Mitarbeitergespräche führen: Kritisieren, ohne zu verletzen

Zwei Frauen unterhalten sich
Wer Zeit in Mitarbeitergespräche investiert, erntet Motivation, Bindung an das Unternehmen und Weiterentwicklung.
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Unpassende Kleidung, unangemessenes Verhalten, fachliche Fehler – auch in Augenoptik-Betrieben können negative Situationen vorkommen, die angesprochen werden müss(t)en. Das fällt nicht immer leicht. Wie also lassen sich Gespräche mit Mitarbeitern bei schwierigen Themen auf sensible Weise führen und negative Rückmeldungen am besten übermitteln? Und wie nötig sind regelmäßige Gespräche oder Feedback? Die DOZ hat bei Doris Valentin-Kruse nachgefragt, die sich als Trainerin für Verkauf und Führung auf die Augenoptik spezialisiert hat.

Regeln für das Kritikgespräch

Vierunddreißig Grad im Schatten. Draußen flimmert die Luft und der Asphalt scheint zu schmelzen. Im angenehm kühlen, klimatisierten Augenoptikgeschäft ist davon zum Glück nichts zu spüren – durchaus jedoch von dem Sprint, den die neue Mitarbeiterin hingelegt hat, um noch einigermaßen pünktlich zur Arbeit zu erscheinen. In der Eile hat sie offenbar vergessen, dass ein Deo bei solchen Temperaturen angemessen ist. Auch die dunklen Flecken unter den Achselhöhlen machen sich nicht gut im Umgang mit Kunden und Kollegen. Zehn Minuten zu spät war sie obendrein. Für den Filialleiter keine einfache Situation. Fachlich ist die neue Mitarbeiterin top und sie wurde auch im Team gut aufgenommen. Welche Worte also sind nun angebracht?

  • Vielleicht: „Ich würde es begrüßen, wenn Sie künftig ein Deodorant verwenden würden.“
  • Oder: „Fahren sie doch bitte nochmal nach Hause und kommen sie ganz in Ruhe in einem frischen T-Shirt wieder. Die Zeit können sie am Samstag nach­arbeiten.“
  • Oder deutlich bestimmter: „Ist Ihnen eigentlich klar, dass Sie mit solch einem Körpergeruch unsere Kunden vergraulen können und Sie noch in der Probezeit sind?“
  • Oder vielleicht doch am besten darüber hinwegsehen?

Nicht „nebenbei“ in der Werkstatt klären

„Vor allem in kleinen Betrieben werden Rückmeldungen zwischendurch gegeben anstelle von Feed­back-Gesprächen“, weiß Doris Valentin-Kruse. Die Verkaufstrainerin und Managementberaterin hat sich auf die Augenoptik spezialisiert und bringt eigene Erfahrungen aus der Branche mit. „Viele Führungskräfte in kleinen Augenoptik-Betrieben vertreten die Meinung, dass Mitarbeiter-Einzel­gespräche in ihren Geschäften nicht nötig seien, da ja enge Kontakte zu den Beschäftigten bestehen und man zwischendurch bei der Werkstattarbeit miteinander reden kann“, hat sie beobachtet und von Seminar­teilnehmern erfahren. „Doch unabhängig von der Größe des Unternehmens ist es sinnvoll, in regelmäßigen Abständen geplante Einzelgespräche durchzuführen.“ Wie diese aussehen sollten, hat die Expertin ebenfalls für die DOZ erläutert – mehr dazu weiter unten. Sie weist darauf hin, dass es zu den Aufgaben einer Führungskraft gehört, Anerkennung und Kritik zu geben. „Regelmäßiges Feedback ist wichtig für die Mitarbeiter­moti­vation, damit die Beschäftigten dazulernen und sich verbessern können.“

Wie übt man Kritik?

