Grundlagen, Besonderheiten und Fallbeispiele

Kantenfilter-Kontaktlinsen erfolgreich anpassen

Viele Erkrankungen des Auges beeinflussen das Sehen und Blendungsempfinden. Hier können sogenannte Kantenfilter Abhilfe schaffen. Weil allerdings nicht jeder Betroffene eine der sehr auffälligen Kantenfilter-Brillen tragen möchte, sind Kantenfilter-Kontaktlinsen eine Alternative. Wie diese Kontaktlinsen wirken und was bei der Anpassung zu beachten gilt, erläutern die DOZ-Autoren Markus Worm und Corinna Jonske in diesem Beitrag.
Verschwommene Menschenmasse

Für manche Menschen ist die Welt nicht nur unscharf, sondern auch viel zu grell. Kantenfilter-Kontaktlinsen können hier Abhilfe schaffen.

© AdobeStock/kichigin19

Erstveröffentlichung in der DOZ 03I24

Von jeher werden Kantenfilter bei medizinischen Indikationen zur Blendungsreduktion und Kontrastverstärkung erfolgreich eingesetzt. Neben diversen Netzhauterkrankungen, die zumeist ältere Personen betreffen, gibt es auch einige weitestgehend altersunabhängige Indikationen, etwa die Achromatopsie. Hier bieten sich aus kosmetischen Gründen gerade für jüngere Menschen Kontaktlinsen als Alternative an. Aber auch der berufliche Alltag lässt sich mit Kantenfilter-Kontaktlinsen einfacher gestalten, wenn beispielsweise Kundenkontakt besteht. Im Folgenden werden die Versorgungsmöglichkeiten mit der Kantenfilter-Kontaktlinse „HydroColor“ vorgestellt.

Kantenfilter werden häufig auch als „Blue-Blocker“ bezeichnet, weil sie sowohl UV-Strahlung als auch kurzwelliges, blaues Licht bis zu einer bestimmten, definierten Kante absorbieren. Bild 1 zeigt Beispiele dieser stark ansteigenden Transmission mit dem charakteristischen Kurvenverlauf.

transmissionskurven der HydroColor Filter

Bild 1: Transmissionskurve der „HydroColor Filter“

Vor allem das kurzwellige blaue Licht ist für die Lichtstreuung und damit für die Blendung verantwortlich. Wird es herausgefiltert, werden die Symptome der Betroffenen gelindert oder gar behoben. Zugleich wird dadurch auch der Kontrast erhöht, die Konturen von Gegenständen und Personen treten wieder deutlicher hervor.

Durch diese selektive Absorption im kurzwelligen Bereich wird das Spektrum des Lichts durch den Kantenfilter verändert, wodurch das Farbsehen reduziert wird. Daher sind Kantenfilter meist nur noch bedingt straßenverkehrstauglich, da sie die Erkennbarkeit von Signallichtern beeinflussen.

Indikationen

Kantenfilter werden grundsätzlich bei verschiedenen Erkrankungen im Bereich der Netzhaut verwendet. Am häufigsten findet man hier die Achromatopsie: Bei dieser Erkrankung handelt es sich um eine angeborene völlige Farbenblindheit (nicht zu verwechseln mit einer Farbsehschwäche wie zum Beispiel der Rot-Grün-Blindheit). Bei der Achromatopsie sind die Sehzellen auf der Netzhaut defekt, die für das Farbensehen zuständig sind, die sogenannten Zapfen. Diese Sehzellen kommen bei uns Menschen insbesondere im zentralen Gesichtsfeld vor, somit ist bei einem Defekt auch die allgemeine Sehschärfe deutlich herabgesetzt. Hinzu kommt in der Regel eine starke Blendempfindlichkeit bereits bei normalen Lichtverhältnissen.

