Schlechte Bewertung erhalten? Glückwunsch!
Schlechte Bewertungen im Internet sind nicht zwingend schlecht und unterstreichen die Authentizität eines Unternehmens.
Erstveröffentlicht in der DOZ 06I21
Häufig geben Verbraucherinnen „Augenoptiker + die eigene Stadt“ bei Google ein, scrollen durch die Standorte bei Google Maps und zum Schluss werden die „Sterne“ verglichen. Standorte mit guten Bewertungen werden dann häufiger besucht als solche mit schlechten Bewertungen. So weit, so gut. Dieses Verhalten kennt jeder, es birgt erst einmal keine Überraschungen. Doch heißt dies nicht im Umkehrschluss, dass Augenoptikerinnen und Augenoptiker im Internet mit weniger Sternen automatisch weniger besucht werden? Klares Jein. Es kommt hier auf die Anzahl der schlechten Bewertungen und die Antworten dazu an.
Besser als fünf Sterne? 4,7 Sterne!
Eigentlich sollte dieser Artikel nur praktische Tipps enthalten, aber wenn Statistiken das allgemeine Gefühl und die Tipps so gut untermauern, gibt es hier eine Ausnahme: Das Spiegel Research Center der Northwestern University im amerikanischen Illinois hat sich im Juli 2017 das Verhalten von Verbrauchern angeschaut und dazu über 110.000 Kundenbewertungen analysiert. Folgende Ergebnisse sind teilweise ein alter Hut, aber so manches Detail ist interessant:
- 5-Sterne-Bewertungen ohne Kritik wirken unglaubwürdig
- Gute Kundenbewertungen führen dazu, dass schneller ein Kaufabschluss erfolgt
- Kritische Stimmen sorgen für ein authentisches Gesamtbild
- 82 Prozent der Kunden lesen gezielt negative Bewertungen
- Ideal ist eine Bewertung zwischen 4,0 und 4,7 Sternen
- Alles darüber (!) oder darunter beeinflusst die Entscheidung eher negativ
Gerade der letzte Punkt sollte verinnerlicht werden: 4,7 Sterne sind besser als fünf Sterne. Klingt unlogisch, aber stimmt mit der eigenen Einschätzung überein. Reine 5-Sterne-Bewertungen sehen unglaubwürdig und scheinbar gekauft aus. Und mit dieser Einschätzung bin ich – nun auch statistisch belegt – nicht allein.
Quintessenz der vorangegangenen Statistik: Einzelne schlechte Bewertungen sind insgesamt gesehen ganz gut und können sogar helfen. Es kommt im Detail darauf an, wie Sie auf Kritik im Internet reagieren. Bei 49 positiven und einem schlechten Kommentar wird der einzelne schlechte Kommentar überproportional häufig von potenziellen Käufern gelesen. Hier liegt die große Chance: Wer gut auf eine Kritik reagiert und eine passende Antwort schreibt, überzeugt auch den letzten Zweifler, der noch nicht wusste, ob er das Geschäft aussuchen sollte oder nicht. Doch wie reagiert man am besten auf Kritik? Hier eine kleine Hilfestellung.
Acht Tipps zum Umgang mit Kritik
Schnell reagieren: Hat eine Kundin sich die Mühe gemacht, eine Bewertung abzugeben, verdient sie auch eine Reaktion. Im Idealfall wird durch eine schnelle Antwort die eigene Professionalität unterstrichen und es wird gezeigt, dass man Kritik ernst nimmt. Hier hilft es, sich die „Google My Business“-App herunterzuladen und die Push-Nachrichten zu aktivieren. So erhält man in Direktzeit die Möglichkeit, zu reagieren.
Danke sagen: Der Kunde hat sich Zeit genommen, um eine Bewertung zu hinterlassen und gibt der Betriebsinhaberin die Chance, zu antworten. Dafür sollten Sie ihm grundsätzlich danken. Bei positiven Kommentaren sollte dies selbstverständlich sein, aber auch bei negativen Kommentaren ist dies hilfreich. So zeigen Sie, dass Sie die negative Kritik ernst nehmen und Ihren Service verbessern möchten.
Sachlich bleiben: Nichts ist schlimmer als ein Betriebsinhaber, der es nicht schafft, freundlich zu bleiben oder seine Kunden im Internet beschimpft. Auch auf unsachliche Kritik sollten Sie freundlich und besonnen antworten. Andere Nutzerinnen können ganz gut einschätzen, ob ein „Internet-Troll“ unsachlich ist. Die besonnene Reaktion einer Betriebsinhaberin hat dann umso mehr eine positive Wirkung.
Keine Standardantworten: Jeder Kommentar sollte individuell beantwortet werden. Der Kunde sollte mit Namen oder Nickname angesprochen werden und die Anrede sollte nicht generisch sein. Identische und sich wiederholende allgemeine Antworten langweilen Nutzer und erzeugen den Anschein, dass man die Kritik nicht ernst nimmt.
