Betriebliches Krisenmanagement während Corona
Wo Plastikvisiere anstelle einer herkömmlichen Maske getragen werden dürfen, entscheiden die einzelnen Bundesländer.
Die Anfragen an die Landesverbände zeigen, wie wichtig deren zeitnahe Reaktion auf die jeweiligen Landesverordnungen in Zusammenhang mit dem ersten Lockdown und den damit einhergehenden Bestimmungen war. Allgemein herrschte bei den Betrieben eine große Verunsicherung über einen Lockdown Mitte März 2020. So hatten unter anderem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Geschäftsstelle in Sachsen alle Hände voll zu tun, Informationen zeitnah und korrekt aufzubereiten. Die Schwierigkeit war hier vor allem, dass die neuen Regelungen freitags beschlossen wurden und montags umgesetzt sein sollten. Hier wurde bald auf Seiten der Politik nachgebessert und der Handlungszeitraum vergrößert.
Ein großes Fragezeichen, das augenoptische Betriebe deutschlandweit beschäftigte, enthielt die Frage nach der Systemrelevanz und den Öffnungsmöglichkeiten. Sachsen-Anhalt hatte hier Augenoptikbetriebe in seiner Verordnung aufgeführt. Sachsens Augenoptiker- und Optometristen Verband musste für diesen Eintrag intervenieren und sich beim Sozialministerium, unterstützt durch die Handwerkskammern, auf die Hinterbeine stellen. Mit Erfolg. Nach Klarstellungen wurden auch in Sachsen die Augenoptiker als systemrelevant aufgeführt. Weitere Gespräche und Einwände waren erforderlich, da zunächst nur für Reparaturen geöffnet werden durfte. Auch hier konnte erfolgreich interveniert und eine Öffnung schließlich für Beratung und Verkauf ermöglicht werden. Die verschiedenen Regeln in den einzelnen Bundesländern, in Kombination mit zwischenzeitlich unterschiedlichen Regelungen in den Landkreisen und Städten, sorgte für Verwirrung. Man musste jeweilige Ordnungsämter entsprechend informieren, weil auch Augenoptiker ihre Betriebe zum Teil schließen sollten.
Die Verbände versorgten ihre Mitglieder damals wie heute mit Informationen, vorwiegend auf dem elektronischen Weg, in zahlreichen Rund- und Sonderschreiben. Die Infos beliefen sich auf sämtliche pandemiebezogene Fragestellungen, abhängig von der aktuellen Situation. Das betraf Infos zu neuen Verordnungen, Kurzarbeit infolge geringer Kundenfrequenz, Hilfsprogrammen und Möglichkeiten, die angebotenen Hilfsmittel zu beantragen. Unsicherheiten gab es bei den Augenoptikbetrieben im Umgang mit den Ordnungsbehörden.
Betriebe hatten viele arbeitsrechtliche Fragen
Von Seiten der Verbände habe viel Öffentlichkeitsarbeit geleistet werden müssen, damit die Augenoptikbetriebe weiterhin ihrer gewohnten Arbeit nachgehen konnten. Ebenso für die zunächst verlangte Impfpriorisierung, die Verbände für Augenoptikerinnen und -Augenoptiker durchsetzen konnten. In einigen Städten wurden zentrale Impfanlaufstellen organisiert. Was das Fragenportfolio von Augenoptikbetrieben angeht, entfielen viele auf das Thema Arbeitsrecht. Die Kolleginnen und Kollegen informierten sich über geltende Dokumentationspflichten von Kundendaten, Folgen von Kündigungen und Aufhebungsverträgen, sowie der Urlaubsberechnung während der Kurzarbeit. Unklar war auch das Vorgehen bei Erkrankung von Mitarbeiterinnen oder deren Angehörigen. Hier stellten sich Fragen zum Vorgehen bei angeordneter Quarantäne der Mitarbeiter und der Erstattung von Gehältern nach dem Infektionsschutzgesetz unter Berücksichtigung des Landesrechts. Ein weiterer großer Fragenkatalog betraf die Corona-Schutzverordnung der Länder in puncto Arbeitsschutzmaßnahmen. Hier herrschte besonderer Aufklärungsbedarf im Umgang mit schwangeren Mitarbeiterinnen und der korrekten Umsetzung von betrieblichen Hygienevorschriften.
