Interlens Arbeitstagung

Interlens: Treffen von Kontaktlinsenexperten

Nach dem Jubiläumssymposium der Hochschule Aalen - zu feiern gab es 40 Jahre Studiengang Augenoptik/Optometrie und 20 Jahre berufsbegleitender Masterstudiengang Augenoptik/Optometrie - trafen sich Mitte November Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter, Inhaberinnen und Inhaber der Mitgliedsbetriebe der Interlens-Contactlinseninstitute e.V. zur 109. Interlens-Arbeitstagung.
Interlens Arbeitstagung

Plenum der Interlens Arbeitstagung

© Thomas Wolf

Einflussfaktoren auf die Größe der topographischen Wirkungszone

Für den ersten Teil des Vortragsprogrammes am Samstag war es den Organisatoren gelungen, vier junge Absolventen beider Studiengänge mit ihren jeweiligen Abschlussarbeiten als Referenten zu verpflichten. Nach der Begrüssung des Auditoriums mit diesmal außergewöhnlich vielen Gästen (insgesamt über 70 Teilnehmer) durch den scheidenden Vorsitzenden Martin Laifer (Wiesbaden) eröffnete Jessica Gruhl (Dortmund) den Vortragsreigen mit ihrer am Vortag mit der Verleihung des Karl-Ammon-Awards preisgekrönten Masterthesis "Einflussfaktoren auf die Größe der topographischen Wirkungszone nach Orthokeratologie". Diverse Studien weisen bisher keine statistisch signifikanten Korrelationen zwischen cornealer Topographie mit ihren individuellen Ausgangsdaten für den horizontalen wie vertikalen Wirkungszonendurchmesser (Treatmentzone TZ) nach. Und auch eine Korrelation zwischen Brechkraft des flachen Hornhautradius und der Grösse der TZ wird eher gering positiv bewertet. Nachweislich gesteigert werden kann die Effektivität der Orthokeratologie bei der Hemmung des Augenlängenwachstums myoper Kinder durch eher kleinere Wirkungszonen, welche nicht über den Rand der Ausdehnung des Tageslichtpupillendurchmessers hinaus verlaufen.

Für die visuelle  Wahrnehmung wiederum ergibt die Verkleinerung der TZ-Größe durch eine Reduktion von 6 auf 5 Millimeter eine Verstärkung der sphärischen Aberrationen, was dann entsprechend die Sehqualität durch Herabsetzen der Kontrastsensitivität negativ beeinflusst. Die individuell erforderliche Größe der Wirkungszone richtet sich nach der Indikation für die Anpassung. Ziel der Arbeit war es, Berechnungsmodelle einerseits unter Zuhilfenahme der okulären Ausgangsparameter wie Größe der zu korrigierenden Myopie, horizontaler Hornhautdurchmesser, jeweils flachster und steilster zentraler Hornhautradius, zentraler wie peripherer Hornhautastigmatismus, numerische Exzentrizitäten wie auch der unterschiedlichen sagittalen Tiefen der beiden Extremmeridiane als auch mithilfe der erforderlichen Kontaktlinsendaten wie zentraler Rückflächenradius, Radius der Reverskurve wie auch Radius mit Numerischer Exzentrizität der peripheren Auflagekurve (Alignementcurve) sowie Linsengesamtdurchmesser und Durchmesser der IOZ mit ihrem Flächeninhalt zur Vorhersage der tatsächlich resultierenden Wirkungszonengröße zu erstellen.

Die Ergebnisse ihrer Arbeit fasste J. Gruhl so zusammen: Die Größe der TZ lässt sich möglicherweise am genauesten durch den Flächeninhalt einer Ellipse aufgrund vertikal wie horizontal unterschiedlicher Ausdehnung beschreiben. Es ergeben sich tatsächlich Korrelationen zwischen der Größe der TZ mit der Höhe der zu korrigierenden Myopie, den Hornhauttopographiedaten und den Kontaktlinsen-parametern. Eine ausreichend genaue Vorhersage der sich ergebenden TZ-Größe ist damit durch die Munnerlyn-Formel nicht möglich. Diese Arbeit leistet gemäß ihrer Autorin einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis des Topographie-Profils nach Orthokeratologie und liefert eine Orientierung für weitere Untersuchungen mit dem Ziel der Vorhersage der Wirkungszonengröße.

