt wissen lassen können, dass sie Interesse an einer weiteren Beratung haben oder das Produkt auch direkt kaufen.“
Bewegte Präsentationen
Mit der Software Smart Select lassen sich drei Präsentationsmodule steuern, die auch kombiniert einsetzbar sind. Sie heißen Elevender, Move und Light up. Basis dabei sind zwei unterschiedliche Techniken – Bewegung und Lichtsteuerung. Bei Elevender und Move dreht sich wort- wörtlich alles um das Produkt. Elevender ist ein elektronisch gesteuertes Präsentations- und Lagersystem. Die darin befindliche Ware wird wie bei einem Paternoster in ständigem Umlaufbetrieb gehalten. Dadurch verdoppelt sich die Präsentationsfläche, sodass auf Stauraum verzichtet werden kann. Ein weiterer Vorteil dabei: Durch die konstante Bewegung werden mehr Modelle gezeigt als üblich. Damit lässt sich die häufige Begleiterscheinung vermeiden, dass Ware, die in Schubladen liegt, sich nicht so leicht verkauft.
Beim Präsentationsmodul Move bewegen sich die Ablagen für Brillen, Accessoires und andere Produkte fortlaufend um zwei Achsen. Die bewegte Präsentation ist ein Blickfang und als Tisch- oder Schaufenstervariante einsetzbar. Eines haben Elevender und Move gemeinsam, was den Hersteller hoffen lässt: die Bewegung macht (potenzielle) Kunden neugierig und bringt sie vor dem Schaufenster zum Stehen.
Auswahl per Lichtsteuerung
Light up, das dritte Präsentationsmodul von Smart Select, ermöglicht eine inter- aktive Warenpräsentation per Lichtsteuerung. Dabei folgt der Kunde zunächst per App einem Produktassistenten und gibt seine persönlichen Auswahlkriterien gemäß seiner Bedürfnisse an. Daraufhin hebt Light up alle Produkte, die den Suchkriterien entsprechen, durch eine farbige Beleuchtung in den Vordergrund. Sobald die Produktauswahl getroffen wurde, kann der Kunde sich das Produkt auf der Ablage anschauen oder zur Anprobe entnehmen. Zugleich erscheinen auf dem Display detaillierte Produktinformationen. Der Clou dabei, durch unterschiedliche Lichtfarben können mehrere Kunden gleichzeitig Light up nutzen. Das System kann an jede Produktgröße angepasst werden. Die Technik lässt sich auch in bestehende Displays und Shop-Lösungen integrieren und bietet dabei noch weitere Vorteile wie etwa ein Software-Reporting. Damit können Händler Bestellwesen und Lagerhaltung optimieren, denn die Software zeigt an, welche Produkte für die Kunden am interessantesten sind. So kann das Angebot entsprechend ausgerichtet werden.
Fachberatung sichtbar mache
Der heutige Markt in der Augenoptik ist durch ständige Veränderungen geprägt. Der Preis einer Brille spielt eine große Rolle, dagegen geraten das Wissen und die Kompetenz des Augenoptikers oft ins Hintertreffen. Die Presenta Nova GmbH hat ein Konzept entwickelt, bei dem Beratung und Verkauf einer Brille innerhalb des Geschäftes modernisiert und die Kompetenz des Augenoptikers auf eine spannende und interessante Art dem Kunden dargestellt werden soll. Visuelles Herzstück ist ein Info-Panel, das an der Wand platziert wird und mit einem Messinstrument verbunden werden kann. Auf einem großen LCD-Display können die Messungen dargestellt und mit dem Kunden ausführlich besprochen werden. Danach kann der Einstieg in die Glasberatung erfolgen, denn auch die Mustergläser und Glasdesign-Beispiele werden auf dem Info-Panel präsentiert.
