Überschwemmung im funky Underground
Wo sonst Führungen stattfinden, stand Anfang Juli das Wasser knöcheltief. Mittlerweile sind die Folgen in der gläsernen Manufaktur im Funk Optik Store in Berlin wieder vollends beseitigt.
Dienstag, 9. Juli, vormittags im Optik Store von Dieter Funk, gelegen in einem der attraktiven Hinterhöfe in Berlin-Mitte unweit des Touristenhotspots Hackesche Höfe. Augenoptikermeister Christian Stöckle und seine Kollegen haben drei Kunden im Laden im Erdgeschoss. Vermessungen, Gläserbestimmung und Fassungsauswahl – Business as usual also. Doch wer den Blick gen Himmel hob, konnte schon sehen: Dunkle Wolken schoben sich zusammen.
„Als wir aus der Messung rauskamen, war‘s tiefste Nacht, und dann ging‘s schon los mit Donner und Starkregen“, erinnert sich Christian Stöckle zwei Wochen später. „Relativ schnell war uns klar, dass vom überfluteten Innenhof aus Unmengen von Wasser in den Keller laufen und wir das Schlimmste verhindern müssen. Also versorgten wir unsere Kunden mit Getränken, zogen unsere Schuhe aus und flitzten nach unten. Wir bildeten eine kleine Menschenkette, zwei Zweier-Teams, und schleppten mehr als 100 Eimer mit Wasser nach oben.“
Der Alarm war angebracht. Bis über die Knöchel stand der Keller unter Wasser. Und hier im Untergeschoss des Ladengeschäfts befindet sich seit 2018 das Herzstück des Optik Stores Funk, eine 160 Quadratmeter große gläserne Manufaktur, in der gefeilt, poliert und geschliffen wird. Kunden erleben hier normalerweise hautnah mit, wie ihre individuelle Brille hergestellt wird.
Christian Stöckle (2. v .r.) und das gesamte Team vom Funk Optik Store Berlin packten mit an, um das Wasser in Eimern aus dem Keller zu holen.
Der Anruf beim ahnungslosen Chef
Was am Boden stand und empfindlich ist, stellten die Mitarbeiter hoch, sämtliche Maschinen, Geräte und auch Soundboxen wurden schnell vom Stromnetz genommen. Stöckle filmte für die Hausverwaltung ein Video, um mögliche Schäden zu dokumentieren, und rief seinen ahnungslosen Chef an. Dieter Funk nahm zu diesem Zeitpunkt gerade am „Roundtable“ der Opti in München teil (siehe hier) und war erleichtert, wie schnell seine Mitarbeiter reagierten. Schließlich wusste er: Wäre die Wasserflut mitten in der Nacht gekommen, wäre alles schlimmer verlaufen.
„Im Innenhof ist alles versiegelt, das Wasser kann nirgendwo ablaufen. Wenn es die Treppe herunterläuft, pumpt deshalb eine Hebeanlage alle dreißig Sekunden Wasser hoch. Doch wenn es richtig viel regnet, hilft das nicht so viel“, erzählt Stöckle und ergänzt. „Mindestens einmal im Jahr haben wir mit Starkregen zu kämpfen.“ Aus diesem Grund wurden in der gläsernen Manufaktur, in der früher ein Weinhändler sein Lager hatte, auch sämtliche Stromanschlüsse nach oben gelegt. „Wir können deshalb“, scherzt Stöckle, „auch bei kniehohem Wasserstand hier unten noch arbeiten.“
Bei der Überflutung am 9. Juli sind Funk und sein Team mit dem Schrecken davongekommen. Nachdem die strombetriebenen Maschinen drei Tage trockneten, Stöckle manches Gerät sicherheitshalber aufschraubte, nicht dass doch Wasser dort hineingelaufen war, zeigte sich, dass alles noch funktionierte – bis auf eine Dreifach- Steckdose, die ihren Geist aufgegeben hatte. „Aber wer weiß“, so Stöckle schmunzelnd, „ob da überhaupt das Wasser die Ursache war.“
Wieder Führungen durch die gläserne Manufaktur
Ende gut, alles gut. Längst kann die gläserne Manufaktur im Optik Store in Berlin wieder vollumfänglich genutzt werden. Seit man dort über eine eigene Poliertrommel verfügt, kann die exklusive BSB-Kollektion (Bright Sight Berlin) vor Ort gefertigt werden, abgesehen von den Brillenbügeln, die aus der Funk- Zentrale in Kinsau geliefert werden. „Eigentlich will jeder Kunde die gläserne Manufaktur sehen“, sagt Stöckle abschließend, „nur samstags, wenn der Laden voller Leute ist, fällt die Führung ein bisschen kürzer aus.“
Autor: Dr. Jürgen Bräunlein
ist promovierter Medienwissenschaftler und Buchautor und seit über 25 Jahren in der Augenoptik unterwegs – als Fachjournalist, ehemaliger Chefredakteur, Texter und Ideengeber.