Wenn‘s personell eng wird, kommt sie wie gerufen

Videos von Hornberger Touchpoint unterstützen bei der Beratung

Anna-Sophie Hornberger hat eine Strategie entwickelt, mit der Augenoptikerinnen und Augenoptiker ihre Kundschaft zu allen relevanten Themen digital begleiten können – vor, während und nach dem Kaufprozess. Das Ziel: Zeitersparnis im Beratungs- und Verkaufsprozess. Wie Augenoptikerinnen diese Tools angesichts des Fachkräftemangels nutzen können, um die eigenen Ressourcen möglichst effektiv einzusetzen, verdeutlicht dieser Beitrag.
KIS_Aufmacher

Gut, wenn man diese Fachkraft in Reserve hat: Anna-Sophie Hornberger ist die treibende Kraft hinter Hornberger Touchpoint und in den Videos oft selbst im Einsatz …

© Hornberger Touchpoint

Erstveröffentlicht in der DOZ 10I24

Es ist bereits nach 17 Uhr, ein ganz normaler Mittwoch. Mehrere Kunden stehen am Empfangstresen. Einer sieht unruhig auf die Uhr, eine andere ruft von hinten, sie bräuchte doch bloß Kontaktlinsenmittel, ob man sie nicht vorlassen könne? Ohnehin ist das Team knapp besetzt, seit gestern fällt auch noch ein Kollege erkrankt aus. Alle Mitarbeitenden sitzen in der Beratung, bei der Refraktion oder Anpassung, und um den Azubi müsste sich eigentlich auch jemand kümmern …

So oder so ähnlich ist die Situation mittlerweile häufig in Deutschlands Augenoptikgeschäften. Das liegt einerseits am Fachkräftemangel, andererseits aber auch oft daran, dass der Service, die augenoptische Untersuchung und Versorgung reichlich Zeit beanspruchen, die sich manchmal leichter, manchmal schwerer vorab einschätzen lässt – manche Kunden stellen einfach mehr Fragen als andere, und nicht alle sind gleichermaßen aufnahmefähig.

Genau an dieser Stelle eine Lösung zu finden, ist der Antrieb von Anna-Sophie Hornberger. Sie kennt das Dilemma aus eigener Erfahrung: Als Vertriebsleiterin für Deutschland beim Schweizer Kontaktlinsenhersteller Galifa wird die Augenoptikermeisterin auch mit den Sorgen ihrer Geschäftskunden konfrontiert. Bei vielen mangelt es an Zeit und Personal. Zudem ist es für Laien nicht so einfach, sich nach einer ersten Beratung schnell für ein Produkt zu entscheiden. Dies hatte sie schon während ihrer Gesellenjahre im elterlichen Geschäft und auch bei ihrer Tätigkeit in einer Augenklinik festgestellt. „Viele Kunden oder Patienten sind erstmal überfordert einzuschätzen, ob sie zum Beispiel für eine Grauer-Star-Operation 800 bis 2.800 Euro ausgeben sollten oder ob auch eine kostengünstigere Versorgung ihre Bedürfnisse erfüllt.“ Und wer kennt es nicht: Unter Zeitdruck trifft man oft Entscheidungen, die man im Nachhinein bereut. Nicht jeder fühlt sich wohl dabei, vermeintlich zu viele Fragen zu stellen, daher verzichten manche lieber darauf.

Wertige 3D-Animationen statt simpler Strichmännchen

Auch wenn man als Augenoptiker alles ausführlich erklären und individuell beraten kann, kostet es dennoch viel Zeit und Geduld. Kunden besuchen das Geschäft wiederholt, rufen an oder fragen per Mail nach. „Deshalb habe ich darüber nachgedacht, wie diese Prozesse im Kundenkontakt unterstützt werden können und Aufklärung sowie Betreuung unabhängig von personellen Gegebenheiten gestaltet werden kann“, erläutert die 34-Jährige. Die wegweisende Idee kam ihr während ihres Masterstudiums im Fach Vertrieb und Marketing an der Donau-Universität in Krems: Alle wichtigen Informationen aus Beratungsund Verkaufsgesprächen in Kurzvideos zusammenfassen, die per Logo und Farbkonzept auf den jeweiligen Augenoptiker gebrandet werden, also personalisierbar sind. Diese Clips sollten nicht selbstgedreht sein, wie sie auf YouTube oder TikTok zahlreich zu finden sind, sondern hochwertig, professionell inszeniert und vertont, unterhaltsam und dennoch mit allen relevanten Informationen angereichert sein, inklusive hochwertiger 3D-Animationen anstelle simpler Strichmännchen. Auf Grundlage dieser Idee entwickelte Hornberger das Produkt „KIS“. KIS steht für „Key Information for Success“ und fasst die relevanten Kerninformationen aus Beratungs- und Verkaufsgesprächen in der Augenoptik zusammen.