Unsicherheiten über Impfungen der Mitarbeiter
In einigen Fällen musste geschlichtet werden, wenn unter den Mitarbeiterinnen zum Beispiel Meinungsverschiedenheiten über die Hygienemaßnahmen herrschten. Die Problematik hätte sich um den Umgang mit ungeimpften Mitarbeitern oder Vorgesetzten erweitert und einige haben sich nach arbeitsrechtlichen Konsequenzen informiert. Diese Situation stufen die Verbände als schwierig ein, insbesondere im Hinblick auf den nach wie vor bestehenden erheblichen Arbeitskräftemangel und der schwierigen Suche nach neuen Mitarbeiterinnen.
Das Weiterführen des Betriebs während der Pandemie sei für alle Betriebe eine erhebliche Herausforderung. Einerseits seien viele froh, öffnen zu dürfen, andererseits erforderte es sehr viel Aufwand, die Gefahrensituation der pandemischen Lage beinahe täglich neu zu bewerten und entsprechend zu reagieren. Einige Betriebe hätten am Anfang der Pandemie zeitweise geschlossen, die meisten Geschäfte hätten aber innerhalb ihrer Mitarbeiterschaft Teams gebildet, um im Fall etwaiger Infektionen eine Schließung zu vermeiden.
Soziale Herausforderungen bestünden im Umgang mit Ängsten von Mitarbeitern. Zum Beispiel hinsichtlich ausreichender Hygienemaßnahmen während der Arbeit. Die Betriebe waren angehalten, sich mit erweiterten Gefährdungsbeurteilungen zu beschäftigen. Teilweise waren sie seitens der Bezirksregierungen gezwungen, allen schwangeren Mitarbeiterinnen ein betriebliches Beschäftigungsverbot aufzuerlegen oder mussten ihre Mitarbeiter über deren Impfstatus kontrollieren. Alle diese Dinge fanden neben und zusätzlich zum täglichen Geschäftsbetrieb statt. Dennoch ist Optimismus geblieben. Augenoptikerinnen entdeckten verstärkt die digitale Terminvergabe und der Großteil habe diese Praxis auch beibehalten. Betriebe, die ihren Ruhestand in zwei oder drei Jahren einleiten wollten, hätten die ohnehin beabsichtigte Schließung häufig vorgezogen. Dem Mitteldeutschen Augenoptik- und Optometristen Verband ist nur ein Fall bekannt, in dem ein Betrieb in Sachsen-Anhalt zeitweise coronabedingt schließen musste. Die Schließung wurde angeordnet, weil hier die gesamte Ortschaft in Quarantäne geschickt wurde. In einem solchen Fall greife das Infektionsschutzgesetz. Dann müssen die Betriebe bei den jeweils zuständigen Landesbehörden einen Antrag auf Erstattung des gezahlten Arbeitsentgeltes stellen, das sie zuvor verauslagt haben.
Aus vergangenen Krisen gelernt
Es sei zu spüren wie in anderen Branchen vermutlich auch, dass viele Kollegen durch die ständig neuen Verordnungen, Vorschriften und die relativ kurze Verweildauer einzelner Verordnungen nervlich angespannt sind. Beim Umgang mit der Pandemie sei deutlich geworden, dass Handwerkskammern, die schon krisenerprobt waren (zum Beispiel durch die Hochwasserkatastrophen 2002 und 2013) extrem schnell und professionell reagierten. Online-Seminare zum Kurzarbeitergeld hätten sie sofort im Angebot gehabt, ebenso einen Telefonservice für die Belange der Betriebe. Hier habe sich zum Beispiel die Geschäftsstelle in Dresden mit anderen Gesundheitshandwerken und der ansässigen Kreishandwerkerschaft regelmäßig abgestimmt und sich gemeinsam an die Handwerkskammer und die Ministerien gewandt.
Wenn ein Augenoptikbetrieb in Not ist, gebe es nach wie vor Unterstützung. Dafür hätten sowohl der Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen (ZVA) als auch die Landesverbände und Innungen alle wirtschaftlich möglichen Hilfen zusammengetragen. Die AOS Unternehmensberatung berate Betriebe nicht nur in deren Nachfolgerfragen, sondern auch in Notlagen.
Die Branche, so das Fazit, sei wirtschaftlich mit einem „blauen Auge“ davongekommen, das zeigten die aktuellen Branchendaten. Innungsmitglieder haben auch zukünftig jederzeit die Möglichkeit, sich mit dem Wunsch nach Unterstützung an die Innungen zu wenden.