Teilzeit in der Augenoptik: sinnvoll oder schwierig?
Erstveröffentlicht in der DOZ 08I21
Insgesamt hat sich der Anteil der Teilzeitbeschäftigten in Deutschland kontinuierlich erhöht. Laut Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) stieg ihr Anteil im Zeitraum von 1985 bis 2018 bei Männern von 1,4 auf 11,2 Prozent. Bei Frauen fällt der Anstieg noch deutlicher aus – von 28,9 auf 47,9 Prozent. Frauen geben in den meisten Fällen familiäre Verpflichtungen als Grund für die Teilzeitbeschäftigung ang (45,8 Prozent). Das sagen übrigens nur 10,3 Prozent der Männer, bei ihnen war der häufigste Grund „Teilnahme an einer Aus- oder Weiterbildung“. Dabei ist offenbar oft mehr drin als zum Beispiel halbe Tage: 9,5 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten in Deutschland würden gerne mehr Stunden arbeiten und wären dafür auch verfügbar.
Verschiedene Teilzeitmodelle: Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) stellt auf seiner Internetseite verschiedene Teilzeitmodelle vor. Dazu gehören das Reduzieren der Arbeitszeit, das Teilen des Arbeitsplatzes oder auch Auszeiten aus dem Beruf.
„Zum Thema Teilzeitbeschäftigung stehen uns keine gesicherten Daten zur Verfügung“, erläutert Christian Maack, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Lübeck. „Die Anzahl und Art der Beschäftigungsverhältnisse gehört nicht zu den Daten, die Handwerkskammern von ihren Mitgliedsbetrieben erfassen und speichern. Wir gehen davon aus, dass auch im Handwerk viele Beschäftigte in Teilzeit arbeiten.“ Dies finde in allen Bereichen statt, von den Auszubildenden bis hin zur Betriebsleitung. Es liege dabei in der Verantwortung der Unternehmen, in welcher Form und in welchem Umfang sie Teilzeitarbeit anbieten. „Sie können davon ausgehen, dass die Teilzeitquote in Gewerken mit festen Arbeitsplätzen wie etwa Werkstätten oder Verkaufsstätten höher ausfällt als in Betrieben, die überwiegend auf Baustellen oder beim Kunden arbeiten.“
Europaweit haben die Niederländer bei der Teilzeit die Nase vorn. Hier arbeiten laut einer 2017 vom Schweizer Bundesamt für Statistik veröffentlichten Erhebung gut die Hälfte (51 Prozent) der Erwerbstätigen in Teilzeit. Es folgen die Schweiz mit 39 sowie Österreich, Deutschland und Großbritannien mit jeweils fast 30 Prozent. Schlusslichter der Tabelle sind Kroatien (6), Ungarn (5) und Bulgarien (2).Für die Schweiz gibt es auch ein Portal speziell für Teilzeitjobs in allen Branchen (www.teilzeitkarriere.ch). Gibt man dort „Augenoptiker“ in die Suchmaske ein, erscheinen derzeit (Stand Juli 2021) insgesamt 39 Stellenangebote für Teilzeit.
