ZVA kritisiert Ineffizienz gesetzlicher Neuregelungen
Der Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen (ZVA) stellte zur Jahrespressekonferenz am 24. April die aktuellen Branchenzahlen vor. Als zentrale Themen standen daneben auf der Agenda: ein Gerichtsurteil zum Online-Brillenhandel und die gesetzliche Neuregelung zur Sehhilfenversorgung, die auch nach Inkrafttreten für massive Unklarheiten sorgt.
Auch für das vergangene Jahr ließe sich für die augenoptische Branche wieder eine positive Entwicklung konstatieren, wie der ZVA-Branchenbericht 2016/17 zeige, begann Thomas Truckenbrod als ZVA-Präsident die Pressekonferenz. So sei der Gesamtumsatz inklusive Online-Handel moderat um 2,1 Prozent gestiegen und lag 2016 bei 5,9 Milliarden Euro. Ohne Online-Handel setzten die stationären Fachgeschäfte 5,7 Milliarden Euro um. An der Zusammensetzung der Branche habe sich in den vergangenen Jahren kaum etwas geändert: Auch 2016 wuchsen die großen Filialisten nicht nur in punkto Anzahl der Niederlassungen. Ihr Umsatz stieg zudem um durchschnittlich 3,6 Prozent, während die mittelständischen Betriebe ein Umsatzwachstum von durchschnittlich 0,2 Prozent verzeichneten. Folglich wiesen die zehn größten Filialbetriebe einen Anteil von 45,1 Prozent am Branchenumsatz auf. Insgesamt wurden 12,6 Millionen Korrektionsbrillen verkauft, was einem Wachstum von 1,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Allein der stationäre Handel verkaufte 11,9 Millionen Brillen. Der Online-Handel wuchs zwar weiter, jedoch nur noch um zehn Prozent bei Umsatz und Stückzahl verkaufter Brillen und damit deutlich langsamer als in den Vorjahren. Die Brillenoptik bildete nach wie vor den Hauptumsatzträger der stationären Betriebe mit 82,4 Prozent. Gut zehn Prozent entfielen auf Vergrößernde Sehhilfen, Sonnenbrillen ohne Korrektion und sonstige Handelswaren, darunter auch Hörgeräte. 7,4 Prozent des Umsatzes generierte der Verkauf von Kontaktlinsen und Pflegemitteln, insgesamt verzeichnete dieser Bereich einen Rückgang um 3,2 Prozent – hier machte sich insbesondere die Konkurrenz durch fachfremde Verkaufskanäle wie Drogeriemärkte bemerkbar, vor allem bei Pflegemitteln oder auch weichen Kontaktlinsen mit kurzen Trageintervallen und in niedrigen Stärken. „Der ZVA sieht diese Entwicklung sehr kritisch, da Kontaktlinsen erklärungsbedürftige Produkte sind, deren Anpassung sowie die Beratung zur Handhabung und Pflege in fachlich kompetente Hände gehört“, erklärte Truckenbrod.
Profilieren durch Weiterbildung und Spezialisierung
„Gegenüber fachfremden Vertriebskanälen wie Drogeriemärkten und dem Online-Handel haben die stationären Augenoptiker einen klaren Vorteil“, erläutert Truckenbrod: „Als Fachleute für gutes Sehen können Augenoptiker mit ihren Kernkompetenzen und zahlreichen Services punkten. Nicht umsonst verfügen sie über eine fundierte Ausbildung und hohe Beratungskompetenz. Viele Augenoptiker nutzen Spezialisierungsangebote, um sich zu profilieren – zum Beispiel mit Sportoptik, Vergrößernden Sehhilfen oder Kontaktlinsen. Augenoptiker mit der Zusatzqualifikation als Optometrist können darüber hinaus spezielle Screenings durchführen und weitere Services anbieten.“ Dass die viele Betriebe vermehrt auf diese Konzepte setzen, bestätige eine aktuelle Umfrage des ZVA: Gut 69 Prozent der mittelständischen Innungsbetriebe möchten demnach ihr Dienstleistungsportfolio allgemein ausbauen, 54 Prozent setzen auf ein verstärktes Angebot an optometrischen Dienstleistungen.
„Optiker-Qualität“ nicht im Internet möglich
Dass es Augenoptiker-Qualität nur vom stationären Augenoptiker geben kann, habe auch ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) unlängst noch einmal bestätigt: Online-Anbietern von Brillen ist es demnach künftig untersagt, für diese mit der Aussage „in Optiker-Qualität“ zu werben. Der ZVA hatte bereits zuvor gerichtlich durchgesetzt, dass Gleitsichtbrillen aus dem Internet mit einem Warnhinweis versehen werden müssen, da sie im Straßenverkehr nur eingeschränkt nutzbar sind. Gerade bei Gleitsichtbrillen fehlen laut ZVA online zur korrekten Fertigung wichtige Parameter, die nur in direktem Kundenkontakt vom Fachmann ermittelt werden können.
Neues Gesetz sorgt für Unklarheiten
Ein anderes Thema, das die Branche aktuell bewegt, ist das neue Heil- und Hilfsmittelversorgungsstärkungsgesetz (HHVG). Das am 11. April in Kraft getretene Gesetz sieht vor, dass erwachsene Fehlsichtige mit einer Kurz- oder Weitsichtigkeit von mehr als sechs Dioptrien bzw. einer Hornhautverkrümmung von mehr als vier Dioptrien wieder Brillengläser zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten. Das neue Gesetz bringe jedoch zahlreiche Unklarheiten zur konkreten Umsetzung mit sich, sagte Truckenbrod. So bedarf die veraltete Produktgruppe des Hilfsmittelverzeichnisses, in der die Festbeträge für Sehhilfen festgelegt sind, einer dringenden Überarbeitung. Der ZVA bemühe sich daher, zu einer praktikablen Lösung zu finden. Außerdem hat der Verband ein Positionspapier (siehe Anlage) herausgegeben, das sich unter anderem mit der irreführenden Formulierung einer notwendigen (ärztlichen) Verordnung befasst. Truckenbrod: „Hiermit würden Berufspraktiken beschnitten, die längst etabliert sind und auch von den Verbrauchern überaus geschätzt werden. Wenn zudem jeder gesetzlich Versicherte, der die Voraussetzungen erfüllt, erst zum Augenarzt muss, um ein Brillenrezept zu erhalten, so führt das zu noch längeren Wartezeiten in den Praxen und höheren Kosten für die Krankenkassen.“ Der ZVA bemängelt aus diesem Grund die Ineffizienz des Gesetzes.