Ein erfolgreiches Kritikgespräch führen

Oft ist es jedoch auch nötig, spontan zu reagieren – wie bei der Mitarbeiterin, die ihr Deo vergaß. Gleiches gilt, wenn Aufgaben falsch erledigt werden, was etwa in der Werkstatt schnell teuer werden kann. „Das Kritikgespräch kann Teil eines halbjährlichen oder jährlichen Beurteilungsgesprächs sein, aber auch spontan erfolgen, wenn eine Situation im Unternehmen nicht zufriedenstellend verlaufen ist“, sagt Doris Valentin-Kruse. „Wenn zum Beispiel ein Mitarbeiter eine Reklamation nicht im Sinne der Geschäftsleitung gelöst und der Kunde wutschnaubend das Geschäft verlassen hat, sollte das Verhalten des Mitarbeiters zeitnah zum Thema eines Kritikgespräches gemacht werden. In dieser Situation sollte die Führungskraft nicht bis zum Gesprächstermin warten, sondern das Kritikgespräch zeitnah führen.“ Zeitnah kann bedeuten, dass das Gespräch später am selben Tag oder am nächsten Tag stattfindet. Etwas Abstand kann dabei durchaus förderlich sein. Ist der Mitarbeiter noch emotional betroffen und der Chef noch ärgerlich über das Mitarbeiterverhalten, kann sicher kein erfolgversprechendes, sachliches Kritikgespräch geführt werden. Einige Zeit später oder am nächsten Tag, wenn sich die Gemüter beruhigt haben, ist die Basis für ein konstruktives Feedback gegeben. Grundsätzlich ist es sinnvoll, dass eine Führungskraft ihre Mitarbeiter kritisiert – aber es ist entscheidend, wie sie es tut. Zielführende Kritik sollte sachlich, schonend, konstruktiv und motivierend sein.

Wie ein Kritikgespräch ablaufen sollte

Auch auf die Vorgehensweise kommt es bei Kritikgesprächen an. Als erstes sollte die Führungskraft einen eigenen Eindruck der Situa­tion schildern, etwa mit Worten wie „Mir ist aufgefallen, dass Sie heute offenbar nicht so ganz bei der Sache waren“ oder „Ich habe mich geärgert, weil der Kunde vorhin unhöflich bedient wurde“ oder „Ich finde, dass das Reklamationsgespräch gestern falsch gelaufen ist“. Dann sollte der Mitarbeiter die Chance erhalten, sein Verhalten zu erklären, wobei keine Vorab-­Erklärungen vorgenommen werden sollten. Zu vermeiden sind also definierende Sätze wie: „Sie wollten den Kunden doch bestimmt schnell wieder loswerden“ oder „Sie hatten vielleicht einen schlechten Tag.“ Die Expertin rät vielmehr, den Mitarbeiter aktiv um Rückmeldung zu bitten: „Wie sehen Sie das?“ oder „Was sagen Sie dazu?“ wären dazu passende Formulierungen.

Im nächsten Schritt gilt es dann, gemeinsam eine Lösung zu suchen. Als beispielhafte Sätze nennt Doris Valentin-Kruse:

  • „Welche Auswirkungen sehen Sie, wenn das so weiterläuft?“
  • „Was sehen Sie für eine Lösung?“
  • „Wie können wir das zukünftig ändern oder vermeiden?“
  • „Was würden Sie an meiner Stelle tun?“
  • „Was halten Sie von diesem Vorschlag?“

Ein konstruktives Kritikgespräch endet mit einer Zielvereinbarung: „In Zukunft starten Sie bitte früher zur Arbeit und achten sorgfältig darauf, ein gutes Deo zu benutzen.“ oder „Halten wir also fest, dass Sie sich nun wieder mehr um Geduld beim Umgang mit den Kunden bemühen.“

