100 Jahre Augenoptikermeister Made in Jena
Genau 100 Jahre ist es her, dass die Jenaer Fachschule für Augenoptik gegründet wurde. Ein derart rundes Jubiläum bietet natürlich allen Anlass zu feiern. Deshalb würdigen die Verantwortlichen der Schule deren langes Bestehen mit einem Festakt am 1. April 2017 im Staatlichen Berufsbildenden Schulzentrum Jena-Göschwitz. Darüber hinaus bieten sie an diesem Tag Führungen durch die Schule an und präsentieren das Kunstprojekt „FSAO 100“. Elisabeth Krämer und Linda Rippl sind derzeit Pistor-Schülerinnen und haben für die DOZ die Entwicklung ihrer Lehranstalt zusammengetragen. Außerdem plaudern sie aus dem Nähkästchen des heutigen Schulalltags.
Wie viele andere Bereiche hat sich in den vergangenen Jahrzehnten auch die Optik sehr gewandelt. Der Fachschule für Augenoptik „Hermann Pistor“ ist es gelungen, auch nach dem Umzug nach Jena-Göschwitz immer up to date zu bleiben. Allen Zweiflern zum Trotz haben die Fachschüler und Lehrer bewiesen, dass die Herausforderungen dieses Umzuges gemeistert werden können. Mittlerweile ist die Fachschule seit 20 Jahren im SBSZ Jena-Göschwitz beheimatet. Die Erfolge sprechen für sich. Heute findet der Unterricht in modernen Räumen statt, die genauso mit der neuesten Technik wie mit traditionellen, zum Teil mittlerweile rar gewordenen Messinstrumenten ausgestattet sind.
Wir, die Schüler der FSAO 15 und 16, sind sehr stolz darauf, gerade jetzt ein Teil dieser Schule zu sein und wünschen ihr weiterhin alles Gute und viel Erfolg! Auf die nächsten 100 Jahre Augenoptikermeister "Made in Jena"!
Die Studienzeit umfasst derzeit zwei Jahre. Aufgenommen wird man als „Bummi“ - so werden die Schüler des ersten Studienjahres liebevoll von den „Großen“ und den Lehrern genannt. Als traditionelles Aufnahmeritual dient der „Zuckertütenball“, der im kommenden Herbst zum 66. Mal stattfindet. Hier kommen jährlich alle Lehrer, die Schüler beider aktuellen Studienjahre und auch viele Ehemalige zusammen, um den Beitritt der Neuankömmlinge in die Fachschule zu feiern.
Nach dem "Zuckertütenball" beginnt der Ernst des Schullebens
An der Fachschule wird größter Wert darauf gelegt, den Schülern den Lehrstoff so praxisbezogen wie möglich zu vermitteln, sodass sie das Erlernte später als angestellte Meister oder als Geschäftsinhaber gut umsetzen und anwenden können. Zu den unterrichteten Fächern gehört die Kontaktlinsenanpassung: Hier werden alle Kenntnisse vermittelt, die man zum Anpassen formstabiler sowie hydrophiler Kontaktlinsen benötigt. Im dazugehörigen Praktikum wird das Gelernte in die Tat umgesetzt. Im Fach „Optometrie“ und dem Praktikum „Augenglasbestimmung“ geht es um die Refraktion inklusive MKH und Nahglasbestimmung. „Physiologische Optik“, „Anatomie & Pathologie“ und das Praktikum „Funktionaloptometrie“ vermitteln die Grundlagen zum Verständnis vieler augenoptischer Zusammenhänge.
Auch das Anpassen von Sondersehhilfen und vergrößernden Sehhilfen sowie deren optometrische und anatomische Anpassung stehen auf dem Plan. Intensiviert wird der Inhalt noch durch die Zusammenarbeit mit der Augenklinik der Friedrich Schiller–Universität Jena und die Mitarbeit in deren Spezialsprechstunden für Sehbehinderte und für Kinderoptometrie. Das Fach „Berufs- und Arbeitspädagogik“ lehrt pädagogische Grundbegriffe und wesentliche Zusammenhänge im Erziehungsprozess. Auch gesetzliche Gegebenheiten und die Bedeutung des pädagogischen Handelns im Berufsleben werden hier vermittelt. Nach Bestehen einer praktischen und theoretischen Ausbildereignungsprüfung erhalten die Absolventen den Ausbilderschein für Lehrlinge.
Drei Abschlüsse sind an der FSAO möglich. Und die Weiterbildung zum Meister an der Fachschule ist schulgeldfrei.
Natürlich bietet die Ausbildung auch betriebswirtschaftliche und rechtliche Schwerpunkte und bereitet dadurch auch auf das Managen eines Unternehmens vor. Ebenso spielen an der Fachschule für Augenoptik „Hermann Pistor“ Handwerk und Kreativität eine große Rolle. Nach dem Konstruieren und Designen fertigen die Schüler im „Fassungsbau“ eine Brille an. Wenn auch das Hauptaugenmerk auf den optischen Fächern liegt, so wird doch der Stundenplan mit den Fächern Mathematik, Physik, Englisch, Deutsch und Sozialkunde ergänzt. Denn neben dem Abschluss zum „Augenoptikermeister und Staatlich Geprüften Augenoptiker“ besteht hier obendrein die Möglichkeit, die Fachhochschulreife zu erwerben.