 

Visuelle und korneale Veränderungen durch Orthokeratologie

Mit seinem Vortrag "Visuelle und korneale Veränderungen durch Orthokeratologie" wies Christoph Zulechner (Innsbruck) auf die zunehmende Bedeutung der kontaktoptischen Disziplin der Orthokeratologie als wichtigen und wesentlichen Bestandteil der Myopiekontrolle hin. Seine Arbeit bestand im Wesentlichen in einer umfangreichen internationalen Literaturanalyse im Zeitraum September 2021 bis Juli 2022 und fasste die im Vergleich einheitlichen wie auch durchaus unterschiedlichen Erkenntnisse zu diversen Fragestellungen zusammen. Welcher Linsenaufbau ist international üblich, welche Bereiche von Myopiekorrektionsanforderungen werden empfohlen, wie verhält es sich mit Regression und in welchem Zeitrahmen ergeben sich Veränderungen, wie werden Kontrastsehen und Aberrationen höherer Ordnungen bewertet, welche Erkenntnisse bestehen zur Blendungsempfindlichkeit, wie steht es generell um die Einflüsse der Verwendung von OK-Linsen in Bezug auf die Hornhauttopographie, auf die Hornhautpachymetrie und auf die Hornhautbiomechanik?

Seine wesentlichen Schlussfolgerungen: Viele Veröffentlichungen zum Thema Orthokeratologie, der vorübergehenden Korrekturmöglichkeit einer vorhandene Myopie, sprechen von  einer Verbesserung des unkorrigierten Visus bei hohem Kontrast und führen zu einem akzeptablen Niveau der Sehleitung bei niedrigem Kontrast. Tageszeitliche Schwankungen können nicht ausgeschlossen werden, wobei die Ergebnisse zu den einzelnen untersuchten Aspekten aufgrund von Studiendauer, Probandenanzahl und Ausgansmessungen unterschiedlich ausfallen. Hier sind zukünftige Forschungen erforderlich und wünschenswert, um die Stabilität der tageszeitlichen Schwankungen in einigen Aspekten im Detail und vertiefend zu untersuchen. Es existieren zur Bewertung der gesetzlichen Führerscheinanforderungen bei Anwendung von Ortho-K eher wenige abgeschlossene und damit aussagefähige Studien; gerade in einer eindeutig geklärten Fragestellung zur Erfüllung von gesetzlichen Mindestanforde-rungen existiert hier ebenfalls nach wie vor entsprechender Klärungsbedarf.

Handbuch zum Myopie-Management

Im Anschluß stellte der Südtiroler Max Aricochi (Innsbruck) sein "Handbuch zum Myopie-Management" vor. Mit seiner ebenfalls am Vortag mit dem Karl-Amon-Award ausgezeichneten Arbeit und der Herausgabe dieses mehr als 200 Seiten umfassenden Fachbuches wird die bisher existierende Lücke eines deutsch-sprachigen Nachschlagewerks zum Thema Myopiemanagement geschlossen. Ausgehend davon, dass 2020 noch über 50 Prozent der myopen Kinder mit Einstärkenkorrekturen auch im Bereich seriöser augenoptischer Dienstleister versorgt waren und die bedauerlicherweise vermutlich noch deutlich höhere Dunkelziffer, ergab sich für ihn ein weiterer Ansporn, sich um dieses Nachschlagewerk zu kümmern.

Er gliedert dieses in sieben Kapitel: Grundlagenwissen (IMI-Definition, Epidemiologie, Risikofaktoren, pathophysio-logische Zusammenhänge), Grundausstattung (objektive wie subjektive Messmethodik, Binokularsehen, Anamnese), Refraktionsbestimmung, Erstellung Risikoprofil, Strategieerstellung, Versorgungsoptionen (pharmakologische und  optische Interventionsoptionen wie Brillengläser, Orthokeratologie, weiche und formstabile Kontaktlinsen) sowie Fallbeispiele mit den verschiedenen Versorgungs-möglichkeiten  führen den interessierten Leser systematisch in diese hochverant-wortungsvolle Disziplin der Optometrie ein.

