„Bei uns soll es nicht aussehen wie in einer Arztpraxis“
Mister Spex gehört zehn Jahre nach der Gründung zwar gefühlt noch in die Kategorie „Onlinehändler“, aber in Berlin machen sie keinen Hehl daraus, dass die Zukunft in der Augenoptik zumindest für Mister Spex im Multichannel liegt. Deswegen müssen neue stationäre „Spex-Geschäfte“ auch lange schon nicht mehr als Test deklariert werden, vielmehr ist das nun der offiziell kommunizierte Versuch, ein Online-Kauferlebnis stationär zu ermöglichen. Dahinter liegt ein besonderes Konzept, das sich wesentlich auf den Innenausbau der Läden und die Einrichtung auswirkt.
Jens Peter Klatt, Vice President Multichannel, ist bei Mister Spex für den Ladenbau verantwortlich. Sieben Jahre hat er bei „eyes + more“ Erfahrungen gesammelt, etwa vier Jahre davon als Geschäftsführer für die deutsche Gesellschaft. Seit August 2015 arbeitet er bei Mister Spex eng mit dem Marken- und Architekturbüro „dan pearlman“ zusammen, das jede Neueröffnung begleitet. Jetzt im März eröffnet im „Main-Taunus-Zentrum“ in Sulzbach der erste Mister-Spex-Store in diesem Jahr, weitere werden folgen, zunächst in Erfurt, dann in Essen. Wir haben uns mit Klatt über die Besonderheit unterhalten, stationär einen Onlineshop zu bauen.
DOZ: Herr Klatt, ist es zu platt ausgedrückt, dass Sie versuchen, die Onlinewelt von Mister Spex stationär abzubilden?
Jens Peter Klatt: Nein, eigentlich ist das ziemlich korrekt, genau das treibt uns an und nur das macht uns offline erfolgreich. Mister Spex muss sich strategisch zum Multi-Channel-Anbieter entwickeln. Dabei wollen wir aber unsere Alleinstellungsmerkmale, die uns online auszeichnen, stationär berücksichtigen.
Warum ist das in einem komplett neuen Umfeld so wichtig?
Heutzutage erwartet der Kunde überall das gleiche Einkaufserlebnis. Bei Mister Spex heißt das, er erwartet unter anderem Markenbrillen in großer Bandbreite, Kontaktlinsen und Sonnenbrillen, aber auch Transparenz und das Gefühl, intuitiv agieren zu können; online wie offline.
Wie werden Sie dieser Erwartung in Ihren Stores gerecht?
Im Kern erreichen wir das mit unserer online bewährten Filtertechnik, die sich in verschiedenen Dimensionen darstellt. Die Brillenfassungen werden bei uns auch stationär nach Damen- und Herrenfassungen getrennt und nach Formen sortiert. Die unterschiedlichen Größen der Fassungen finden sich von oben nach unten an den Ausstellungsflächen und natürlich sind die Fassungen auch nach Marken sortiert. Zudem bieten Infokarten bei den jeweiligen Fassungen alle Informationen zu diesem Modell. Auch der Preis findet sich auf den Karten, so dass der Kunde alle Informationen für einen späteren Onlinekauf gerne mitnehmen kann. Wir möchten zeigen, dass online Kaufen nicht weh tut und versuchen, unseren Kunden das Beste aus beiden Welten zu präsentieren.
Sie sagen, der Kunde soll intuitiv agieren können. Heißt das, er wird nicht bei der Fassungsauswahl beraten?
Das Ladenbaukonzept ist auf Kundennähe ausgerichtet. Der Kunde soll bei uns das Gefühl bekommen, dass wir da sind und er uns jederzeit ansprechen kann. Er soll sich aber frei bewegen und nicht von der Auswahl eines Mitarbeiters abhängig gemacht werden. Beim Eintritt in den Store wird er darüber von einem „Welcome Manager“ informiert.
Aber stationär besticht doch gerade durch die Beratung und durch Dienstleistungen, die online nicht möglich sind?
Gerade deswegen glauben wir heute und in Zukunft ganz fest an Multi-Channel. Wenn der Kunde möchte, sind wir von Beginn an bei ihm. Aber bei Mister Spex soll er später auch gerne einen Onlinekauf tätigen. Auch deswegen geben wir mit dem Kunden gemeinsam den Auftrag ein und bestellen das gewünschte Produkt mit ihm auf einer Auftragsseite, die exakt unserer Homepage entspricht. Er könnte das über unsere Homepage theoretisch natürlich auch selbst tun, dafür haben wir in jedem Store eine Lounge-Ecke zum selber Bestellen eingerichtet.
Wird das genutzt?
Kaum
Gibt es sonst noch bauliche Maßnahmen oder digitale Hilfsmittel, die sich im Verlauf der weiteren Eröffnungen seit dem ersten stationären Geschäft in Berlin als nicht erfolgreich gezeigt haben?
Nicht falsch verstehen, die Lounge-Ecke kommt sehr gut an, nur bestellen die Kunden nicht selbst. Bis auf eine Ausnahme verwenden wir alle Details, die wir im ersten Store im Berliner Alexa integriert hatten, auch heute noch. Wobei wir ausdrücklich auf allzu vielen digitalen Schnickschnack im Store verzichten. Auch unser „Education-Modul“ ist bereits seit dem zweiten Store Geschichte. Hiermit wollten wir den Verkaufsprozess erklären, das braucht aber niemand, weil es sich von ganz allein erschließt.
Was sind die auffälligsten Unterschiede zu einem bislang besser bekannten Augenoptikgeschäft?
Wir nutzen eine zentrale Beratungsposition, einen Tresen, an dem unsere Mitarbeiter neben den Kunden sitzen. Bei uns steht eindeutig das Produkt und nicht der Ladenbau im Vordergrund, auch wenn wir eine sehr hochwertige Ausstattung verwenden. Das nordische Design mit warmem Holz kombiniert schafft eine Wohlfühlatmosphäre, da stört auch die stark ausgeleuchtete Fassungspräsentation nicht. Außerdem haben wir den Kassentresen, wie man ihn nahezu von allen Geschäften kennt, abgeschafft.
Womit Sie auch den für den Kunden manchmal schmerzlichen Zahlungsvorgang abschaffen wollen?
Nein, zahlen muss man auch bei Mister Spex. Aber es gibt keine stationäre Kasse bei uns, insofern fällt tatsächlich dieser Zahlvorgang, wie man ihn kennt, weg. Als Anlaufstelle im Store dienen stattdessen unsere Servicepoints, und gezahlt wird an mobilen Kassen im Laden.
Sie sagten eben, Mister Spex verzichte auf digitalen Schnick-schnack. Wir haben bisher nicht über die technische Ausstattung gesprochen. Welchen Stellenwert nimmt sie im Geschäft ein?
Wir rüsten unsere Stores mit den neuesten Geräten für den Sehtest aus. Bei der Kontaktlinsenanpassung, die bei uns natürlich einen besonderen Stellenwert hat, kommen Keratographen zum Einsatz. Fachlich und technisch bieten wir allerhöchstes Niveau.
Jedoch lassen sich hier die Online- und die Offlinewelt nur schwierig kombinieren, oder?
Als Multi-Channel-Anbieter hat Mister Spex deswegen bereits in der Vergangenheit das Partnerprogramm aus der Taufe gehoben. In unseren Stores sind die Prüfräume eher unauffällig meistens hinter der „Luxuswand“ mit unseren besonderen Marken untergebracht. Bei uns soll es ja auch nicht aussehen wie in einer Arztpraxis.