Der Schulalltag wird durch viele Traditionsveranstaltungen und Freizeitaktivitäten, an der Schüler und Lehrer teilnehmen, aufgelockert. Zum Beispiel treten die „Bummis“ zweimal im Jahr beim großen Fußballturnier gegen die „Großen“ an, alle treffen sich kostümiert zur alljährlichen Faschingsfete oder unternehmen zusammen die Herbst- und Frühjahrswanderung im schönen Jenaer Land. All diese Aktivitäten sorgen für ein unschlagbar starkes Gemeinschaftsgefühl und bringen wirklich viel Spaß in die beiden Meisterschuljahre.
Historischer Abriss
- Im Jahr 1917 fasst man in Jena den Entschluss, eine Optikerschule zu gründen, welche am 7. Oktober 1918 feierlich unter dem Namen „Großherzogliche Sächsische Optikerschule“ von dem ersten Direktor Gerhard Kloth im Hörsaal der Schule Ecke Schillerstraße/Abbestraße in Jena eröffnet wird.
- Im Jahr 1918 wird Hermann Pistor als Lehrkraft an die Fachschule in Jena berufen. Aufgrund seiner herausragenden pädagogischen und naturwissenschaftlichen Kenntnisse wird der gebürtige Sonneberger, der stets getreu seinem Motto „per aspera ad astra“ handelt, schon 1919 zum Professor der Schule ernannt. Durch ihn wird in Deutschland der Grundstein für die Fach- und Hochschulausbildung auf dem Gebiet der Optometrie gelegt.
- Am 20.10.1924 wird das neue Schulgebäude unter dem Namen „Staatliche Optiker-Schule“ am Carl-Zeiss Platz eingeweiht.
- Die Schüler, die mit dem Abschluss „Diplomoptiker“ die Schule verlassen, besuchen bis 1925 einen einjährigen Lehrgang. Danach sollen die Studiengänge zweijährig sein. Im Laufe der Jahre werden sich der Name der Schule und die Bezeichnung des Abschlusses noch häufig ändern. Wie zum Beispiel 1927: die Schule heißt nun „Jenaer Fachschule für Optiker (Staatliche Anstalt)“. Zugleich werden die Fachschüler „Absolventen der Jenaer Fachhochschule“ und „Optikermeister“. Vier Jahre später darf die Schule den Titel „Staatlich approbierte Augenoptiker“ vergeben.
- Ab 1938 werden neben den zweijährigen Studiengängen auch einjährige angeboten.
- Zur Zeit des Zweiten Weltkrieges heißt die Schule „Staatliche Ingenieurschule für Optik in Jena und Meisterschule des Augenoptikerhandwerks“. Die Lehrgangsdauer beträgt zwölf Monate.
- Nach Kriegsende bleibt die Meisterschule des Augenoptikerhandwerks bestehen, und man führt die Berufsbezeichnung: „Staatlich geprüfter Augenoptiker“ ein. Auch der Berufsschulunterricht der Lehrlinge soll nun hier stattfinden. Die Lehrer der Meisterschule unterrichten auch die Lehrlinge.
- Prof. Dr. Hermann Pistor wird 1950, an seinem 75. Geburtstag, zum Ehrenbürger der Stadt Jena und seiner Geburtsstadt Sonneberg. Ein Jahr später stirbt Pistor, der bis zu diesem Zeitpunkt Direktor im Amt ist.
- 1953 werden die Lehrgänge erneut zweijährig. Die Schule wird zur „Fachschule für Augenoptik „Hermann Pistor““ umbenannt und trägt diesen Namen ehrenvoll bis heute.
- 1976 werden die Studiengänge dreijährig. Das Optische Museum zieht in einen Teil der Schule ein.
- 1983 bis 1985 wird die Schule komplett saniert. Das Optische Museum nutzt jetzt die gesamte untere Etage. Zwei Jahre später spricht man erneut von einer zweijährigen Ausbildung und die Absolventen dürfen sich erstmals „Optometristen“ nennen. Diese Berufsbezeichnung gilt für diese Art der Schulform bis 1992.
- Ab 1993 bis heute heißen die Absolventen „Staatlich geprüfte Augenoptiker“ und „Augenoptikermeister“.
- Zu Beginn der 1990er Jahre gerät die Fachschule in finanzielle Probleme, da es die Carl Zeiss-Stiftung Jena in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr gibt. Diese hat aber jährlich beträchtliche Mittel für den laufenden Lehrbetrieb und für optometrische und ophthalmologische Geräte zur Verfügung gestellt. Seit 1991erfolgt die Finanzierung durch das Land Thüringen.
- 1995 schließen sich die Ernst Abbe-Stiftung, der ZVA und das Kultusministerium zusammen und bilden eine gemeinnützige GmbH für den Erhalt der Schule. Die Ernst Abbe Stiftung trägt dazu zwei Drittel der Kosten, der ZVA ein Drittel. Es wird beschlossen, dass ein Standortwechsel durch finanzielle Engpässe unumgänglich ist, was zunächst viele Proteste hervorruft.
- Im Jahr 1996 übernimmt das Land Thüringen die Finanzierung des Umzuges der Schule. Ein Jahr später zieht die Fachschule in das Staatliche Berufsbildende Schulzentrum (SBSZ) Jena-Göschwitz, in der sie bis heute ihren Sitz hat. Das Gebäude am Carl-Zeiss-Platz wird nun gänzlich als Optisches Museum genutzt.
Wer sich der Geschichte der Fachschule detaillierter widmen möchte, kann das Buch „Ein stattliches Haus“ von Werner Pfaffendorf über den Förderkreis der Fachschule „Hermann Pistor“ e.V. in Jena-Göschwitz erwerben.
Elisabeth Krämer und Linda Rippl, FSAO 15
Fotos: Fachschule für Augenoptik "Herman Pistor" Jena