Sein Fazit: Myopiemanagement repräsentiert einen wichtigen optometrischen Bereich voller Dynamik. Aufgrund der differenziert erforderlichen Betrachtung von Brechungs- und Längenmyopie warnt er vor der ausschliesslichen Verwendung von Autorefraktometern und empfiehlt die regelmässige Längenmessung der Augenbaulänge.  Man sollte unbedingt starten, bevor das Kind myop wird. Orthokeratologie sollte dabei mit hoher fachlicher und sozialer Kompetenz sowie viel Einfühlvermögen ausgeübt werden (ganz oder gar nicht!), eine genaue Kenntnis der Studienlage vor entsprechender Empfehlung und Produktanwendung bestehen. Das ergibt wiederum seine Forderung für Unterricht und Lehre von Myopiemanagement. So reift die befriedigende Gewissheit, etwas Positives für die Zukunft des Kindes beitragen zu können. Das Handbuch ist bei der Fa. Visus Sehteste erschienen.

 

Vergleichsmessungen mittels Spectaris OCT

Im Rahmen ihrer ebenfalls preisgekrönten Arbeit (Wissenschaftspreis der Firma Rupp & Hubrach) führte Isabel Wiegand Vergleichsmessungen von fehlsichtigen und stark fehlsichtigen Augen mittels Spectaris OCT durch (siehe auch DOZ 01|2023). Als markteingeführtes Gerät verspricht das Spectaris OCT bessere wie effizientere und damit präzise wellenfrontgestützte Darstellungen. Es sollte im Rahmen ihrer Arbeit die Fragestellung geklärt werden, ob die gleiche verlässliche Scanqualität als Voraussetzung zur Berechnung der zentralen Netzhautdicke bei unterschiedlich ausgeprägten Fehlsichtigkeiten für die OCT-Bilder erzielt werden kann oder ob die Häufigkeit von Segmentierungsfehlern (unplausible Abweichungen von oberer und unterer Segmentierungslinie, welche falsch bzw. nicht erkannt dargestellt werden) in Bezug auf die Fehlsichtigkeit zunimmt? Im Verlauf ihrer durchgeführten Messungen an 39 Augen mit erhöhter Fehlsichtigkeit (Maximum: -16,75 dpt) und einer Kontrollgruppe von 21 Augen mit moderater Fehlsichtigkeit gelangte sie zu der Erkenntnis, dass sich mit  der Höhe der Fehlsichtigkeit ein erheblicher Einfluss auf die Scanqualität ergibt.

Nur 8 Prozent ihrer erstellten Scans zeigten überhaupt keine Segmentierungsfehler, die restlichen über 90 Prozent wiesen mehr oder weniger große Messfehler besonders der unteren Segmentierungslinie auf. Womit sich die Vermutung bestätigt, dass mit zunehmender Fehlsichtigkeit die Häufigkeit von Segmentierungsfehlern deutlich ansteigt, was wiederum die Fehlerquote bei der gestellten Diagnose erhöht. Mögliche Ursachen oder Gründe dafür: Je stärker das Reflexionssignal, desto geringer das Signalrauschen an dieser Stelle. Die Signalstärke oberflächlicher Strukturen ist höher, dementsprechend ist der Bildkontrast besser und damit die Messfehlerwahrscheinlichkeit geringer. Vermutlich reduzieren die vielen darüber liegenden reflektierenden Schichten proportional die Signalstärke, was wiederum zu der hohen Quote von 92 Prozent des nicht exakten Erkennens der unteren Segmentierungslinie geführt hat. Deshalb ist gut ausgebildetes und erfahrenes Personal für die Bedienung erforderlich, die manuelle und eher aufwändige Korrektur sollte u.U. sogar der selbst Arzt vornehmen. Als Forderung an die Gerätehersteller ergeben sich damit verbesserte und weiter entwickelte Bildanalysetechniken, die technischen wie finanziellen Herausforderungen diesbezüglich  sind aus ihrer Sicht noch erheblich.