Gesprächsführung im Rollenspiel üben

Auch wenn dies alles leicht umsetzbar erscheint – im betrieblichen Alltag sind Sätze, die man sich zurechtlegt, womöglich schnell vergessen oder man reagiert dann doch zu emotional. Daher ist es sinnvoll, die Gesprächsführung in Rollenspielen zu üben. So bietet sich die Möglichkeit, Kritikgespräche und Mitarbeiter-Beurteilungsgespräche vorzubereiten und einzuüben. „Speziell junge Führungskräfte und Filialleiter benötigen Unterstützung für ihre neue Rolle im Unternehmen“, betont Valentin-Kruse. In Führungsseminaren werden auch Gespräche zu schwierigen Kritikpunkten eingeübt, wie zum Beispiel ,Mein Mitarbeiter hat Mundgeruch‘ oder ,Mein Mitarbeiter kleidet sich unpassend‘.“

„Keine Zeit“ darf kein Argument sein

Viele Führungskräfte scheuen sich, Mitarbeiter-Beurteilungsgespräche durchzuführen und sie mit dem Scheinargument „Keine Zeit dafür“ nicht zu realisieren. „Damit vernachlässigen sie ein wichtiges Führungsinstrument, das in Zeiten des Fachkräftemangels noch an Bedeutung gewonnen hat“, betont Valentin-Kruse. „Es lohnt sich, Zeit in Mitarbeiter-Beurteilungsgespräche zu investieren, denn am Ende bringen sie Motivation, Information, Bindung an das Unternehmen und Weiterentwicklung – allesamt Faktoren, die für Augenoptik-Betriebe heute überlebenswichtig sind. Solche Beurteilungsgespräche sind ein wichtiges Führungs­instrument.“ Daher ist es sinnvoll, in regelmäßigen Abständen Mitarbeiter-Einzelgespräche durchzuführen – unabhängig von der Größe des Augenoptik-Unternehmens.

Wertvolles Feedback für beide Seiten

Der Unterschied zwischen „Small­talk zwischendurch“ und einem geplanten Gespräch zwischen Chef und Mitarbeiter zeigt sich, wenn man sich einmal die Ziele eines Mitarbeiter-Beurteilungsgespräches verdeutlicht. Solche geplanten Gespräche bedeuten Zeit für Kommunikation und Austausch sowie wertvolles Feedback für die Beschäftigten und die Führungskräfte. Zudem lassen sie sich nutzen, um Informationen auszutauschen und Ziele zu vereinbaren. Sie dienen auch dazu, die Beziehungen zu vertiefen, die Bedeutung des Kontakts zwischen Mitarbeiter und Chef zu unterstreichen und sind somit förderlich für das Betriebsklima. „Interessant ist, dass sich viele Mitarbeiter ein Gespräch mit der Unternehmensleitung wünschen, in dem sie Rückmeldungen über ihr Verhalten erhalten und Ideen und Anregungen geben können“, sagt Doris Valentin-Kruse. Für viele Mitarbeiter sei es unbefriedigend, nicht genau zu wissen, wie die Geschäftsleitung sie einschätzt. Damit das Beurteilungsgespräch nicht Demotivation und Frust auslöst, gilt es einige Tipps zur Durchführung im Alltag der Augenoptik zu beachten.

Gut vorbereitet ins Mitarbeitergespräch

Das Mitarbeitergespräch sollte ein bis zwei Mal jährlich durchgeführt werden. Termin und Uhrzeit dafür sollten gemeinsam vereinbart werden. Auch auf passende Rahmenbedingungen sollte man achten. Zudem muss das Gespräch ungestört ablaufen – frei von Kundengesprächen und Telefonaten. Genauso wie bei Teambesprechungen sollten Gespräch und Essen getrennt werden. Falls es gewünscht ist, könnte aber erst das Gespräch und dann noch ein gemeinsames Mittagessen mit dem Chef oder der Chefin stattfinden.

Die Führungskraft sollte entscheiden, ob sie alle Mitarbeitergespräche hintereinander direkt am Jahresanfang führt oder sie über das Jahr verteilt, etwa ein Mal pro Monat. Beschäftigte und Unternehmensleitung sollten sich gleichermaßen auf das Gespräch vorbereiten. Für die Führungskraft kann es hilfreich sein, sich im Laufe des Jahres Notizen zu den einzelnen Mitarbeitern zu machen oder mit den Filialleitern Rücksprache zu halten.