Verständnis äußern: Ist die Kritik nachvollziehbar, sollten Sie dies zum Ausdruck bringen und ernst nehmen. Der Hinweis, dass man als Kunde in dieser Situation auch verärgert wäre, hilft oft Wunder.
Um Entschuldigung bitten: Ist die Kritik berechtigt, sollten Sie den Fehler zugeben. Beschreiben Sie ehrlich, wie es dazu kommen konnte und bitten Sie um Entschuldigung. Sollte die Kritik unbegründet oder nicht verständlich sein, sollten Sie den eigenen Standpunkt klarmachen und um weitere Informationen bitten.
Angebot machen: Meist steckt hinter einer schlechten Bewertung ein Problem, das gelöst werden sollte. Die schlechte Bewertung ist nur ein Ausdruck dessen. Gelingt es Ihnen durch konkrete Lösungsvorschläge, das Problem zu lösen, wäre die Kundin sogar vielleicht bereit, eine schlechte Bewertung zu revidieren.
Kontakt suchen: Nicht alle Korrespondenz sollte im Internet stattfinden. Bieten Sie eine alternative Kontaktmöglichkeit per E-Mail und Telefon an. So fühlt Ihr Gegenüber sich ernst genommen und man kommt schneller zu einer Lösung.
So könnte Ihre Antwort aussehen
Beherzigt man alle Tipps, könnte eine Antwort auf eine schlechte Bewertung wie folgt aussehen:
„Liebe Frau Müller, danke, dass Sie sich Zeit genommen haben, uns hier zu bewerten und uns die Chance geben, zu reagieren. Es tut mir leid, dass Sie mit unserem Service […] nicht zufrieden waren. Das wäre ich in Ihrer Situation wahrscheinlich auch. An dem Tag waren wir leider unterbesetzt und in der Hektik des Tages haben wir einen Fehler gemacht. Dies bitte ich zu entschuldigen. Ich würde mich freuen, wenn Sie uns die Chance geben, das Problem zu beheben und biete Ihnen […] an. Gerne können Sie mich auch unter 02131-XXX anrufen oder mir eine Mail an christoph@optikerbaum.de schicken. Ich bin überzeugt, dass wir hier schnell zu einer Lösung kommen.“
Wer sich auch in aussichtlosen Fällen Zeit für eine Antwort nimmt, kann vielleicht nicht die verärgerte Kundin zurückgewinnen. Aber zumindest die Zweifler (siehe vorn) von sich als engagiertem, qualitätsorientiertem Dienstleister überzeugen. Wie das geht, zeigt dieses reale Beispiel eines Ratinger Augenoptikers, der folgende Ein-Stern-Bewertung bei Google „kassierte“: „Wenig Kooperation, herablassende Behandlung, nachdem ich gebeten habe mir die genauen Werte mitzuteilen, die ich mir vorher für 18 Euro bestimmen lassen habe!“ Die 5-Sterne-Antwort des Kollegen:
Sehr geehrte Frau L., vielen Dank für Ihre Bewertung! Sie haben bei uns Ihre Brillenstärken überprüfen lassen. Die gemessenen Werte haben wir Ihnen selbstverständlich gerne schriftlich zur Verfügung gestellt. Sie gaben an, anhand dieser Werte Ihre Brille im Internet bei einem anderen Anbieter bestellen zu wollen. Unser Mitarbeiter hat sich bemüht, Ihnen zu erläutern, dass nur anhand der Refraktionswerte keine optimale Brille gefertigt werden kann. Desweiteren ist es nicht möglich, Einschleifdaten an einer Fassung zu messen, die uns nicht körperlich vorliegt – wie in Ihrem Fall. Wenn Sie sich dadurch nicht ausreichend von uns versorgt fühlten, so tut uns dies aufrichtig leid. Wir weisen an dieser Stelle darauf hin, dass eine Brille ein beratungsintensives Produkt ist. Ein optimales Ergebnis ist ohne direkten Kundenkontakt nicht möglich. Wir behalten uns allerdings auch vor, diesen Service exklusiv unseren Kunden zu bieten, die Ihre Brillen auch von uns beziehen möchten. Gerne beraten wir Sie in einem weiteren Gespräch kostenlos und ausführlich. Ihr Team von …
Nutzen Sie schlechte Bewertungen für sich
Antworten auf eine schlechte Bewertung werden überproportional häufig gelesen. Reagieren Augenoptikerinnen und Augenoptiker auf Kritik schnell, individuell und freundlich, birgt dies die Chance, potenzielle, aber noch unentschlossene Nutzerinnen und Nutzer zu überzeugen. Und vereinzelte 3- oder 4-Sterne-Bewertungen sorgen für ein authentisches Gesamtbild. Daher meine ich es ganz ehrlich: Schlechte Bewertung erhalten? Glückwunsch! Nutzen Sie die Chance!