Crashkurs zur Prüfungsvorbereitung im Bildungszentrum Augenoptik
Fräsen, löten, schleifen – überall stehen junge Auszubildende, stecken die Köpfe zusammen und grübeln über Aufgabenblättern. Einige arbeiten am Schleifautomaten, andere sitzen in kleinen Gruppen zusammen und zentrieren Brillengläser. Reges Treiben an einem Samstag in Dortmund. Seit acht Uhr haben sich 24 Azubis in den Räumen des BZAO eingefunden. Und zwar freiwillig. Sie alle haben etwas gemeinsam: Sie stehen kurz vor Teil 1 der Gesellenprüfung. Acht Stunden haben die angehenden Augenoptiker nun Zeit zum Üben und Fragenstellen. In Yvonne Maashofer und Christopher Hinrichsen stehen ihnen zwei kompetente Augenoptikermeister als Ansprech- und Sparringspartner für alle Probleme und Schwierigkeiten zur Verfügung.
Moderne Geräte, große Arbeitsplätze, breite Gänge: Die zwei Dortmunder Werkstatträume sind hell und modern eingerichtet. Insgesamt gibt es 32 Arbeitsplätze und einen Theorieraum mit 16 Unterrichtsplätzen. Zusätzlich stehen im BZAO noch ein Lötraum für 16 Teilnehmer sowie ein Multifunktionsraum zur Verfügung. Erst 2014 zogen die überbetrieblichen
Lehrwerkstätten innerhalb des Bildungszentrums der Handwerkskammern Dortmund um. Die Zentren in Dortmund und Düsseldorf sind Bildungseinrichtungen des Augenoptiker- und Optometristenverbands NRW. Im „Normalbetrieb“ unter der Woche werden hier mehr als 1.100 Auszubildende jährlich überbetrieblich geschult. Hier finden auch die Gesellenprüfungen statt.
Viele Azubis möchten heute noch mal das Schleifen und Löten üben. Bei der Arbeit kämen sie nicht dazu, da sie viel im Verkauf stehen, wie einige der Auszubildenden erzählen. Heute sind Hektik und Stress weit entfernt, zurückgelassen im heimischen Betrieb. Das ist auch der Grund, warum Anika (die Namen aller Teilnehmer wurden geändert) hier ist, wie sie mir erklärt. Im Geschäft käme sie einfach nicht dazu, in Ruhe zu üben. „Wir werden dauernd beim Üben unterbrochen. Ich arbeitete in einem kleinen Betrieb und wenn meine zwei Kolleginnen mit Kunden beschäftigt sind und ein Dritter kommt rein, dann muss ich mich um ihn kümmern.“ Sarah ist der gleichen Meinung und fügt hinzu: „Das Problem ist, dass wir alle nicht zum handwerklichen Üben im Betrieb kommen.“ Offenbar nicht alle, wie sich sofort herausstellt: „Ich habe Glück, ich arbeite bei einem Tradi und habe wirklich viel Zeit zum Üben“, erklärt Dominic. Er sei hier, da er sich die Räumlichkeiten der Prüfung vorab noch mal ansehen möchte und wissen will, wie die Geräte funktionieren.
Individuelle Gestaltung des Tages
„In knapp zwanzig Minuten werde ich euch das Löten zeigen“, ruft Hinrichsen den Teilnehmern zu. Das ist keinesfalls verpflichtend, denn die Azubis können sich den ganzen Tag individuell gestalten. Um acht Uhr gibt es eine kurze Einweisung, denn anders als bei der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung dürfen die Nachwuchs-Augenoptiker Pause machen wann sie möchten, am Arbeitsplatz essen und auch ihr Handy benutzen. Die Kursleiter Hinrichsen und Maashofer fragen die Teilnehmer nach ihren Defiziten, die heute abgearbeitet und natürlich behoben werden sollen. Kein Frontalunterricht oder Theorieschulung – auf dem „Lehrplan“ steht ganz konkrete individuelle Hilfe bei handwerklichen Defiziten. „Daher gleicht auch kein Crashkurs dem anderen“, erklärt Hinrichsen, „jeder ist sozusagen ein Unikat“.