„Wir brauchen Teilzeitkräfte als Verstärkung"
Auch in Deutschland sind viele Augenoptikerbetriebe offen für Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen in Teilzeit. Wie zum Beispiel die Becker + Flöge GmbH. „Teilzeit ist heute ein sehr wichtiges Arbeitszeitmodell. Es gibt viele Gründe, warum Menschen nicht 40, sondern weniger Stunden pro Woche arbeiten möchten“, sagt Prokurist Michael Willner, „wir stehen diesen Notwendigkeiten und Wünschen offen gegenüber.“ Sicher wäre es am einfachsten, wenn das ganze Team immer gleichzeitig und vollständig anwesend wäre. „Das lässt sich aber schon wegen der häufig über 40 Ladenöffnungsstunden pro Woche nicht bewerkstelligen. Da brauchen wir die Teilzeit- sogar als Ergänzung zu den Vollzeitkräften und stellen sie daher auch gezielt ein. Diese Lösung ist viel besser als eine Vollzeitkraft vorzuhalten, die man in dem Ausmaß gar nicht braucht.“ Das Unternehmen hat insgesamt 31 Filialen (Stand August 2021), vorwiegend in Niedersachsen, und seinen Hauptsitz in Hannover. In aktuellen Stellenanzeigen sucht Becker + Flöge für einige Filialen auch gezielt nach Teilzeitkräften. Derzeit beträgt die Quote aller Teilzeitbeschäftigten dort etwas über 20 Prozent. „Die Anzahl der Arbeitsstunden, die wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anbieten können, richten sich einzig nach dem Bedarf der Kunden des jeweiligen Geschäfts“, ergänzt Willner. „Das kann natürlich auch je nach Lage und Größe der Filiale variieren.“
Michael Willner, Becker + Flöge GmbH
Der einzige Knackpunkt: Passen die Möglichkeiten, die der Arbeitnehmer bietet um in Teilzeit zu arbeiten, zu den Zeiten, in denen die Filiale die Verstärkung braucht? „Wenn jemand nur vormittags in Teilzeit arbeiten möchte, dann ist das in unserer Branche zugegebenermaßen sehr schwer, weil der Kunde eben doch lieber nachmittags einkauft. Wenn aber einer sagt: ich möchte nur drei volle Tage in der Woche arbeiten, dann ist es eine Teilzeitform, die ich sogar sehr schätze.“ Ansonsten hat man bei Becker + Flöge keinerlei Probleme mit diesem Thema, ganz im Gegenteil. „Einige unserer Teilzeitkräfte sind ganz besonders fleißig in der Zeit, in der sie da sind, während die Leistungskurve bei manchen Vollzeitkräfte im Laufe des Tages auch schon mal schwankt.“ Im Vergleich der Teilzeitarbeitszeitmodelle sieht er keine besonderen Vor- oder Nachteile. „Selbstverständlich könnte ich mir zum Beispiel auch Jobsharing vorstellen.“
Und wie hält man es beim Branchenprimus mit dem Thema? „29 Prozent unserer Mitarbeiter sind in Teilzeit beschäftigt“, verrät Tobias Plöger, Abteilungsleiter Kommunikation NDL und Tochtergesellschaften bei der Fielmann AG. „Wir haben grundsätzlich einen hohen Personalbedarf und kommen daher gern den Wünschen unserer potenziellen oder bestehenden Mitarbeiter entgegen, wenn es um die Möglichkeiten zur Arbeit in Teilzeit geht.“ Man sehe darin keine Notlösung, oft gelänge es gerade mit Unterstützung der Teilzeitkräfte vor allem stark frequentierte Geschäftszeiten personell optimal zu gestalten. Plöger erklärt, dass Fielmann in dieser Frage langfristig denke, weil der Wunsch nach Arbeit in Teilzeit nicht selten nur in bestimmten Lebensphasen bestehe, beispielsweise um kleine Kinder zu betreuen oder Angehörige zu pflegen: „Oft stehen uns ehemalige Teilzeitkräfte später dann wieder in Vollzeit zur Verfügung.“
Autorin: Christine Lendt
Der rechtliche Hintergrund
Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) müssen Arbeitgeber hierzulande die Teilzeitarbeit sogar unterstützen: Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat grundsätzlich Anspruch auf Teilzeitarbeit (§ 8 TzBfG) und braucht diesen auch nicht weiter zu begründen. Es sind allerdings einige Voraussetzungen zu erfüllen; vor allem diese:
- Das Arbeitsverhältnis besteht bereits länger als sechs Monate. Der Betrieb beschäftigt mehr als 15 Arbeitnehmer (Azubis nicht eingerechnet).
- Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen den Antrag auf Teilzeit mindestens drei Monate im voraus stellen. Der Arbeitgeber kann bis einen Monat vor dem Termin schriftlich widersprechen. Andernfalls gilt der Antrag als genehmigt.
- Der Arbeitgeber darf aus betrieblichen Gründen ablehnen – insbesondere, wenn die Verringerung der Arbeitszeit Organisation, Arbeitsablauf oder Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt.
Sonderregelungen gelten in Eltern- und Familienpflegezeit. Darüber hinaus darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht wegen der Inanspruchnahme von Rechten nach dem TzBfG benachteiligen.