Zur Gesprächsvorbereitung empfiehlt es sich, für beide Gesprächspartner eine Themengliederung oder einen Beurteilungsbogen einzusetzen – oder beides. Diese Unterlagen sollte auch der Mitarbeiter zur Vorbereitung erhalten. Sie bilden die Basis für den Aufbau des Gesprächs. Eine Themengliederung für das Mitarbeitergespräch sollte sowohl eine Rückmeldung durch den Mitarbeiter als auch durch die Geschäftsleitung enthalten (siehe Infokasten). Wenn ein Beurteilungsbogen für das Mitarbeitergespräch zugrunde gelegt werden soll, ist es sinnvoll, diesen bereits vorher vom Mitarbeiter und von der Unternehmensleitung ausfüllen zu lassen. Im anschließenden Gespräch sollte man dann die Punkte thematisieren, in denen sich die Beurteilungen von Mitarbeiter und Führungskraft unterscheiden. Zusätzlich sollten im gemeinsamen Gespräch Gegenmaßnahmen und Zielsetzungen für die Punkte entwickelt werden, die vom Mitarbeiter und / oder dem Chef negativ beurteilt wurden.

Von „umfassend“ bis „nicht vorhanden“

Feedback
Viele Mitarbeiter wünschen sich ein
Feedback­gespräch mit dem Chef,
um Rückmeldung über ihre Leistung
zu erhalten – aber auch, um
Ideen und Anregungen einbringen
zu können. ©DOC RABE Media /
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Der Mitarbeiter-Beurteilungsbogen sollte verschiedene Kriterien der betrieblichen Anforderungen bewerten (siehe Infokasten). Die Beurteilungen können nach dem Schulnotenprinzip oder nach einer Skaleneinteilung von „umfassend“ bis „nicht vorhanden“ durchgeführt werden. Jedes Unternehmen sollte sich einen eigenen Beurteilungs­bogen erstellen – mit den Kriterien, die für den einzelnen Betrieb Priorität haben.

Nachdem die Rückmeldungen durch Mitarbeiter und Unternehmensleitung erfolgt sind, bilden gemeinsame Zielsetzungen den dritten Teil des Mitarbeiter-Beurteilungsgesprächs. „Die Zielsetzungen sollten gemeinsam schriftlich formuliert und dem Mitarbeiter nach dem Gespräch ausgehändigt werden“, erläutert Doris Valentin-Kruse. „Sie bilden die Basis für das nächste Mitarbeitergespräch. Bei dem sollte man dann zusammen mit dem oder der Beschäftigten überprüfen, inwieweit die Ziele erreicht wurden.“
Zentral sind dabei drei Fragen:

  1. Was soll erreicht werden?
  2. Wie soll es erreicht werden?
  3. Ab wann / bis wann soll das Ziel umgesetzt werden?

„Wichtig ist es, erreichbare Ziele zu setzen, weil das den Mitarbeiter motiviert“, ergänzt sie. Auch die Geschäftsleitung sollte sich am Ende des Mitarbeitergespräches Ziele setzen, die ebenfalls schriftlich festgehalten werden. Die Chef-Ziele können sich auf die Vorschläge oder Ideen des Mitarbeiters beziehen. Es kann sich auch um Maßnahmen handeln, die den Mitarbeiter dabei unterstützen, die gesetzten Ziele zu erreichen. Falls die Geschäftsleitung keine Idee hat, wie sie die Zielerreichung des Mitarbeiters unterstützen kann, können Fragen an den Mitarbeiter Klärung bringen: „Was kann ich tun, damit Sie Ihr Ziel erreichen?“ oder: „Gibt es etwas, was ich dabei zur Ihrer Unterstützung tun kann?“ Wie immer gilt: Mit der richtigen Methode lassen sich auch schwierige Situationen meistern.

Autorin: Christine Lendt

Beurteilungsbogen-Muster für Mitarbeitergespräche