Sieht so der Brillenverkauf von morgen aus?
Auf der Opti konnten Augenoptiker einen Blick in die Zukunft werfen – genauer gesagt in das Geschäft von morgen. Der "Futureshop" in Halle B4 präsentierte technologische Neuheiten aus den Bereichen Screening bis Kundenberatung in einem modernen Shopdesign. Laut Messerveranstalter GHM besuchten fast 2.000 Interessierte das zukunftsweisende Ladenkonzept, das durch Vorträge im Opti- Forum begleitet wurde. DOZ-Redaktionsvolontärin Daniela Zumpf begab sich auf den Weg in die Zukunft.
Am Sonntagmittag will ich endlich auch einen Blick in die Zukunft werfen. Schon am Messeeingang weisen neongelbe Sechsecke am Boden den Weg in Richtung Futureshop. Große Schilder an den Halleneingängen lenken immer wieder in die neue Halle B4. Am Ende des neuen Areals stehe ich nun vor dem Geschäft von morgen. Was mir gleich auffällt: Alles wirkt sehr offen und sechseckige Formen dominieren die Szenerie. Egal ob Tische, Hocker oder Wanddekoration – die kantigen Formen finden sich überall wieder. Alles ist in Schwarz-Gelb, schon fast Neongelb, gehalten. Es ist ein Vorgeschmack auf das neue Design der Opti, das die Besucher im kommenden Jahr erwartet.
16 Studenten der Hochschule Aalen, die sich in Gruppen zu drei bis vier Personen aufgeteilt haben, führen die Besucher zu jeder halben Stunde auf Deutsch oder Englisch durch das Geschäft von morgen. Sie sind leicht an ihren grauen T-Shirts mit dem Futureshop-Aufdruck zu erkennen. Ich spreche eine junge Studentin an, ihr Name ist Louise. Die langen Stunden und zahlreichen Führungen sind auch an ihr nicht spurlos vorübergegangen. Dennoch erklärt sie mir ruhig und deutlich, immer mit einem Lächel, zunächst den Hintergrund des Konzepts: „Den Shop könnte man in dieser Form bauen, so wäre er wahrscheinlich auch zukunftsfähig. Bei einigen der hier eingesetzten Technologien können wir uns gut vorstellen, dass sie in Zukunft weiterentwickelt und dann regulär in vielen Augenoptikfachgeschäften eingesetzt werden.“
Der Verkaufsraum ist so konzipiert, dass der Augenoptiker nicht gegenüber, sondern neben dem Kunden sitzt, um eine freundschaftliche Atmosphäre zu schaffen, erklärt mir die Studentin. Bewusst werden nur wenigen Brillen ausgestellt. Schließlich sollen sie als hochwertiges Modeaccessoire einzeln oder in kleinen Gruppen dem Kunden präsentiert werden. Die Brillen liegen in sechseckigen Wandelementen mit indirektem Licht. „Das ist natürlich nur ein Vorschlag, wie man den Shop der Zukunft gestalten könnte“, kommentiert Louise. Aber wie soll der Kunde bei einer so geringen Auswahl vor Ort die perfekte Brille finden, frage ich mich.
Brillengläser und Fassung auf Knopfdruck
Die Lösung der Studenten: der „Magic Mirror“, ein virtueller Spiegel, wie beispielsweise der Spiegel von FittingBox. Die Studentin zeigt mir eine mobile Version auf einem Tablet. Zusätzlich hängen aber auch zwei große digitale Spiegel an der Wand. Ich probiere einige der angebotenen Brillen aus, verändere die Fassungsfarbe per Klick und lasse mir auch verschiedene Sonnenbrillen zeigen – alles virtuell, versteht sich. Dabei gibt es auch die Möglichkeit, Fotos von meinem Spiegelbild zu schießen und diese per E-Mail zu verschicken. Habe man mal gerade keine Zeit für seine Kunden, könne dieser sich während des Wartens schon einen Überblick verschaffen und bekomme keine Langeweile, so Louise. Die wandgebundene Version sei beispielsweise auch für das Schaufenster geeignet, um Aufmerksamkeit bei Passanten zu erregen, fügt sie hinzu.
