Fielmann lässt die Muskeln spielen
Der Branchenriese stellt seine Geschäftszahlen vor – und diese fallen wie üblich und erwartet gut aus. Eigentlich ein gewohntes Szenario bei der Fielmann AG, und doch war in diesem Jahr etwas anders. Erstmals versorgte offensichtlich aus gesundheitlichen Gründen nicht Günther Fielmann die Pressevertreter mit den Informationen und Zahlen des vergangenen Jahres, sondern sein Sohn Marc, der seit April zur Doppelspitze im Fielmann-Konzern gehört.
„Es gibt Positives zu berichten. Alles Weitere wird Ihnen mein Sohn Marc nun vorstellen.“ Mit diesen Worten leitete Günther Fielmann die Bilanzpressekonferenz in der Hamburger Zentrale des Filialisten ein. Zittrig war die Stimme des Seniors, schon beim Betreten des Raumes war deutlich zu erkennen, dass der 78-Jährige gesundheitlich angeschlagen ist. Erstmals also war es nicht Günther Fielmann selbst, der das abgelaufene Geschäftsjahr Revue passieren ließ, sondern Sohn Marc, der seit der Aufsichtsratssitzung am 12. April mit seinem Vater eine Doppelspitze bildet. Es war ein Blick in die Zukunft, auch wenn Fielmann junior betonte, dass alle Grundsatzentscheidungen weiter von Günther Fielmann getroffen würden, der bei jeder Brillenfassung und -form und bei Fragen der Unternehmens- und Expansionsstrategie am längeren Hebel sitze. „Die Umsetzung der getroffenen Entscheidungen liegt im Anschluss bei mir“, erläuterte Marc Fielmann die Aufgabenteilung. Die Grenzen jedoch seien fließend, viele Beschlüsse würden intern besprochen, durchaus auch kontrovers. „Wirklich gestritten haben wir aber nie“, betonte der gleichberechtigte Vorstandsvorsitzende.
Zwei Wochen also nach seiner Berufung durch den Aufsichtsrat stand Marc Fielmann, im Businesszwirn mit farblich passender Krawatte, im Mittelpunkt und durfte Zahlen und Strategie des Unternehmens den Pressevertretern vorstellen. So viel vorweg: Er machte eine souveräne Figur, nur bei der Frage nach seiner eigenen augenoptischen Ausbildung und dem Nachfassen, ob er denn nun einen Gesellenbrief besitze, geriet er etwas ins Schlingern. Sonst aber fielen ihm die Worte nicht schwer, schließlich wusste er fast ausschließlich Positives zu berichten. Viele nackte Zahlen wurden vorgelegt, die jedoch unterstreichen, welch unangefochtene Marktführerschaft Fielmann besitzt. Weiter wurde klar, dass das Unternehmen nicht gewillt ist, im Bestreben nachzulassen, diese noch weiter auszubauen.
„100 Korrektionsbrillen am Tag alleine in Lübeck“
Ein Beispiel dafür: das Video von der Eröffnung des neuen „Supercenters“ in Lübeck. Auf mehr als 1.000 Quadratmetern und über drei Etagen verteilt will Fielmann in der Hansestadt seine ohnehin schon exponierte Position noch weiter verbessern. 20 Beratungstische und sieben Räume für Sehtests sorgten schon am Eröffnungstag für großen Andrang. 795 Korrektionsbrillen habe man alleine an diesem einen Tag verkauft. Ging bereits zuvor auch in Lübeck jede zweite Brille über den Fielmann-Ladentisch (und das bei 54 weiteren Augenoptikern in der Stadt), soll der Marktanteil sogar noch auf 60 Prozent gesteigert werden. „100 Korrektionsbrillen am Tag alleine in Lübeck – das ist unser Ziel“, verkündete Marc Fielmann selbstbewusst. Für die Konkurrenz sicherlich ein Schreckgespenst, schließlich würde sich so das ohnehin schon kleine Kuchenstück noch weiter reduzieren. Doch ein Blick auf die Zahlen verrät – und auch diese Erkenntnis ist sicher nicht neu –, dass zwar der Absatzmarktanteil von Fielmann in Deutschland 53 Prozent beträgt, der Umsatzmarktanteil aber „nur“ bei 21 Prozent liegt. Heißt: Höherpreisige Brillen sind weiter das große Plus der inhabergeführten Augenoptikfachgeschäfte, selbst wenn Fielmann auch hier versucht, Kunden abzugreifen.
