Jan Thore Föhrenbach: „Der Augenoptiker muss dem technischen Wandel offen gegenüberstehen“

Jan Thore Föhrenbach
Jan Thore Foehrenbach ist Business Unit Head EMEA Internet bei Alcon.
© Alcon

2008 war das Jahr, in dem Jan Thore Föhrenbach die augenoptische Branche für sich entdeckte. Nachdem er zuvor 13 Jahre in der Konsumgüterbranche tätig war (Seagram, Wella sowie P&G), lockte ihn die DACH-Marketingleitung bei Alcon (damals noch Ciba Vision). Dem Unternehmen ist er bis heute treu geblieben, die Positionen aber wechselten: Ab 2012 war er als National Sales Manager (Deutschland und Österreich) und ab 2015 als Business Head Deutschland tätig. Seit 2018 ist der nun 49-Jährige Business Unit Head Internet für den Wirtschaftsraum Europa, Naher Osten und Afrika (EMEA). Die DOZ sprach mit ihm über die Digitalisierung der Branche. [Noch mehr Interviews mit den Köpfen der Branche zum Thema Digitalisierung finden Sie in der DOZ-Sonderausgabe zur Opti.]

DOZ: In den USA gibt es bereits einen Scanner, mit denen Konsumenten die Werte ihrer Brille vermessen können. Wann ist Ihrer Ansicht nach die Online-­Refraktion marktfähig?

Jan Thore Förenbach: Das hängt natürlich zunächst einmal davon ab, was genau man unter Online-Refraktion versteht. Es
existieren bereits diverse Vorstufen einer echten Online-Refraktion. Hier geht es allerdings primär um die Anpassung sphärischer Linsen oder aber die Erneuerungen von Refraktionsergebnissen beziehungsweise Verschreibungen. Die Ergebnisse werden dann teilweise von „realen“ Augenoptikern oder Spezialisten über digitale Kanäle validiert.

Noch ist die Technik nicht so weit, die Refraktion durch einen Augenoptiker oder Optometristen mit Einsatz des entsprechenden Equipments uneingeschränkt zu ersetzen. Wann genau das der Fall sein wird, kann ich nicht sagen.

Wie wird die Online-Refraktion die Branche im Allgemeinen und das augenoptische Handwerk im Speziellen verändern?

Für den stationären Augenoptiker könnte die Online-Refraktion mittelfristig zur Ergänzung seines Service-Angebots werden. So lässt sich Dienstleistung in die digitale Welt (vor-)verlagern und zu Effi­zienz­gewinnen und Zeitersparnis für alle Beteilgten führen. Richtig eingesetzt, schaffen es Industrie und augenoptische Fachbetriebe, dem Endverbraucher so besseren Service zu bieten und damit nachhaltig an das Fachgeschäft zu binden.

Natürlich kann und wird die Online-Refraktion auch von Inter­net­händlern ohne stationäres Geschäft angeboten werden. Hier erwarten wir sehr unterschiedliche Ansätze, von der reinen Online-Refraktion insbesondere für einfachere Anpassungen bis hin zum vollintegrier­ten Omni-Channel-Ansatz inklusive Integration eines „echten“ Augenoptikers, bei dem die Online-Refraktion ein vorgelagerter Schritt im Serviceablauf ist. Wie der Endverbraucher dieses annimmt, hängt sehr von der Consumer Journey und insbesondere den Ergebnissen ab.

Klar ist jedoch auch, dass der Anpassprozess aus mehr besteht, als die Online-Refaktion liefern wird. Somit bestehen auch in Zukunft viele Möglichkeiten zur Differenzierung für den stationären Handel.
 
Welche weiteren technischen und digitalen Entwicklungen sehen Sie, die den augenoptischen Markt grundlegend verändern können oder werden?

In aller Munde sind natürlich die Buzzwords AI und VR. Beide Entwicklungen haben das Potenzial, die Augenoptik nachhaltig zu verändern. Wir sehen hier die Steigerung der Effizienz und der Effektivität von Prozessen, die Verbesserung von Servicequalität sowie natürlich auch die Art und Weise der Erbringung von Dienstleistungen mit und am Endverbraucher.

Provokant gefragt: Benötigen wir in sieben Jahren noch Augenoptiker?

Definitiv ja. Die Entwicklung neuer Technologien macht eine Branche ja nicht zwangsläufig obsolet. Das gilt insbesondere für Geschäftsmodelle mit hohem Service­anteil wie die Augenoptik.

Sobald der Kunde als „externer Faktor“ in den Serviceablauf integriert ist, sind die empathischen Elemente der Dienstleistung unverzichtbar. Und hier ist der Mensch definitiv im Vorteil gegenüber jeder Maschine.

Und dennoch muss der Augenoptiker dem technischen Wandel offen gegenüberstehen. Die technischen und digitalen Entwicklungen werden ihn in der Erbringung seines Serviceangebots unterstützen und dieses verbesseren können. Auch werden wir in Zukunft eine Vielzahl von digitalen Serviceinnovationen sehen.

Neben Information wird Auf­merk­samkeit die wichtigste Wäh­rung im Internet. Da sich gleichzeitig mehr und mehr Kunden vor dem Kauf im Internet informieren (ROPO): Welche Aus­gangs­position und welche zukünftigen Chancen sehen Sie für den mittelständischen Augen­optiker im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit des Kunden im Web?

Der Augenoptiker sollte das Internet nicht als Gefahr, sondern als Opportunität begreifen. Nie war es so einfach und kostengünstig, seine Zielgruppen lokal und überregional direkt zu erreichen.