Technisch oder fachlich komplexe Sachverhalte zu allen Arten der augenoptischen Versorgung sollen dem Verbraucher einfach vermittelt werden, um ihn auf den persönlichen Termin bei seiner Augenoptikerin vorzubereiten und ihn auch später noch zu begleiten. Zu jedem Augenoptik-Thema soll es spätestens am Jahresende ein Paket mit mehreren Videos von drei bis vier Minuten Länge geben. Bereits fertig ist das Kontaktlinsenpaket mit fünf Videos, in den nächsten Monaten werden die Themen Orthokeratologie, Myopie-Management, Gleitsichtbrille und OptikerImage fertiggestellt. Dabei sind die KIS-Videos keinesfalls so gemeint, dass Nutzer sie schnell an- und wieder ausklicken oder „nebenbei“ anschauen sollten, wie es bei anderen Social-Media-Videos oft der Fall ist. „Die Kunden der Augenoptiker sollten die Inhalte schon bewusst ansehen, denn sie sind letztlich ein Teil der Beratung im Geschäft und sollen diese unterstützen“, betont Sophie Hornberger.

Filmstudio

… wie dieses Bild beweist: Anna-Sophie Hornberger demonstriert vor der Kamera das korrekte Aufsetzen einer Kontaktlinse.

© Hornberger Touchpoint

Im Einführungsvideo zur Kontaktlinse wird beispielsweise erklärt: Was genau passiert bei der Kontaktlinsenanpassung? Warum ist es wichtig, dass die Kontaktlinse zum Auge passt? Was sind Austauschlinsen und was zeichnet ein individuelleres Produkt aus? Wie wird eine Hornhautverkrümmung berücksichtigt? Mit diesen Aussagen werden das Know-how und die Wertigkeit der Dienstleistung transportiert, ohne dass der Augenoptiker dieses selbst betonen muss. Das KontaktlinsenKIS-Paket enthält zudem ein Video, in dem das korrekte Einsetzen und Herausnehmen der Linsen demonstriert wird, sowie ein weiteres Video zum Thema Pflege. Auf diese Weise erhalten Kundinnen und Kunden, ergänzend zum Beratungsgespräch, umfassende digitale Informationen zu allen relevanten Schritten – bis sie sich als Kontaktlinsenträger wohlfühlen.

„Unser Ziel ist aufzuzeigen, wo die Qualitätsunterschiede liegen und zu verdeutlichen, warum es sinnvoll ist, zum traditionellen Anbieter zu gehen, anstatt sich zum Beispiel Kontaktlinsen im Drogeriemarkt oder eine Brille auf einer reinen Onlineplattform zu kaufen.“ Für die KIS-Videos sowie die damit verbundenen, aber auch separat erhältlichen Social-Media-Posts namens „Blinks“ hat die gebürtige Rheinländerin im Januar ihr eigenes Unternehmen Hornberger Touchpoint GmbH in Salem am Bodensee gegründet und leitet es gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Daniel Beer.

Formstabile Kontaktlinsen

Im fertigen Video zum Thema „Formstabile Kontaktlinsen auf- und absetzen“ sieht das zum Beispiel auf dem PC eines Kunden dann so aus wie in diesem Screenshot.

© Hornberger Touchpoint

Weiter Weg von der Skizze zum fertigen Video

Die Skripte für die Videos erstellt Sophie Hornberger mit ihrer Expertise als Meisterin selbst. Für die Produktion sowie die von Kunden gewünschte Individualisierungen hat sie sich ein ortsansässiges Medienunternehmen als Partner ausgesucht. Dafür investiert Hornberger einiges: Für ein Video in der gewünschten Qualität können bis zu 9.000 Euro Produktionskosten fällig werden, hinzu kommt der Zeitaufwand für ihren Anteil an der Arbeit, inklusive einiger Korrekturschleifen. „Es ist wirklich erstaunlich, wie viel Zeit es in Anspruch nimmt, die eigene bildliche Vision von jemand anderem visualisieren zu lassen. Aber langsam haben wir uns eingespielt und sprechen nun dieselbe Sprache, was erfreulicherweise zu wesentlich weniger Überarbeitungsschleifen führt.“

Wie die Kunden zum Video gelangen, dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. Wenn der Augenoptiker einen Online-Terminkalender auf seiner Webseite hat, kann der Link in die Terminbestätigung eingefügt werden. Der Link kann aber auch über WhatsApp oder per Mail versendet werden. Genauso ist es möglich, die Videos direkt auf der Webseite zum Anklicken zu integrieren. Über Beiträge auf den Social-Media-Kanälen des Augenoptikers lassen sie sich dann verlinken und bewerben. Als weitere Option können Augenoptikerinnen ihren Kundinnen eine Postkarte mit einem zum Video führenden QR-Code zusenden oder im Geschäft mitgeben. Die Postkarte könnte beispielsweise den Hinweis enthalten: „Wir freuen uns auf Sie – bitte nehmen Sie sich eine Kaffeelänge Zeit und schauen dieses Video vor Ihrem Termin an.“ Diese gedruckte Kundeninformation ist im Preis für die Nutzung der KIS-Videos enthalten und wird individuell mit Blick auf den Augenoptiker gestaltet.