Ähnliche Zahlen wusste Georg Alexander Zeiss, Finanzvorstand der Fielmann AG, auch aus den beiden anderen Kernmärkten zu berichten. In der Schweiz lag der Absatzmarktanteil 2017 bei 40 Prozent, der Umsatzmarktanteil bei 16 Prozent. Die Österreicher kaufen jede dritte Brille bei Fielmann, ein Fünftel des Gesamtumsatzes in der Alpenrepublik landet in Hamburg. Und auch Italien rückt immer weiter in den Fokus der Fielmänner. Sieben Filialen kamen allein 2017 hinzu, aktuell sind es insgesamt zwölf. Und es scheint, als wenn auch die Italiener auf Fielmann gewartet hätten – zumindest im Norden. Bei der Eröffnung eines Stores in Varese, auch das wurde medienwirksam mit der Kamera begleitet und als Film eingespielt, habe man 203 Korrektions- und über 1.000 Sonnenbrillen verkauft. Grund genug, den italienischen Norden weiter zu bespielen und dort zu expandieren. Marc Fielmann: „Mittelfristig wollen wir 40 Niederlassungen betreiben und jährlich rund 500.000 Brillen absetzen. Hier sehen wir großes Wachstumspotenzial.“
2017: Wachstum in allen Bereichen
Wachstum – dieses Wort begleitet Fielmann seit vielen Jahren. Und so konnte auch im abgelaufenen Geschäftsjahr in allen Bereichen ein deutliches Plus verzeichnet werden – bei Absatz, Umsatz und Gewinn. Der Marktführer verkaufte 2017 insgesamt 8,11 Millionen Brillen (2016: 7,99 Mio.), der Außenumsatz lag bei 1,61 Milliarden Euro (2016: 1,55 Mrd.), der Konzernumsatz bei 1,39 Milliarden Euro (2016: 1,34 Mrd.). Der Gewinn vor Steuern stieg auf 248,6 Millionen Euro (2016: 241,5 Mio.), der Jahresüberschuss auf 172,9 Millionen Euro (2016: 171,2 Mio.). Erfreuliche Zahlen auch für die Aktionäre: Aufsichtsrat und Vorstand der Fielmann AG werden am 12. Juli der Hauptversammlung die Ausschüttung einer Dividende in Höhe von 1,85 Euro je Aktie empfehlen. „Im vorigen Jahr waren es noch 1,80 Euro, damit erhöht sich die Dividende im 13. Jahr in Folge“, sagte Marc Fielmann. Insgesamt werden 155,4 Millionen Euro ausgeschüttet. Der Kurs der Fielmann-Aktie stieg also auch 2017: 17,2 Prozent schnellte das Wertpapier nach oben, im Vergleich zum Aktienwert von 2000 ist das eine Steigerung um 785 Prozent.
Im ersten Quartal 2018 allerdings, und das waren aus Fielmann-Sicht vielleicht die einzigen etwas schlechteren Nachrichten, waren die Zahlen in den Bereichen Stückzahl und Außenumsatz leicht rückläufig. Die Gründe sieht man in Hamburg im kalten Winterwetter in den Monaten Februar und März und der massiven Grippewelle, die über Deutschland hinwegfegte. Dennoch stieg der Konzernumsatz und in den Bilanzbüchern steht ein Quartalsüberschuss von 43,4 Millionen Euro (1. Quartal 2017: 42,1 Mio.).
Expansion mit Augenmaß
Die Zahlen belegen: Fielmann scheint auf dem unaufhaltsamen Weg, sein Imperium weiter auszubauen. Nicht nur in Italien sollen neue Filialen entstehen, auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz wird das Fielmann-Netz weiter ausgeworfen. Daneben will der Branchenführer bestehende Filialen aus- und umbauen und nach neuen Objekten in exponierter Lage Ausschau halten. Die Planungen beziffern sich in beiden Kategorien zusammen mittelfristig auf 170 Geschäfte. Alleine für den deutschsprachigen Raum sollen mittelfristig 8,6 Millionen Brillen pro Jahr abgegeben werden, der Umsatz soll auf 1,8 Milliarden Euro steigen. „Europaweit wollen wir sogar die Zwei-Milliarden-Euro-Grenze knacken“, verdeutlicht Marc Fielmann. Eine „Expansion mit Augenmaß“ soll es sein, die sich auch auf die Zahl der Mitarbeiter und Auszubildenden auswirkt. Schon jetzt bildet Fielmann mehr als 40 Prozent des augenoptischen Nachwuchses aus, bringt jährlich 1.200 junge Menschen in die Ausbildung. In der Fielmann-Akademie auf Schloss Plön werden pro Jahr mehr als 7.000 Augenoptiker (weiter-)qualifiziert.