Der Augenoptiker – wie auch die Industrie – muss dazu verstehen, warum und wie der Endverbraucher digitale Kanäle wie zum Beispiel Social-Media-Plattformen nutzt. Hie kann er Endverbrauchern einen Mehrwert liefern und neue Angebote wie zum Beispiel den Online-­Nachkauf anbieten.

Welche Unterstützungen bieten Sie ihm an, um seine Online-Präsenz zu stärken?

Wir verstehen, dass der statio­näre Augenoptiker in der Regel kein Experte im Bereich e-Commerce und Digital-Marketing ist. Daher hat Alcon mit InContact eine einzigartige eCom-Plattform für den stationären Fachhandel entwickelt. Über InContact kann der Augenoptiker oder Augenspezialist sein eigenes digitales Schaufenster aufbauen und sich direkt mit Endverbrauchern „connetect-en“.
In Kombination mit den hohen Investitionen in die Endverbraucher-­Ansprache (über TV-Kampagne, Social Media und digitale Promotions) wird so Frequenz im Geschäft generiert und Neuträger für Kontaktlinsen gewonnen. Neben dem 20-Euro-Rabattgutschein für den Erstkauf von Kontaktlinsen bietet InContact mit der Nachkauffunktion sowie dem integrierten Abo wichtige Elemente zur Kundenbindung.

Wer darüber hinaus auch andere Marken in seinem Abo anbieten möchte, findet in elina, dem elektronischen Linsenabo von Alcon, die wohl professionellste Lösung am Markt.

Darüber hinaus hat Alcon schon vor Jahren begonnen, neben den klassichen Werbemitteln für den POS auch umfangreiche digitale Toolboxen anzubieten. Für jede Marketinginitiative erhalten Augenoptiker so ein Maßnahmenpaket, das einfach auf der eigenen Website oder den eigenen Social-Media-Kanälen genutzt werden kann.

Das Verbraucherverhalten wird sich im Zuge der Digitalisierung vermutlich immer stärker ändern. Welche Veränderungen sehen Sie auf die Augenoptik zukommen und wie sollte die Branche darauf reagieren?

Digitale Transformation zieht sich durch alle Lebensbereiche und verändert natürlich das Konsumentenverhalten. Von der Suche nach Informationen, dem Einkaufsverhalten bis hin zur Nutzung von digitalen Serviceangeboten. Darauf müssen sich alle Player einstimmen und den Transformationsprozess idealerweise aktiv selbst gestalten.

Für den Augenoptiker ist das eine Chance, ganz nach dem Motto „If you can’t beat them, join them“. So können Optiker über digitale Kanäle die Kunden erreichen, mit denen sie bis dato nicht oder nur unzureichend kommunizieren konnten.

Um es den stationären Augenoptikern hier leicht zu machen, bietet Alcon zum Beispiel entsprechende digitale Toolboxes inklusive Social-­Media-Templates, die einfach in die eigenen Plattformen unserer Kunden integriert werden können.

Auch muss der stationäre Handel überlegen, welche digitalen Services er anbieten kann und möchte. Das beginnt beim Angebot von Informationen und einfachen Services wie zum Beispiel digitale Terminvereinbarungen oder der Erinnerung zum Wechsel der Monatslinse bis hin zum voll integrierten Omni-Channel-Konzept inklusive Online-Vertrieb und After-­Sales-Service.

Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde. Welche Entwicklungen sehen Sie aus diesem Bereich auf die Augenoptik zukommen?

Auch hier geht es darum zu verstehen, was mit KI wirklich gemeint ist. Ein Aspekt ist die Analyse von Big Data sowie das Thema Deep Learning. Dieses ist für Alcon als Hersteller relevant und hilft zum Beispiel, Studienergebnisse schneller und besser zu analysieren sowie Trends und zukünftige Entwicklungen vorauszusehen und darauf Antworten zu entwickeln.

Echte, selbstlernende Systeme können in Zukunft beispielsweise helfen, die Kommunikation mit Kunden zu optimieren. Richtig eingesetzt, können so Qualität und Geschwindigkeit bei der Beantwortung von Kundenfragen erhöht und damit letztlich die Kundenzufriedenheit und -bindung gesteigert werden.
 
Welche Chancen und welche Risiken sehen Sie im Bereich der Telemedizin auf die Augenoptik zukommen?

Chat und Video ermöglichen das Angebot neuer Services vom Augenoptiker an den Endverbraucher. Richtig eingesetzt, kann so die Interaktion zwischen Augenoptiker und Endverbraucher inhaltlich gestärkt und effizienter gestaltet werden – ganz ohne Anwesenheit vor Ort und Wartezeiten. Wichtig ist jedoch die Nutzung der richtigen Kanäle. Das gute alte Telefon ist sicherlich nicht der Kanal der Generation Y und Z.

Sind AR und VR Teil Ihrer strategischen Ausrichtung? Falls ja: Wie sehen diese aus?

Natürlich spielen diese Themen bei Alcon eine elementare Rolle. So arbeiten wir aktuell zum Beispiel an der Nutzung von VR-Applikationen im Bereich der kosmetischen Linsen. Mehr Details werden wir verraten, sobald diese marktreif sind.

Beenden Sie bitte den folgenden Satz: „Wenn ich Augenoptiker wäre, dann würde ich das Thema ‚Digitalisierung‘…

…als große Chance begreifen und mein Business Model durch die Nutzung neuer Medien und digitaler Technologien optimieren und wettbewerbsfähig halten.

Die Fragen stellte Stephan Schenk