Die Studentin führt mich weiter zu einem interaktiven System: „Hier vorne haben wir das Yuniku-System von Hoya.“ So stehe ich also vor einem Spiegel, links und rechts sind Kameras angebracht, die Louise per Steuerung an meine Größe anpasst. Bei meiner Größe von nur 1,60 Meter muss sie die Kameras weit herunterfahren. Es folgen genaue Anweisungen: Brille abnehmen, Haare hinter die Ohren streichen, einen kleinen Schritt nach hinten und zum Schluss auf die Nasenwurzel blicken. „Es kommt gleich ein Blitz, bitte nicht erschrecken.“ Da merke ich ihre Routine. Sekundenbruchteile später erscheint auf dem Bildschirm daneben mein Foto aus zwei Blickwinkeln. Ich schlucke kurz. „Sind meine Augenringe wirklich so groß?“, frage ich mich. Doch lange kann ich mich mit dieser Frage nicht aufhalten, schon geht es weiter. Schritt für Schritt erklärt mir die Studentin das System: Ich kann zwischen Gleitsichtgläsern, Einstärkengläsern oder prismatischen Gläsern wählen. Danach soll ich meine Lebensgewohnheiten angeben. Das System analysiert die Daten, um mir beispielsweise zu sagen, welche Glasbeschichtung praktisch wäre. Ganz zum Schluss setzt Louise dann noch Punkte an die Stelle, an der die Brille übers Ohr läuft und in den Mittelpunkt der Pupille, bevor ich mir schließlich eine Brille aussuchen kann. Diese würde anschließend im 3D-Drucker erstellt.
Ich entscheide mich für eine schmale, knallrote Brille mit Gleitsichtgläsern. Das System berechnet nun die Daten. Ist die Fassung mit den Gläsern kompatibel? Passt sie zu meinem Gesicht? Nach einer knappen Minute zeigt mir das Gerät die Brille. So richtig gefällt mir meine erste Wahl aber nicht. Kein Problem! Louise zeigt mir weitere Farben, Designs und Bügellängen, dreht das Bild und ich kann weitere Modelle ausprobieren. „Jetzt kommen die Veredelungen. Ich habe vorher eingestellt, dass Sie viel am Computer arbeiten und da schlägt das System ‚Blue Control‘ vor. Wollen Sie phototrope Gläser, eine Sonnenbrille oder nur eine geringe Tönung?“ Ich entscheide mich für eine Sonnenbrille. Vor der Bestellung spuckt das System noch eine Übersicht aller meiner Daten aus, erst wenn hier alles stimmt, könnte der Vorgang abgeschlossen werden.
Einsehbarer Screeningraum
Weiter geht der Rundgang und wir machen Halt an der Virtual-Reality-Brille von Zeiss. Die VR-Brille ist mit einem Tablet verbunden, sodass der Augenoptiker genau sehen kann, was der Kunde durch die Brille sieht. Natürlich will ich die VR-Brille testen, schließlich hatte ich noch nie eine auf. Sie ist groß genug, um meine eigene Brille aufzubehalten – nichts stört, alles sitzt bequem. Ich sehe ein Art Marktplatz, links von mir steht ein Roboter und vor mir halte ich ein Handy. „Ich als Optiker kann jetzt einstellen, was Sie scharf sehen sollen. Jetzt sehen Sie den Nahbereich scharf oder hier nur den Fernbereich. Wir haben jetzt eine Addition von drei. Ich kann jetzt auswählen, welche Addition und welches Glas wir wollen“, erklärt mir Louise. So ganz real fühlt es sich zwar nicht an, was vielleicht auch an dem Roboter liegt, dennoch gibt mir die virtuelle Hilfe einen guten Überblick über die verschiedenen Brillengläser.
Daraufhin führt sie mich zum angrenzenden Screeningraum: „Er ist so angelegt, dass er von der Verkaufsfläche gut einzusehen ist. Damit bekommt derKunde gleich ein Gefühl dafür, dass wir gut ausgestattet sind und wir ihm auch weiterhelfen können.“ In einem weißen Raum steht die Screening-Serie von Zeiss. Ein Mitarbeiter des Traditionsunternehmens steht die gesamte Zeit für spezielle Fragen bereit. Die Serie besteht aus vier Geräten: „i.Profiler“, „Humphrey Matrix“, Spaltlampe und der „Visuscout“. Mit dem letztgenannten Gerät können zuverlässig Netzhauterkrankungen erkannt und überwacht werden. „Er ist richtig handlich und für den Einsatz muss man den Raum nicht abdunkeln. Man setzt ihn einfach auf das Auge des Kunden“, erläutert Louise. Die Geräte sind alle mit einem großen Bildschirm verbunden, der an der Wand hängt. Die Ergebnisse können so dem Kunden gleich präsentiert werden. Die Bilder kann der Kunde beispielsweise auch mit zum Augenarzt nehmen.