Eine weitere Diagnose, bei der Kantenfilter zum Einsatz kommen, ist die Retinitis pigmentosa. Diese genetisch bedingte Erkrankung ist eine Form der Netzhautdegeneration, bei der die Sehzellen auf der Netzhaut schrittweise degenerieren und absterben. Sie ist eine der weltweit häufigsten Ursachen für Erblindung. Im Anfangsstadium ist oft zuerst das Nachtsehen eingeschränkt, dann kommt es im weiteren Verlauf zu einem sogenannten „Tunnelblick“, das Sehen in der Peripherie wird immer weiter eingeschränkt. Im nächsten Schritt tritt dann zunehmend Blendempfindlichkeit und ein gestörtes Farb- und Kontrastsehen auf, bevor schleichend auch das zentrale Sehvermögen schwindet. Eine Therapie oder Behandlung, die zur Heilung führen oder das Fortschreiten aufhalten könnte, gibt es bislang nicht. Man versucht, mit verschiedenen Hilfsmitteln den Alltag der Betroffenen so gut wie möglich zu verbessern. Dazu gehören insbesondere im Bereich der Blendempfindlichkeit und der Störung des Farb- und Kontrastsehens auch Kantenfilter.

In den meisten Fällen wird hier zuerst eine Kantenfilter-Brille angefertigt. Hier werden vom Low-Vision-Spezialisten unterschiedliche Filter bei verschiedenen Lichtsituationen probiert, bevor der Betroffene sich für den angenehmsten Filter entscheidet. Kommt es zur Anpassung von Kantenfilter-Kontaktlinsen, wissen die meisten Kunden somit vorher schon, mit welchem Kantenfilter sie in ihrer Brille bereits gut zurechtkommen. Das heißt zwar nicht, dass genau der gleiche Filter auch bei den Kontaktlinsen zwingend zum Einsatz kommt, aber meistens sind die Abweichungen zwischen Kontaktlinsen und Brillen nicht sehr groß. Somit müssen im Rahmen der Anpassung oft nicht alle verschiedenen Filtertönungen ausprobiert werden, sondern nur zwei oder drei verschiedene.

Mit der HydroColor Filter bietet SwissLens (Prilly, Schweiz) sowohl die häufigsten Kantenfilter 450, 511, 527 und 550, als auch zahlreiche weitere Farbvariationen an. So kann die Transmission der gewählten Kantenfilter noch mit einer zusätzlichen Einfärbung (braun oder grau) reduziert werden (Bild Links). Oder es können abweichende Absorptionskanten, sowie harmonischere Farbübergänge gefärbt werden. Diese sogenannten Komfortfilter oder Blaudämpfer zur Blaulichtreduktion sind dann teilweise auch wieder straßenverkehrstauglich, da sie zu einer geringeren Veränderung des Farbspektrums führen (Bild 3, SLF C500). Das Farbsehen ist natürlicher, und kosmetisch erinnern sie häufig auch eher an einen unauffälligen Braunton (F60/80, Bild Mitte). Aufgrund der individuellen Fertigung sind sämtliche Parameter und Stärken für die HydroColor Filter möglich. Auch lässt sich die Tönung in die Pupille einer Irisprint-Kontaktlinse integrieren (Bild Rechts).

Zeichenfläche

Bild 2, 3 und 4

HCPro pupil SLF511

Bild 5: Die Grafiken oben zeigen anschaulich, dass abhängig vom Kantenfilter jeweils ein anderer Teil des Lichts herausgefiltert wird.

Anpassung und Auswahl des Filters

SwissLens empfiehlt zur Anpassung zunächst eine klare Messlinse, um den Sitz zu validieren. Nach der Ermittlung der geeigneten Filterfarbe auf Basis von Vorhaltern, Vorhängern oder Probierbrillen wird dann die endgültige Kantenfilter-Kontaktlinse hergestellt. Die Kontaktlinse wird individuell nach den Daten des Auges gefertigt. Praktisch jede Geometrie und Stärke, auch torische oder multifokale Ausführungen, sind machbar. Die Farbe hat dabei keinerlei Einfluss auf die Sauerstoffdurchlässigkeit des Materials Contaflex 67 %, wie Labormessungen bestätigt haben. Zur Pflege können handelsübliche Peroxidsysteme oder Kombilösungen angewendet werden.

Da eine genaue Zuordnung eines bestimmten Filters aufgrund der Indikation nicht möglich ist, sollte die endgültige Farbe mit dem Kunden gemeinsam ermittelt werden. Der jeweils schwächste Filter, der die Symptome ausreichend lindert, sollte gewählt werden. Dabei kann sich gelegentlich auch die Kombination einer helleren Variante für Innen sowie eine zusätzliche Sonnenbrille für das Sehen im Freien als zweckmäßig erweisen.