Großes Potenzial sieht man in Hamburg auch in den Bereichen Gleitsichtbrille, Kontaktlinse und Hörgeräte. Der Absatzanteil bei Gleitsichtbrillen soll sich mittelfristig um mehr als 50 Prozent erhöhen. Dabei helfen sollen neue Fertigungstechnologien beim Bearbeiten von Brillengläsern im Logistikzentrum in Rathenow. Mit 180 Hörgerätestudios hat Fielmann auch diesen Bereich in den vergangenen Jahren sukzessive ausgebaut. Auch hier will das Unternehmen, wie schon im Bereich Korrektions- und Sonnenbrillen, die Preisführerschaft für sich behaupten. „Wir beobachten den Markt sehr genau. Bei 785 Euro Zuschuss durch die Krankenkassen wollen wir den Kunden hochwertigere Geräte bieten als der Wettbewerb“, betont Marc Fielmann. Entsprechend sollen mittelfristig 70 neue Hörgerätestudios entstehen. Für Fielmann ein expandierendes Geschäftsfeld, für die Konkurrenz ein weiteres Indiz dafür, dass der Branchenführer den Markt noch weiter unter Druck setzen wird. Blieben noch die Kontaktlinsen, die in Sachen Digitalisierung aktuell den größten Stellenwert bei Fielmann einnehmen. Nur 7,1 Prozent des Gesamtbranchenumsatzes entfallen laut ZVA-Branchenbericht auf die Kontaktlinsenoptik. Die brach liegenden Chancen will auch Fielmann nutzen. Nach einem Test in Österreich bietet Fielmann auch Kunden in Deutschland schon länger die Möglichkeit, Kontaktlinsen kostenfrei nach Hause liefern zu lassen oder diese über die App online nachzubestellen.
Patent angemeldet für Video-Zentrierung
Und was sagen die weiteren Online-Aktivitäten? „Digitalisierung funktioniert für uns nur, ohne Kompromisse bei der Qualität machen zu müssen“, betont Fielmann junior. Was aber nicht bedeutet, dass Fielmann sich nicht in diesem Bereich tummelt. So hat das Innovationslabor, die Fielmann Ventures, aktuell ein Patent zur Video-Zentrierung angemeldet. Eine Online-Refraktion jedoch, objektiv als auch subjektiv, sei noch in weiter Ferne. Forschen würde man in diesen Bereichen, sagt Marc Fielmann, mit wieviel Nachdruck, blieb aber dahingestellt. So beobachte man viele Start-ups, die sich in diesem Themenfeld tummeln, auch die Bereiche Smart-Glasses oder Online-Anprobe seien im Fokus von Fielmann. Sollte es einen bahnbrechenden Durchbruch geben, darf man ohnehin davon ausgehen, dass eine Online-Strategie bereits in den Schubladen der Hamburger liegt.
So hatte es der 28-Jährige Junior fast geschafft. Blieb noch die Frage nach dem Gehalt. Ob er denn als gleichberechtigter Vorstandsvorsitzender nun auch genauso verdienen würde wie sein Vater? Immerhin weist der Geschäftsbericht für Günther Fielmann ein Jahresgehalt von 4,9 Millionen Euro aus, Sohn Marc erhält bisher „nur“ rund 1,1 Millionen Euro. „Ich kann sie beruhigen, die Gesamtsumme wird sich nicht verändern. Mein Vater und ich legen zusammen.“ Heißt im Klartext: Beide werden in Zukunft mit rund drei Millionen Euro entlohnt. Und so gab es ein anerkennendes Lächeln vom Vater, der sich angesichts des souveränen Auftritts seines Sohnes wohl nach und nach zurückziehen könnte. Noch läuft der Vorstandsvertrag mit Günther Fielmann bis 2020. Dann feiert der Senior seinen 80. Geburtstag. Wie der persönliche Zeitplan bis dahin aussieht? „Das werden wir zu gegebener Zeit mitteilen“, erklärte der Senior. In der Zwischenzeit könnte auch Tochter Sophie Luise (26) ins Unternehmen eingestiegen sein. „Wir würden uns freuen“, sagt der ältere Bruder. Noch aber sei sie dabei, ihren Master in Cambridge zu machen.
Alle Fotos und Grafiken: Fielmann