„Warum eine Screening-Serie?“, frage ich, „reicht der Verkauf von Brillen in der Zukunft nicht mehr aus?“ Louise erklärt mir ausführlich die Gründe: „Mit dem Brillenverkauf alleine könnte es in der Zukunft schwierig werden – je nachdem, wie es sich online weiterentwickelt. Deswegen haben wir das Screening hinzugefügt, als eine Leistung, die das Internet einfach nicht bieten kann, weil man die Geräte dafür braucht.“ Außerdem zeichne sich in Deutschland ein Trend ab, dass es immer weniger Augenärzte gebe. Gerade in den ländlichen Regionen seien sie hoffnungslos überfordert, sodass der Augenoptiker gut eine Kooperation mit einem lokalen Augenarzt eingehen könne. Louise berichtet weiter: „Darüber habe ich auch schon mit einigen Augenoptikern gesprochen. Sie könnten das Screening anbieten und den Kunden anschließend zum Augenarzt schicken. Auf der anderen Seite könnte der Augenarzt die Refraktion an den Augenoptiker abgeben. Es soll also keine Konkurrenzsituation entstehen, sondern eine Kooperation zwischen beiden Partnern.“ Ich würde die Geräte gerne ausprobieren, leider ist der Zeiss-Mitarbeiter aber mit anderen Besuchern beschäftigt. Weiter geht’s.
„Die meisten finden es ziemlich gut“
Letzte Station ist der Refraktionsraum. Er sollte, meint die Studentin, etwas abgegrenzt zum Verkaufsraum liegen, da die Refraktion sehr persönlich sei. Auch dieser Raum ist weiß, wirkt fast klinisch. Dort steht der elektronische Phoropter von Oculus mit dazugehöriger Fernbedienung, angeschlossen an einen Bildschirm, daneben eine Spaltlampe. „Die Fernbedienung ist eine wirkliche Hilfe. Man muss nicht mehr am Phoropter rumhantieren, wenn man viele Refraktionen macht. Die Fernbedienung zeigt auf einem integrierten Display das Gleiche an, was auf dem Bildschirm zu sehen ist“, demonstriert mir Louise. Sie zeigt mir auch die 3D-Refraktion, die sich insbesondere für die ganz jungen Kunden eignet. Ich erkenne ein gezeichnetes Schaf und eine Kuh – sieht witzig aus. Es sei auch möglich, eigene Bilder hochzuladen.
Zum Abschluss hab ich jetzt doch noch einige Fragen: „Wie kommt der Futureshop bei den Besuchern an?“ „Unterschiedlich. Die meisten finden ihn ziemlich gut. Aber es gibt immer ein paar, denen das mit der Technik nicht so passt.“ Ich sehe mich um: Besucher von Jung bis Alt, die gerade die virtuellen Spiegel und VR-Brillen ausprobieren oder das Design unter die Lupe nehmen. Hier können alle Ausstellungsstücke getestet werden – auch ohne Führung. „Der Name ist natürlich ein bisschen irreführend. Es ist ein Shop, wie er in der Zukunft sein könnte und nicht wie er ist“, erklärt mir Louise. Schade, denke ich mir, die Zukunft scheint ganz schön interessant zu sein. Und wie hat Louise die drei Tage persönlich empfunden? „Es ist sehr spannend und interessant, mit den unterschiedlichen Leuten zu reden. Man hat die alteingesessenen Augenoptiker, die sagen: ich habe meinen Phoropter, ich habe nur ab und zu mal Kunden, die wirklich etwas Neueres wollen. Und dann gibt es die Jungen, die vielleicht gerade erst einen Laden aufgemacht haben oder vielleicht eine Nachfolge antreten wollen, die wirklich sehr begeistert und interessiert sind.“ Ich sehe ihr an, dass ihr der Kontakt mit den Besuchern wirklich Spaß macht.
Podiumsdiskussion zum Thema Zukunft
Mich lässt das Thema Zukunft noch nicht los. Kurze Zeit später setze ich mich ins Opti-Forum. Dort steht das passende Thema „Future Store: Wie sieht der Brillenkauf der Zukunft aus?“ zur Diskussion. Gleich zu Beginn nimmt Moderatorin Petra Seinsche Stellung zum Geschäft von morgen: „Aus meiner Sicht ist der Futureshop kein Futureshop! Es gibt nichts Visionäres zu sehen, alle Geräte sind heute schon auf dem Markt und man könnte sich als Augenoptiker bereits jetzt ganz modern aufstellen.“ Das Forum ist sehr gut gefüllt und auch am Rand stehen viele Besucher und verfolgen die Diskussion. „Im Grunde genommen ist die digitale Revolution bereits in vollem Gange. Der Augenoptiker orientiert sich immer mehr an den Kundenbedürfnissen, weniger an neuen Geräten und Robotern. Diese Entwicklung sehen wir aber schon seit zehn Jahren“, sagt Jens Peter Klatt, Vize-Präsident Multichannel bei Mister Spex. Aus seiner Sicht haben sich die Kundenbedürfnisse in zwei Richtungen entwickelt: der Kunde will zum einen deutlich mehr Transparenz, zum anderen will er die Produkte über alle Vertriebskanäle bekommen.