In der Praxis erfolgt die Anpassung dann wie folgt: Zuerst erfolgt die Anamnese. Neben allen wichtigen Mess-Parametern wie Refraktion, Hornhaut-Topographie, Visus und Spaltlampenuntersuchung ist hier auch die Geschichte und die persönliche Erfahrung und Erwartung des Kunden/Patienten sehr wichtig. Betroffene haben oft eine lange Leidensgeschichte und diverse Schwierigkeiten in ihrem Alltag. Hier ist es umso wichtiger, besonders genau zuzuhören und herauszuarbeiten, wo sich die Betroffenen die größte Verbesserung in ihrem Alltag wünschen, und zu schauen, ob die Erwartungen realistisch sind.

Im zweiten Schritt muss anhand der vorliegenden Werte und der Tragewünsche des Kunden ermittelt werden, ob eine weiche oder formstabile Kontaktlinse sinnvoll zum Einsatz kommen kann. Die eigentliche Anpassung erfolgt dann mithilfe von Messlinsen, erst einmal ohne jeglichen Filter. Die richtige Form und Stärke werden bestimmt und erst dann erfolgt die Auswahl des Filters. In Anlehnung an die meist bereits bestehende Kantenfilterbrille werden bei uns im Institut verschiedene Tönungen durch Vorhalter probiert. Die Filtertönungen, die in der „engeren Wahl“ landen, meist nicht mehr als zwei bis drei Filtertönungen, kann der Kunde dann im Regelfall auch noch einige Tage zu Hause leihweise testen. Wenn die Entscheidung gefallen ist, wird die ausgemessene Kontaktlinse mit der entsprechenden Tönung bestellt.

Die Abgabe erfolgt dann auch noch einmal mit einem geplanten Toleranztest. Das heißt, wir setzen die Kantenfilterlinsen auf und der Kunde trägt die erste Stunde bei einem kleinen Spaziergang schon einmal zur Probe. Nach dieser Stunde können dann bereits die ersten Erfahrungen kommuniziert werden. In den meisten Fällen sind die Kunden tatsächlich begeistert über die Sehleistung, die Filterwirkung, aber auch die spürbare Freiheit, nicht zwangsläufig die auffällige Brille tragen zu müssen. Im nächsten Schritt erfolgt das Handhabungstraining, bevor die Linsen dann zu Hause eingetragen werden. Im weiteren Verlauf erfolgen die Nachkontrollen, um die dauerhafte Verträglichkeit sicherzustellen und Veränderungen im Sehen frühzeitig zu erkennen.

Fallbericht 1: Kundin Jahrgang 1964

Anhand von einigen Fallbeispielen soll hier die Anpassung noch einmal gezeigt werden. Die erste Kundin, Jahrgang 1964, hat erst vor einem Jahr die Diagnose Achromatopsie erhalten. Die schlechte Sehleistung war zuvor jahrelang einer AMD zugeordnet worden. Somit konnte erst seit einem Jahr die „richtige“ Erkrankung behandelt werden. Die Kundin kam mit einer monokularen Sehleistung von 0,10 zu uns, binokular 0,13. Seit einem Jahr wurde auch in Innenräumen ein Kantenfilter von Zeiss KF 580 oder KF560 verwendet, zudem war auch eine Lupenbrille in Benutzung. Bisher wurde keine optische Korrektion getragen. Die Topo graphie ist in Bild 6 erkenntlich; Iris-Durchmesser beidseits 12,0 mm.

Die Kundin entschied sich für weiche Kontaktlinsen. Somit erfolgte die Anpassung mit folgenden Messlinsen:

  • Orbis BC: 8,70 Sph: +3,00 Dpt DIA: 14,00 ZR: −2,0 V 0,13
  • Orbis BC: 8,70 Sph: +3,00 Dpt DIA: 14,00 ZR: −0,75 V 0,10+

Für einige Tage wurden dann noch Kantenfiltervorhalter zu Hause getestet, KF 511 erschien bei verschiedenen Lichtverhältnissen am angenehmsten. Deutlich zu sehen ist in diesem Fall die Visussteigerung, die trotz geringer Stärke mit der Kontaktlinse am rechten Auge möglich war. Bestellt wurde somit (Bild 7 + 8):