Kontaktlinsen-Huckepacksysteme: Ein Up-Date

Mit seinem Vortragsthema Kontaktlinsen-Huckepacksysteme: Ein Up-Date beschäftigte sich Mario Rehnert (Firma Hecht Contactlinsen) mit einem eher speziellen Aspekt der Anpaßpraxis bei außergewöhnlicher topographischer Situation. Die Verwendung sogenannter Duosysteme, d.h. die lose Verbindung einer weichen hydrophilen zuerst aufgesetzten Trägerlinse und einer direkt darüber auf das Auge aufgebrachte für die Sehleistung sorgende stabile Kontaktlinse, kann für ihn prinzipiell nie die erste Wahl der Versorgung repräsentieren. Einziger Sonderfall: Schnellstmögliche postoperative visuelle Rehabilitation bei Einäugigkeit nach erfolgtem Hornhauttransplantat. Historisch gesehen ergab sich der prinzipielle Anwendungsbereich für den Einsatz von weichen Trägerlinsen in Fällen von hohem subjektiven Fremdkörpergefühl, instabilem Sitz corneal aufliegender formstabiler Kontaktlinsen, bei Auftreten zentraler Epitheldefekte wie subepithelialer Hyperplasie (SEH) oder als (fragwürdige) Hilfe zur Eingewöhnung beim erstmaligen Verwenden stabiler Kontaktlinsen.

Mit der Renaissance der Verwendung und Anpassung von Mini-Sklerallinsen erfolgt hier aufgrund der Gemeinsamkeiten der Indikation bei Unterschieden in der Sauerstoffversorgung wie auch der Austauschquote der präcornealen Tränenflüssigkeit für beide Versorgungsoptionen eine neue erneute Bewertung. Generell stellt sich hierbei wieder einmal die Frage nach dem tatsächlichen Sauerstoffbedarf der Hornhaut und dessen Berechnung beim Tragen von Kontaktlinsen. Wie berechnet sich der tatsächliche DK/t-Wert bei einem Huckepacksystem? Eine frühere Arbeit des als Zuhörer anwesenden Dr. Stefan Bandlitz kommt zu dem Schluss, daß sowohl Huckepacksysteme wie auch die Kombination aus Sklerallinse und Tränenlinse im Prinzip als in Reihe geschaltete Widerstandsschichten für den Sauerstofftransport betrachtet werden müssen. Zur Optimierung maximaler Sauerstoffdurchlässigkeit sollten diese Schichten möglichst dünn gewählt werden. Während eine Sklerallinse so gut wie nicht unterspült wird und kein Tränenaustausch während der Verweildauer am Auge stattfindet, kann davon ausgegangen werden, dass die Unterspülung eines Huckepacksystems weitgehend der Unterspülungsquote der weichen Trägerlinse entspricht.

Darüber hinaus offenbaren sich bei der Vergleichsbetrachtung Huckepacksystem versus Mini-Sklerallinsen teilweise sehr unterschiedliche anpasstechnische Aspekte wie Druckverteilung der gesamten Auflage, Abbildungsqualität und -stabilität sowie Tragekomfort und Handling, welche wiederum die Entscheidung pro oder contra in erster Linie anwenderzentriert und damit individuell ausfallen lassen. Diverse Optionen von weichen Trägerlinsen für Duosysteme in der Anpasspraxis wie hochhydrophile Austauschlinsen mit leichter Pluswirkung aus dem konfektionierten Tages- oder Monatstauschbereich sind möglich. Die Parameterwahl bezüglich Passform und Innenfläche bei deren Verwendung auf Hornhauttopographien, welche weit weg von üblichen, als normal und regulär zu bezeichnenden Krümmungs-verhältnissen ausfallen, erweisen sich als nicht unbedingt stets passend.

Ein alternativ sinnvollerer Lösungsansatz dafür besteht in der Verwendung einer individuell angefertigten hydrophilen Trägerlinse mit entsprechend gefertigter Vertiefung auf der Linsenvorderfläche für die dann darin zu platzierende formstabile Kontaktlinse im ebenfalls herstellerseitig vorgegebenen Durchmesser (Parameter-vorgaben der Firma Hecht für die im Herstellerprogramm angebotene CombiCon: 8.4 Millimeter Durchmesser für die formstabile Kontaktlinse bei einem Gesamtdurchmesser von 14,5 Millimeter für die hochhydrophile Trägerlinse auf der Basis von Silikonhydrogel). Im Vordergrund steht dabei stets der erforderliche Austausch der Tränenflüssigkeit.