Es sind verschiedene Individualisierungsstufen wählbar. Im Grundpreis ist die Integration der eigenen Unternehmensfarben und das Implementieren des Logos enthalten. Gegen einen gestaffelten Aufpreis können zusätzlich Schriftart, Dialekt (deutsch, österreichisch, schwyzerdütsch) und Du/Sie-Ansprache berücksichtigt werden, genauso auch die Integration von Preisen und Teamfotos. Anna-Sophie Hornberger setzt auf die Kombination aus einheitlichem Grundgerüst und individueller Gestaltung. „Die inhaltlichen Kernaussagen sind für alle Augenoptiker relevant, da beispielsweise das Funktionsprinzip von Gleitsichtgläsern oder Kontaktlinsen überall dasselbe ist. Anders als bei selbst erstellten Videos spart sich der Augenoptiker den Aufwand für die Erstellung von Inhalten, die Suche nach einem Videografen und etliche Korrekturschleifen. Sogar kleinere Anpassungen der Inhalte sind möglich: Unterscheiden sich zum Beispiel Wartezeiten oder Abläufe beim Kunden von den im Video genannten, können Änderungen an Aussagen oder Szenen vorgenommen werden. „Diese Kosten wird der Kunde dann selbst tragen müssen“, sagt die Unternehmerin. „Da wir hier aber nur über kurze Sequenzen reden, ist der Kostenaufwand für die Änderung überschaubar.“

Die Kosten für die Videopakete variieren entsprechend. Als Beispiel nennt die Geschäftsführerin eine Jahreslizenz für die fünf Videos aus dem Kontaktlinsenbereich. Hier kostet die einfachste Variante (mit den individuellen Firmenfarben und eigenem Logo) für das komplette Jahr 999 Euro. „Dafür bekommt man als Augenoptiker sozusagen ein digitales Teammitglied, das die Kunden immer zuverlässig und stets gut gelaunt zu allen Punkten aufklärt und keine zusätzlichen Personalkosten verursacht.“ Sie sieht auch noch weitere Potenziale neben der personellen Entlastung: „Besonders schnell können sich diese Kosten bei der Kontaktlinsenanpassung amortisieren, wenn für diese Dienstleistung eine angemessene Gebühr erhoben wird. Die Preisspanne reicht bei der Kontaktlinsenanpassung in Deutschland etwa von 30 bis 180 Euro, und ich glaube viele DOZ-Leser werden sich dabei ertappen, dass sie preislich im unteren Bereich ansetzen. Sie haben in Geräte für mehrere tausende Euro investiert, setzen Fachpersonal ein, das viel Zeit und auch Herzblut ‚reinsteckt.“ Mit den KIS-Videos hätten Augenoptiker jedoch die Möglichkeit, die Wertigkeit der Dienstleistung zu transportieren, dementsprechend neu zu kalkulieren und sich zusätzlich vom Wettbewerb oder dem Internet abzuheben.

Kein Ersatz für persönlichen Kontakt

Um „echte Mehrwerte liefern zu können“ hat die Gründerin zu Beginn eine Mini-Marktstudie mit 126 Teilnehmern durchgeführt. Dabei griff Hornberger bei Fragen zum Marketing, der Verbreitung digitaler Inhalte und der Nutzung von Social Media auch auf Kontakte außerhalb der Augenoptik zu, um nicht „branchenblind“ mit Scheuklappen zu agieren. Dennoch dürften sich die Augenoptiker nicht nur auf die Videos verlassen und sie einfach nur auf der Homepage platzieren, betont sie. „KIS ersetzt keineswegs den persönlichen Kontakt oder das gemeinsame Gespräch vor Ort – und das ist auch gut so. KIS unterstützt Augenoptiker jedoch in Sichtbarkeit, Beratung und Verkauf.“

Christine Lendt
© privat

Autorin: Christine Lendt

ist freie Journalistin und Fachautorin mit einem Schwerpunkt im Bereich Ausbildung und Beruf / Karriere / Arbeitsschutz. Sie hat bereits etliche Beschäftigte, Experten und andere Wirtschaftsakteure aus der Augenoptik interviewt und entsprechende Themen realisiert.