  • Orbis HydroColor KF Contaflex 67 BC: 8,70 Sph: +1,0 DIA: 14,00; KF 511; Iris 12,2
  • Orbis HydroColor KF Contaflex 67 BC: 8,70 Sph: +2,25 DIA: 14,00; KF 511; Iris 12,2

Die Abgabe scheiterte zunächst am Handhabungstraining. Aufgrund der schlechten Sehleistung – insbesondere ohne den Kantenfilter – ist das Üben der Handhabung für viele sehr schwierig, da im Spiegel das Auge nicht gut genug gesehen wird. Zwar ist die stark getönte Linse gut sichtbar, aber die Strukturen des Auges und somit die genaue Platzierung der Linse an der richtigen Stelle fällt schwer. Dies musste somit noch einmal bei einem weiteren Termin geübt werden, dann aber klappte es gut.

Bei der ersten Nachkontrolle kam die Kundin sehr glücklich zu uns, das Sehen innerhalb von Räumen und auch bei Tageslicht sei ausgezeichnet. Bei Sonnenschein könnte eine zusätzliche Sonnenbrille getragen werden, die die Situation noch weiter entspannt. Allerdings sei das Bild trotzdem noch unscharf. Die Kontrolle ergab hier abermals eine beidseitige Überrefraktion von R −1,0 / L −1,25 bei messbar gleichbleibendem Visus (R 0,13; L 0,10+). Die Linsen wurden ein weiteres Mal neu bestellt als

  • Orbis HydroColor KF Contaflex 67 BC: 8,70 Sph: plan DIA: 14,00; KF 511; Iris 12,2
  • Orbis HydroColor KF Contaflex 67 BC: 8,70 Sph: +1,00 DIA: 14,00; KF 511; Iris 12,2

Diese Entwicklung zeigt einen weiteren Schwierigkeitsgrad bei Menschen mit sehr eingeschränkter Sehleistung. Die Refraktion ist oft schwierig, weil feine Stärkenunterschiede nur schwer zu beurteilen sind. Aber hier führte die neue Stärke dann zu einer deutlichen subjektiven Verbesserung und die Linsen wurden fast ein Jahr beschwerdefrei getragen. Dann wurden zunehmend nachlassendes Sehen und ein heller Schein rund um Lichtquellen bemerkt, neue Linsen wurden baugleich angefertigt und die Schwierigkeiten waren behoben. Seither werden die Linsen weiterhin beschwerdefrei getragen und eine Nachversorgung erfolgt jährlich, immer mal wieder kommt es zu leichten Stärkenschwankungen, die jeweils berücksichtigt wurden. Die Filterwirkung ist gleichgeblieben und die Sehleistung stabil.

Topographie_Fall1

Bild 6: Anhand der Topographie-Daten wurden die entsprechenden Messlinsen ermittelt.

Rechtes und linkes Auge einer Kundin

Bild 7 und 8: Blick durch die Spaltlampe während der Nachkontrolle des rechten (Bild 7) und des linken Auges.

Fallbericht 2: Kundin Jahrgang 2009

Die zweite Kundin, Jahrgang 2009, trug bei diagnostizierter Achromatopsie bereits eine Kantenfilterbrille mit 580 nm, mit 90 Prozent Tönung für die Verwendung am Tag und für abends mit einer Tönung von 65 Prozent. Altersbedingt wünschte sich diese Kundin eine weniger auffällige Versorgung mit Kontaktlinsen. Die Stärken waren hier:

  • R sph +6,50 cyl −1,00 A 5° V 0,08
  • L sph +6,50 cyl −1,00 A 15° V 0,08; binokular 0,13

Die Topographie der Hornhaut stellte sich wie in Bild 9 ersichtlich dar; der Iris-Durchmesser betrug beidseits 12,20 mm. Als Messlinsen für die Stärke wurden standardisierte Monatslinsen verwendet:

  • Biofinity BC: 8,60 Sph: +6,50 DIA: 14,00 ZR: +1,0 V 0,08
  • Biofinity BC: 8,60 Sph: +6,50 DIA:14,00 ZR: +1,0 V 0,08; binokular 0,13