Sklerallinsen und ihre Auffälligkeiten

In seinem praxisbezogenen Vortrag zum Thema Sklerallinsen und ihre Auffälligkeiten widersprach Bernhard Neuberger (Stuttgart, Anpasser bei Müller-Welt) vehement dem Eindruck, dass allein aufgrund vermehrten Bedarfes an entsprechenden Kontaktlinsen und der weltweit kontinuierlich steigenden Anzahl von sich damit beschäftigenden Anpassern in den letzten knapp 10 Jahren es sich dabei um eine einfache kontaktoptische Disziplin handelt. Auch hier sollten beim Wechsel auf diese Versorgungsalternative im Vorfeld sämtliche anpaßtechnischen Optionen   angewendet worden sein, um erst dann die Sklerallinsenanpaßung als ultima ratio zu beginnen. Eine Vielzahl von Aspekten der Bewertung von sklerallinseninduzierten Veränderungen gilt es deutlich anders zu interpretieren als bei der Anwendung formstabiler corneal aufliegender Kontaktlinsen. Allein im Bereich der ausreichenden Sauerstoffversorgung muß unbedingt sehr genau, umfassend,  verantwortungs-bewußt und stets systemkritisch vorgegangen werden, um die entsprechenden Risiken möglichst klein zu halten.

Aspekte wie die Differenzierung limbaler Ödeme durch Einsatz von physiologischer Kochsalzlösung, von Erosio bedingten Stippungen, Einschätzen von Neovascularisationen als Reaktion des Körpers auf lokale Hypoxie, Problematik eines akuten Keratokonus (plötzlicher Wassereinbruch in die Cornea durch Endotheldefekt oder -fehlfunktion) als mögliche Ursache durch das Tragen der Sklerallinse, Blenching (Abdrücken der Blutgefäße der Bindehaut) oder eine übermäßige Kompression der Bindehaut wie auch generell ein Absacken der Sklerallinse während der Tragedauer. Eine spontane Rötung der Bindehautgefäße unmittelbar nach der Abnahme ist i.d.R. als unkritisch zu sehen, sofern nach 10-15 Minuten diskreter werdend oder ganz verschwindend. Eine Sogwirkung loser Bindehautstrukturen unter die KL im Bereich des Linsenrandes induziert das Phänomen eines konjunktivalen Prolaps, welcher im harmlosen Fall mit kurzer Karenzeit wieder verschwinden sollte. Ein Einsacken der Linse während des Tragens ist wiederum nicht unbedingt mit einem Prolaps korrelierend. Im Falle der assoziierenden Bildung von unerwünschten lokalen Neovascularisationen sind unbedingt Gegenmassnahmen zu ergreifen und die Linsengesamtgestaltung zu überdenken. Limbusquellungen können sich bei dezentriertem Linsensitz lokal ergeben, Taubheitsgefühle um das Auge herum sollten unbedingt als Symptome für Trageprobleme ernst genommen werden.

Auch ist eine möglich Abnahme der Muzin produzierenden Gobletzellen nie ganz auszuschließen, Hinsichtlich der Auswirkung auf den Augeninnendruck AID (kann mit aufgesetzter Skleralschale klassisch von vorne nicht gemessen werden) ist es schwierig, zu einer sicheren Aussage zu kommen; es ist aufgrund von Studienergebnissen mit noch offenen Fragen vorsichtig davon auszugehen , dass der AID um 5 ml/HG ansteigt, sich der Kammerwinkel bei aufgesetzter Mini-Sklerallinse temporär anatomisch ändert; essentielle Fragen nach den Wegen zum Abtransport des Kammerwassers bleiben aktuell noch offen. Weitere Herausforderungen stellen sich während der Anpassung bei Existenz von konjunktivalen Veränderungen wie Pinguecula oder Pterygium, Wucherungen der Bindehaut, Stippungen der Bindehaut im 3/9-Uhr Bereich oder beim Auftreten einer sog. Chemosis der Bindehaut (Schwellung mit Abhebung aufgrund hoher Trockenheit, begleitet von entzündlichen Prozessen). Im Falle der kontaktoptischen Versorgung bei ausgeprägter PMD (pelluzid marginale Degeneration) ist darauf zu achten, ob sich der Verlauf der Ektasie auch nach unten in den skleralen Bereich fortsetzt, um hier die Auflage der Sklerallinse entsprechend differenziert zu berücksichtigen.