Eine Trennwand, die „mitdenkt“
Beratungssituationen wie zum Beispiel bei einer Augenprüfung sind eine sensible Sache. Manche Kunden wünschen sich dabei eine diskrete Atmosphäre, die aus baulichen Gründen nicht in jedem Geschäft gegeben ist. Hierzu hat Presenta Nova ebenfalls eine Lösung entwickelt: das Modell einer Trennwand unter dem viel versprechenden Namen Privacy-Panel. Das Produkt zeichnet sich durch eine Smart-Glas-Technologie aus: Kleine Kristallpartikel in der Scheibe lassen sich durch eine Fernbedienung ansteuern, innerhalb von Sekunden ist die Scheibe dann wahlweise transparent oder komplett undurchsichtig. So schaffe man in Sekundenschnelle eine Privatsphäre, verspricht der Hersteller. Das Privacy-Panel wurde für Augenoptiker entwickelt, die ihre Refraktion, Kontaktlinsenanpassung oder Augenuntersuchung kundenwirksam darstellen, aber bei bestimmten Situationen auch eine private Atmosphäre bieten wollen. Es lässt sich in verschiedenen Designs kreieren und somit dem Geschäftsdesign optimal anpassen. Darüber hinaus stellt Presenta Nova auf der Opti das OptoMedia-System vor, über das die DOZ bereits berichtete (Ausgabe 12-2016). Also zugehörige Produkte wie Wintab, den digitalen Präsenter für das Schaufenster, WAllCam, ein Wandelement mit Display und integrierter Kamera, so- wie Mobcom, einen digitalen Ersatz für den üblichen Spiegel. Auch das Tischelement TabTab wird auf der diesjährigen Messe erstmals präsentiert.
Direkte Monitorsteuerung übers Tablet
Die IOM Software GmbH wird mit Veovisu vertreten sein, einem Refraktionsmodul, das eine direkte Monitorsteuerung über das Tablet ermöglicht. Es kann außerdem ohne zusätzliche Hardware direkt an einen handelsüblichen PC angeschlossen werden. Das System ermöglicht laut Hersteller alle wichtigen monokularen Sehtests, Binokulartests sowie 3D-Bilder und Animationen. Mit dem 3D-Monitor lassen sich alle gängigen Polar- und 3D-Tests durchführen. Zum Gesamtpaket gehören die Spezialbrille, der 3D-Monitor sowie der polarisierende 3D-Vorhänger. IOM Software verspricht, dass Veovisu durch seine einfache und zeitsparende Bedienung überzeuge und vollständig in die Faveo-Kundenverwaltungssoftware des Herstellers integrierbar sei. Obendrein wurde die Faveo-Software um eine Applikation erweitert: Es lassen sich damit jederzeit zum Beispiel Lagerdaten, Statistik und Kundendaten per iPad oder iPhone abrufen. Auf diese Weise soll die Kontrolle über das Geschäft auch von unterwegs ermöglicht werden.
Individualität durch digitale Elemente
Die Digitalisierung schreitet so rasant voran, dass schnell vergessen wird, wie rapide sich die Dinge geändert haben – und wohl auch weiter ändern werden. Daran erinnert Detlef Becker, Geschäftsführer in der Heikaus-Gruppe: „Noch vor 15 Jahren konnte man die aktuellen Trends im Ladenbau schnell erkennen und auflisten. Damals begann die Zeit des „shabby chic“. Die Ware wurde auf alte Paletten gelegt oder gestellt und man war mit sei- nem Ladendesign ganz vorne mit dabei. Zu dieser Zeit hatten die Modehändler ihre fünf Stammmarken und zwei Mal im Jahr kam eine neue Kollektion. Das ist Vergangenheit.“ Heute, keine zehn Jahre nach der Einführung des ersten iPhone, sei jeder mit jedem auf der Welt vernetzt. „Die neuesten Trends und Entwicklungen auf der anderen Seite der Welt sind in der nächs- ten Sekunde auch schon bei uns publik und abrufbar. Neue Trends erreichen auf kürzesten und schnellen Wegen den Ver- braucher. Onlinemagazine, Trendplatt- formen, Newsletter und so weiter.“ Die heutige digitale Kommunikation macht vieles möglich und hat nach Beckers Einschätzung auch Einfluss auf den Markt und die Wirtschaft, das Konsumverhalten und die Emotionen der Menschen. Inwieweit dies zu einem Wertewandel und Streben nach Individualität geführt hat, das sich wiederum in Trends zum Ladenbau widerspiegelt, beantwortete die DOZ bereits in der letzten Ausgabe. Vor dem Hintergrund, der Schnelllebigkeit und dem Fortschritt eine Sinnhaftigkeit zu geben, setzt auch Heikaus bei seinen individuellen Stores und Storekonzepten auf digitale Instrumente als zentrales Element. So könnten etwa innovative Displays, eine persönliche Musikauswahl des Kunden, oder typgerechte Outfitgeneratoren auch dem Streben nach Individualität gerecht werden.
Christine Lendt