Hier konnte mit Kontaktlinsen keine messbare Visussteigerung erreicht werden. Ein Kantenfilter mit 580 nm wurde am angenehmsten empfunden. Bestellt wurde dann (Bild 10 + 11):

  • Orbis HydroColor KF Contaflex 67 BC: 8,50 Sph: +7,50 DIA: 13,40; KF 580; Iris 11,8
  •  Orbis HydroColor KF Contaflex 67 BC: 8,50 Sph: +7,50 DIA: 13,40; KF 580; Iris 11,8

An den Bildern und der Topographie kann man erkennen, dass gerade am rechten Auge die Untersuchungen schwierig waren. Die Fixation fiel aufgrund des schlechten Visus insbesondere rechts schwer, das einfallende Licht bei der Topographie wurde als blendend empfunden und die Lidspalte etwas mehr zugekniffen. Diese Linsen werden nun erfolgreich täglich ganztags getragen und als sehr angenehm empfunden. Es werden immer wieder Pausentage eingelegt, damit bei diesen langen Tragezeiten die Sauerstoffversorgung der Hornhaut sichergestellt werden kann. Wobei anders als bei Iris-Kontaktlinsen die Sauerstoffdurchlässigkeit durch die Tönung nicht beeinträchtigt ist. In den Wintermonaten ist die Tönung gegebenenfalls etwas zu dunkel, funktioniert aber trotzdem gut. Das wird vor der nächsten Nachversorgung nochmals überprüft und bei Bedarf modifiziert.

Topographie_Fall2

Bild 9: Topographie-Aufnahmen bei einer Achromatopsie: Beim rechten Auge stellte sich die Untersuchung aufgrund der hohen Blendempfindlichkeit als schwieriger dar.

Fall 2, rechtes und linkes Auge einer Kundin

Bild 10 und 11: Dieser Kundin half eine Kantenfilter-Kontaktlinse mit 580 Nanometer, die sie am angenehmsten empfand.

Fallbericht 3: Kunde Jahrgang 1976

Eine weitere Versorgung, dieses Mal mit einer anderen Diagnose, erfolgt hier: Ein Patient Jahrgang 1976, leidet an Retinitis pigmentosa bei gleichzeitiger hoher Myopie und irregulärem Astigmatismus:

  • R sph −9,50 cyl −1,50 73°
  •  L sph −8,25 cyl −2,25 151°

Er war bereits mit einer Kantenfilterbrille mit 550 nm versorgt. Die Sehleistung mit dieser Brille betrug R 0,32; L 0,25; binokular 0,32 Die entsprechende Topographie verdeutlicht Bild 12.

Die erste Versorgung fand bereits im Jahr 2015 in unserem Institut statt. Damals wurden formstabile Kantenfilter-Kontaktlinsen angepasst, um auch den irregulären Astigmatismus bestmöglich zu korrigieren. Nach mehrmaligem Testen wurde ein Kantenfilter von 500 nm als am angenehmsten empfunden. Die Sehleistung betrug mit den formstabilen Kontaktlinsen R 0,40; L 0,32; binokular 0,40. Der Kunde beschrieb sein Sehgefühl als sehr angenehm und empfand weniger Lichtverlust als mit seiner Brille.

Es erfolgten Nachversorgungen mit dem gleichen Linsentyp, bis dieser nicht mehr verfügbar war. Die Folgeversorgung mit einer weiteren Kantenfilterlinse eines anderen Herstellers gestaltete sich als schwierig. Es kam immer wieder zu Festsitz, und die Verträglichkeit war aufgrund von Trockenheitsschwierigkeiten gesunken. Es entstanden Beläge und auch der Netzhaut-Zustand hatte sich verschlechtert. 2020 lag der Visus nur noch bei R 0,20; L 0,30; binokular 0,30. Es erfolgte eine Katarakt-OP am rechten Auge, sodass die Stärke dort nun deutlich reduziert ist. Der irreguläre Astigmatismus ist aber geblieben:

  • R sph 0,00 cyl −2,00 75°

Es erfolgte erneut eine neue Versorgung mit Kantenfilter-Kontaktlinsen: R als Huckepack-System zum Schutz der Hornhaut mit einer weichen Kantenfilterlinse als Trägerlinse:

  • Orbis HydroColor KF Contaflex 67 BC: 8,60 Sph: +0,50 DIA: 14,20; KF 527; Iris 12,20

Und einer formstabilen Kontaktlinse zur besseren Korrektur des irregulären Astigmatismus. Damit ist bei der formstabilen Kontaktlinse auch eine freie Wahl des Materials möglich, sodass der problematische Tränenfilm besser versorgt werden konnte. L wird weiterhin die letzte formstabile Kantenfilter-Kontaktlinse der Firma Hecht getragen (Bilder 13, 14 + 15).