Anpassung von Freiform-Sklerallinsen

In seiner Präsentation zur Anpassung von Freiform-Sklerallinsen trat Danny Köhler (Zwickau) seinem Vorredner folgend, ebenfalls der Meinung entgegen,  auch modernste Sklerallinsenanpassung sei ein weit verbreiteter Problemlöser: Das Gegenteil ist der Fall, neue Probleme werden aufgeworfen. Er stellt sich sehr ernsthaft die Frage, wie die Zukunft der Sklerallinsenanpassung aussehen könnte. Dabei fällt der Messtechnik eine entscheidende Rolle, welche angefangen vom Keratographen bis zur Scheimpflugkamera bereits Fortschritte erzielt hat. Der Bereich der Sklera ist damit aber nach wie vor die große Unbekannte, Erkenntnisse des cornealen Verlaufes sind nicht auf die Sklera übertragbar. Im Gegenteil, die menschliche Sklera offenbart deutlich zunehmende Asymmetrien gegenüber dem cornealen Verlauf, je weiter man sich messtechnisch nach außen von der Cornea entfernt.

Erkenntnisse, basierend auf zuverlässigen Messergebnissen bei der Anpassung von skleral aufliegenden Kontaktlinsen wären entsprechend von Vorteil. Hier bietet die Firma EagletEye aus den Niederlanden eine entsprechende Lösung mit ihrem Eaglet Surface Profiler an. Arnoud Snepvangers vom Produktmanagement stellte das Messgerät vor, welches eine komplette messtechnische Erfassung des vorderen äusseren Augenabschnitts realisiert und die Profilometrie weder störende Abschattungen durch Nase oder Augenlider aufweist sowie bei der Profilberechnung mit einer Präzision von plus/minus 2 Mikrometern Toleranz im cornealen Bereich und plus/minus 5 Mikrometern im skleralen Bereich komplett auf Extrapolationen verzichtet. Die Messergebnisse repräsentieren einen massiven Fortschritt bei der Kreation von noch präziseren Linsendesigns für die Herstellung. Außerhalb Europas sind nach Snepvangers Angaben mittlerweile 20 Hersteller bereit, die gelieferten Messdaten zu verarbeiten. Das verspricht zukünftig eine Umsetzung für deutlich differenziertere Linsendesigns, die Verwendung von Anpaßsätzen wird mittelfristig in der bisher gewohnten Form überflüssig, die Differenziertheit möglicher Linsendesigns verspricht massiv anzusteigen.

Für den sehr kritischen Anpasser Danny Köhler können jetzt dessen Ansprüche an für ihn zufriedenstellendere Versorgungen hochkomplexer unsymmetrischer topographischer Hornhaut- wie skleraler Auflagekonstellationen in die Realität umgesetzt werden und er ist nicht mehr gezwungen, sich innerhalb der bisherigen Grenzen von quadrantendifferenten Geometrien mit noch unbefriedigendem Ergebnis zu bewegen: Eine Linseninnenfläche kann zukünftig nicht mehr „nur“ in vier Quadranten, sondern in acht einzelne Segmente aufgeteilt und entsprechend unterschiedlich gestaltet werden. In der datengestützten Kreation von Freiform-Sklerallinsen liegt für ihn die Zukunft, bei welcher mithilfe eines digitalen Herstellungsverfahrens, das wiederum computergestützte Designgestaltung einsetzt, um hochwertige und maßgeschneiderte Oberflächen in Kontaktlinsen mit skleraler Auflage wie auch Brillengläsern mit individueller Sehstärke herzustellen. An interessanten wie eindrucksvollen Beispielen aus seiner Anpasspraxis erläuterte und demonstrierte er den für ihn bereits vollzogenen Paradigmenwechsel: Es wird für uns Anpasser unumgänglich sein, diese neue Technik, diesen alternativen Weg zur Verbesserung der Anpassresultate und damit zum Vorteil der Betroffenen effektiv zu nutzen.

Die Tagung wurde auch am Sonntagvormittag, dann allerdings ausschließlich intern für die Mitgliedsbetriebe und ohne Gäste, fortgesetzt. Neben den Wahlen zu einer veränderten Besetzung des Vorstandes für die Jahre 2023 und 2024 wurden noch zwei neue Mitgliedsbetriebe aufgenommen und eine Reihe berufspolitischer Themen diskutiert.

Autor: Thomas Wolf