Notwendig seien die Kurse allemal, denn tatsächlich sei in den vergangenen Jahren die Übungszeit in den Betrieben immer mehr zurückgegangen. „Tendenziell sehen Chefs ihre Aufgabe offenbar weniger darin, jemanden handwerklich gut auszubilden, wenn sie zum Beispiel wegen betrieblicher Umstände ohnehin Fernranden lassen oder selbst keinen Schleifautomaten haben“, erklärt Hinrichsen. „Wir sprechen von 30.000 Euro bis 70.000 Euro, das kann sich halt nicht jeder in seinen Betrieb stellen.“ Und wenn es keine oder nur veraltete Geräte in den Betrieben gebe, kämen die Azubis weniger zum Üben, ihr Leistungsstand nähme ab. Im BZAO steigt daher die Nachfrage nach den Kursen, sie sind in der Regel ausgebucht. Hinrichsen: „Es scheint, als würden die Betriebe die überbetriebliche Ausbildung manchmal etwas missverstehen, so ist unser Eindruck. Wir sind nicht dazu da, die betriebliche Ausbildung zu ersetzen.“
1x1 des Lötens
Fast die ganze Gruppe hat sich inzwischen an einem Arbeitsplatz mit einem großen Bildschirm und Kamera eingefunden. Christopher Hinrichsen schaltet den Fernseher ein und es erscheint sein Arbeitsplatz mit allen Lötutensilien, die Kamera überträgt live und alle Interessierten können ihm auf dem Bildschirm folgen. Normalerweise dauert das Löten knapp 30 Sekunden. Der Kursleiter nimmt sich viel Zeit, um Materialien und Vorgehensweisen zu erklären und zu hinterfragen, heute zum Beispiel die Eigenschaften sowie die Vor- und Nachteile von BraceTec und Fluoron. „Diese Flussmittel verhindern, dass Metalle beim Löten oxidieren“, erklärt Hinrichsen, „ohne Flussmittel wird die zu lötende Stelle schwarz und das Lot kann sich nicht mit dem Metall verbinden.“
Die angehenden Augenoptiker notieren sich aufmerksam, dass BraceTec dabei eine saubere Lot-Fluss-Kombination bietet, aber extrem schnell in alle Richtungen fließt. Eine Teilnehmerin nimmt alles mit ihrem Handy auf und wird prompt von einer anderen gefragt, ob sie die Aufnahmen haben könnte, in der man Hinrichsen nun abschließend erklären sieht, dass Fluoron besser zu dosieren und zu positionieren sei und insgesamt mehr Kontrolle biete. Der Kursleiter hat eine sehr angenehme und ruhige Art, die Arbeitsschritte zu erklären. Seine witzigen Randbemerkungen lockern die Azubis immer wieder auf. Viele sehen nun ihren eigenen Lötversuchen positiver entgegen. Am Ende des Lötens sind fast 30 Minuten vergangen. Danach ist die Hälfte der Lötplätze besetzt und die Teilnehmer nutzen die Zeit zum selbstständigen Üben.
„Mir gefällt der Kurs richtig gut“
In wenigen Wochen, Mitte April, wird es ernst: die Azubis müssen die Gesellenprüfung Teil 1 absolvieren. Geteilte Meinung unter den Teilnehmern mit Blick auf diese Hürde: „Ich bin sehr entspannt, denn rechnerisch reicht eine Vier, eine Fünf ist auch noch gut. Nur eine Sechs wäre schlimm“, erklärt Dominic. Für Julia ist die Einstellung wichtig: „Wenn man pessimistisch rangeht, dann kann es nichts werden“.
Zum Ende des Crashkurses herrscht eine beinahe ausgelassene Stimmung. Die Azubis helfen sich auch gegenseitig und wenden sich ohne Zögern an die Kursleiter. „Mir gefällt der Kurs richtig gut“, erzählt Sarah. „Ich bekomme noch mal alles genau erklärt und ich weiß dann einfach, wo in der Prüfung was steht und wie die Geräte funktionieren.“ Wenn die praktischen Anforderungen bei den Auszubildenden besser sitzen, dann hebt es auch ihr Selbstvertrauen. „Ich wollte die Ausbildung im ersten Lehrjahr abbrechen, da ich mich in meinem Betrieb so unwohl fühle und ich Probleme bei den handwerklichen Tätigkeiten habe“, erzählt Claudia. „Doch der erste Besuch hier in Dortmund, damals bei der ÜBL, hat mir so viel Mut und Hoffnung gegeben. Wir kennen die Ausbilder auch. Sie zeigen und erklären mir noch mal alles, das ist super!“