 Topographie_Fall3

Bild 12: Nach den Topographiemessungen wurden die Augen mit formstabilen Kantenfilter-Kontaktlinsen versorgt.

Augenaufnahme frontal und im Profil

Bild 13, 14, 15: In diesem Fall wurde am rechten Auge eine Huckepack-Anpassung vorgenommen. Mit Hilfe der formstabilen Kontaktlinse konnte der irreguläre Astigmatismus korrigiert werden. Das linke Auge wurde nach wie vor mit einer formstabilen Kontaktlinse versorgt.

Kantenfilter-Linsen müssen meist privat bezahlt werden

Zu guter Letzt soll hier noch auf die Kosten für solche Versorgungen eingegangen werden. Hier ist gerade aufgrund der schlechten Sehleistung der meisten Patienten mit einem erhöhten Zeitaufwand bei der Anpassung zu rechnen. Leider werden Kantenfilter-Kontaktlinsen bisher von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen. Diese bezuschusst zwar die Kantenfilterbrillen, aber Kontaktlinsen als Ergänzung werden nicht bezuschusst. Somit müssen die Linsen privat bezahlt werden, es sei denn, es gibt zusätzlich eine Indikation für Kontaktlinsen aufgrund der Stärke, dann kann zumindest ein Festbetrag in Anspruch genommen werden.

An dieser Kostenthematik kann eine Anpassung dann auch einmal scheitern, wie ein jüngster Fall in unserem Institut zeigt: Es stellte sich ein zwölfjähriges Mädchen bei uns vor mit einer anderen Diagnose als die bisher genannten: Das Mädchen leidet an photosensitiver Epilepsie, was heißt, dass bei besonderen Lichtverhältnissen epileptische Anfälle ausgelöst werden können. Hier war bei einer Brille bisher ein bläulicher Kantenfilter sehr hilfreich. Das Mädchen wünschte sich nun eine Kontaktlinsenlösung. Da eine Kostenübernahme von der Krankenkasse aber abgelehnt wurde und die Familie sich die Versorgung selbst nicht leisten kann, konnte hier bisher noch keine Anpassung stattfinden.

Zusammenfassung

Die langjährigen Erfahrungen in der Praxis haben gezeigt, dass Kantenfilter-Kontaktlinsen die etablierten Brillengläser gleichwertig ersetzen können. Durch den Wechsel vom Brillenglas zur Kontaktlinse werden die zwischenmenschliche Kommunikation und der berufliche Alltag erleichtert. Dies kann insbesondere bei jüngeren Menschen zu deutlich mehr Selbstbewusstsein und Lebensqualität führen.

Jonske und Worm Portraits
© Müller Welt/SwissLens

Autoren:

Corinna Jonske
(Jg. 1978), Studium an der Hochschule Aalen von 2000-2004 mit dem Abschluss Dipl. Ing. (FH) Augenoptik. Als Kontaktlinsenspezialistin (ZVA) ist sie seit 2004 angestellt bei Müller Welt Kontaktlinsen Stuttgart GmbH und passt dort alle denkbaren Arten von Linsen an. Parallel dazu hat Corinna Jonske seit 2005 die KL-Sprechstunde für Babys und Kleinkinder in der Tübinger Universitäts-Augenklinik aufgebaut, die sie heute – nach zwischenzeitlicher Elternzeit – wieder zusammen mit Maik Baur betreut.

Markus Worm
hat nach seinem Studium als Dipl.-Ing. (FH) Augenoptik in Augenoptik-Fachgeschäften und der optischen Industrie gearbeitet. Seit 2007 ist er bei SwissLens in der Schweiz als Produktmanager für die Farblinsen, die Anpassberatung und die Topographie zuständig.