Corona-Konjunkturpaket: Was heißt das für die Augenoptik?

Geldbeutel
130 Millionen Euro umfasst das Konjunkturpaket der Regierung.
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130 Milliarden Euro schwer ist das Konjunkturpaket, das die Bundesregierung am 3. Juni auf den Weg gebracht hat. „Corona-Folgen bekämpfen, Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken“ steht über dem offiziellen Schreiben. Doch welche konkrete Wirkung, welche Folgen und Auswirkungen hat der Beschluss des Koalitionsausschusses auf die Augenoptik?

Zentraler Punkt und mit einem Finanzbedarf von rund 20 Milliarden Euro größter Posten ist die Senkung des Mehrwertsteuersatzes von 19 auf 16 Prozent bzw. von 7 auf 5 Prozent – befristet auf den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2020. Doch so gut die Nachrichten auf den ersten Blick für den Verbraucher auch klingen mögen, auf Seiten des Augenoptikers stellen sich zugleich zahlreiche Fragen. Erster Punkt wäre die Umstellung der Branchensoftware auf die neuen Sätze. Diese in der Software zu hinterlegen, sagt Jochen Hirschfelder, Geschäftsführer der EDV-Optik-Partner GmbH (OPA), sei das kleinste Problem und mit einem Update und wenigen Klicks getan.

Doch damit nicht genug. Auch die Fassungen und alle weiteren Artikel müssen, wenn der Vorteil, wie von der Bundesregierung gewünscht, an den Verbraucher weitergegeben werden soll, mit den neuen Preisen ausgestattet werden – und das quasi über Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli. Nicht nur für die die Augenoptiker, die alle Fassungen separat und sichtbar mit Preisen ausstatten, ein extremer Aufwand, der zudem mit einigen Kosten verbunden ist. Denn auch im System müssen für das Lager die Brutto-Preise entsprechend angepasst werden. Und nach sechs Monaten dann gleich wieder die Rolle rückwärts.

Zudem, auch die Gefahr besteht mitunter: Der eine oder andere Pfennigfuchser unter den Verbrauchern könnte mit Investitionen den Juni abwarten und erst im Juli im Geschäft aufschlagen – und das nachdem laut aktuellen Branchenzahlen von Euronet gerade erst wieder das Umsatzniveau des Vorjahres erreicht war. 

3 Prozent Rabatt statt Umetikettierung?

Eine sinnvollere Alternative zur kompletten Umetikettierung sieht Jochen Hirschfelder darin, dem Kunden an der Kasse einen Rabatt von 3 Prozent zu gewähren – auch wenn sich dadurch die Marge für den Augenoptiker um rund 0,5 Prozent verringert. Doch so sei zumindest die Weitergabe der Mehrwertsteuersenkung in Richtung des Kunden in der Kommunikation gesichert und auch für den Augenoptiker reduziere sich der Aufwand im Vorfeld zumindest ein wenig. 

Letzter großer Punkt sei zudem die Datev-Schnittstelle. „Für die zweite Jahreshälfte braucht es für jede Warengruppe ein zweites Buchhaltungskonto mit dem veränderten Steuersatz von 16 Prozent. Insgesamt also wird der Arbeitsaufwand für alle Seiten riesig. Auch wenn angesichts der kurzen Frist ein Kraftakt nötig ist, werden wir die Umstellung rechtzeitig realisieren und unsere Anwender unterstützen“, so Hirschfelder. Die Politik habe an dieser Stelle vielleicht nicht zu Ende gedacht. Nicht auszuschließen also, dass (nicht nur in der Augenoptik) der Mehrwertsteuervorteil aufgrund des enormen Aufwands gar nicht beim Kunden ankommt, sondern dem Unternehmer ein Plus in die Kasse spült – wobei dieses Plus zumindest zum Teil später auf dem Konto des Steuerberaters landen wird, da sich beim ihm der Arbeitsaufwand deutlich erhöhen wird. Öffentlich sagen wird dies sicherlich niemand, in der Praxis und hinter vorgehaltener Hand aber könnte solch ein Szenario durchaus Realität werden. Ob sich der Aufwand gerade beim Tradi also wirklich lohnt, wird wohl erst unter dem Strich Anfang kommenden Jahres zu bewerten sein.

Sozialgarantie 2021, EEG-Umlage und Kinderbonus

Allerdings beinhaltete das Konjunkturpaket noch viele weitere Bausteine, die sich positiv auf das Ergebnis 2020 auswirken könnten. Auf der Seite der Sozialversicherung sollen im Rahmen einer „Sozialgarantie 2021“ die Sozialversicherungsbeiträge bei maximal 40 Prozent stabilisiert werden – zum Schutz der Nettoeinkommen der Angestellten und zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitgeber. 

Entlastung soll auch die schrittweise Senkung der EEG-Umlage bringen. Punkte, die auch der Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen (ZVA) positiv sieht. „Maßnahmen wie die befristete Senkung der Mehrwertsteuer und die Zahlung des einmaligen Kinderbonus, aber auch die Absenkung der EEG-Umlage, zielen auf eine Belebung der Binnennachfrage ab. Denn das für den Konsum zur Verfügung stehende Haushaltseinkommen nimmt zu. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die Verbraucher den Spielraum tatsächlich auch nutzen, um die Konjunktur anzukurbeln oder ob Rücklagen etwa aus Angst vor Arbeitslosigkeit oder vor einer zweiten Infektionswelle gebildet werden“, sagt ZVA-Geschäftsführer Jan Wetzel auf DOZ-Anfrage und ergänzt: „Als Arbeitgeberverband begrüßen wir schließlich die ,Sozialgarantie 2021‘. Denn bei starkem Umsatzrückgang darf sich die Arbeit nicht verteuern.“

Prämie zur Aufrechterhaltung des Ausbildungsangebots

Neben diesen Punkten, die sicherlich den einen oder anderen Augenoptiker betreffen, hat es auch das Thema Ausbildung ins Konjunkturpaket geschafft. Und das ist gerade in der Augenoptik mit weiter anhaltendem Fachkräftemangel ein wichtiges Signal der Regierung. So erhalten kleine und mittelständische Augenoptiker, die ihr Ausbildungsangebot 2020 im Vergleich zu den drei Vorjahren nicht verringern, für jeden neu geschlossenen Ausbildungsvertrag eine einmalige Prämie in Höhe von 2.000 Euro, die nach Ende der Probezeit ausgezahlt wird. Augenoptiker, die das Angebot an Ausbildungsplätzen sogar erhöhen, erhalten für jeden zusätzlichen Ausbildungsvertrag sogar 3.000 Euro. Auch für Wetzel ein gutes Zeichen, der aber auch zu Bedenken gibt: „Angesichts des Umstandes, dass die Ausbildungsquote in der Augenoptik in den letzten Jahren schon Höchstwerte erreicht hat, ist bereits der Erhalt des Ausbildungsangebotes eine große Herausforderung für jeden Ausbildungsbetrieb. Aber möglicherweise motiviert die Prämie Betriebe, die zuletzt niemanden ausgebildet haben.“

Was bleibt also? Das Konjunkturpaket beinhaltet für viele Unternehmen - auch in der Augenoptik - zahlreiche sinnvolle Punkte, die sich positiv auf das Ergebnis 2020 auswirken werden. Ob die Senkung der Mehrwertsteuer mit allen beschriebenen Umstellungen allerdings dazugehören wird, bleibt abzuwarten.