DOZ-Umfrage: Nachhaltigkeit besser kommunizieren
Nicht erst seit Corona ist klar, dass sich das Verbraucherverhalten dauerhaft verändern muss. Denn die Krise bietet die einmalige Chance, die aktuellen Geschäftsmodelle zu überdenken und den wirtschaftlichen Neuanfang nachhaltiger und zukunftsfähiger zu gestalten. Die Müllberge wachsen und eine Wegwerfgesellschaft und die damit verbundene Ressourcenverschwendung ist keine Lösung für die Wirtschaft der Zukunft. Daher stellt sich die Frage, wie nachhaltig die Augenoptik-Branche schon heute arbeitet und welche Potenziale unausgeschöpft sind.
Nachhaltigkeit gewinnt in den Betrieben immer mehr an Bedeutung. Das ergab eine - nicht repräsentative - Umfrage zum Thema "Nachhaltigkeit in der Augenoptik" der DOZ, an der 100 Personen teilgenommen haben. Die Ergebnisse sprechen für sich: mit der Nachhaltigkeit beschäftigt sich jeder (ein bisschen). Noch mehr zum Thema "Nachhaltigkeit: Gut für die Umwelt" finden Sie in der kommenden DOZ 07|2020, die am 29. Juni erscheint.
Nachhaltigkeit bedeutet für jeden etwas anderes – „zuerst ist es eine Frage der Einstellung, dann eine der einzelnen Schritte“, sagt ein Teilnehmer. Daher stand diese Frage ganz vorn (Mehrfachnennung möglich). Für 75 Teilnehmer zählt dazu der Kauf regional hergestellter Produkte, rund 27 Prozent sind bereit, höhere Preise für umweltfreundliche Produkte zu bezahlen. 55 Teilnehmer boykottieren Produkte von Firmen, die sich nachweislich umweltschädigend verhalten. Ganze drei Teilnehmer haben sich noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt. Doch auch Müllvermeidung, Langlebigkeit der Produkte, Autoverzicht und ehrenamtliches Engagement gehört für die Befragten zum nachhaltigen Handeln dazu.
Nachhaltige Brillen
Bei den Werkstoffen zur nachhaltigen Brillenherstellung interessieren sich vielle der Befragten für Brillen aus Plastikflaschen (58), gefolgt von Holz (41), Bambus (35) und Horn (31). Insgesamt 27 Teilnehmer interessieren sich auch für Brillen aus dem Öl der Rizinuspflanze. Als weitere Werkstoffe wurden Baumwolle, Acetat, Titan und Papier genannt.
Der häufigste Grund, der den Kauf nachhaltigen Brillen hindert (Mehrfachnennung möglich), sind laut den Befragten fehlende Produktalternativen (53) und das fehlende Wissen (41), wer solche Brillen herstellt. „Es gibt zu wenig Angebote, die wirklich nachhaltig sind. Marketing und Realität unterscheiden sich leider immer noch zu stark“, erklärt ein Teilnehmer. Neben der fehlenden Marktakzeptanz in der breiten Masse am Markt hinsichtlich des Preises ist auch das Nachfrageverhalten der Kunden nach bekannten Markenprodukten ungebrochen. Ein Teilnehmer schrieb, dass Nachhaltigkeit vom Material her egal sei, denn es käme viel mehr auf die Reparierfähigkeit und die Ersatzteilverfügbarkeit an.
Ein papierminimiertes Büro?
Papierloses Büro: Wie kann man digitaler arbeiten? Einige Teilnehmer schrieben, dass sie gerade mitten in der Umstellungsphase seien. „Leider verhindern viele Hersteller, dass man vernünftig digital arbeiten kann!“, schimpft ein Teilnehmer. Als Gründe führt er unter anderem die zugeschickten Papierrechnungen, schlechte Onlinekataloge (teilweise keine Ansichten ohne Einkaufspreis) und eine unaufgeforderte Zusendung von Katalogen seitens der Hersteller. Fast 25 Prozent drucken "nur wichtige Dinge aus" (Mehrfachnennung möglich)und fast 24 Prozent nutzen Papier für schnelle Notizen – wobei das meist die Rückseite irgendwelcher bereits bedruckter Seiten sei.
Neben der Digitalisierung interessieren sich viele der Befragten für regionale Produktion. Für 79 Teilnehmer bedeutet eine regionale Produktion, dass die Wirtschaft in der produzierenden Region gestärkt wird (Mehrfachnennung möglich) und 65 sehen darin klimaschonendes Einkaufen durch kurze Transportwege sowie die Herstellung und Verarbeitung der Produkte in Deutschland. Fast 12 Prozent ist der persönliche Kontakt zur Firma wichtig. Ein Teilnehmer mahnt kritisch an: „Die Transparenz der Wertschöpfungskette ist die Voraussetzung für Nachhaltigkeit – denn auch in Deutschland können Materialien oder Teile aus bedenklichen Quellen verarbeitet werden!“
Klares langfristiges Ziel für die Augenoptik
Eine nachhaltige Entwicklung setzt immer ein Ziel voraus. Nach den Befragten sollte die Produktion in Europa sowie insbesondere in der Heimat gefördert und bevorzugt genutzt werden. Weiterhin sollten „chinesischer Massenbilligware (boykottiert werden), um lange Transportwege zu vermeiden“ sowie keine Produkte von Firmen wie "Luxottica (viel Produktion in Fernost)" anbieten. Das Bewusstsein beim Kunden für Nachhaltigkeit, Qualität und handwerkliche Fähigkeiten sollte nach den Befragten (wieder) hergestellt, kommuniziert und verschärft werden, „statt mit günstigen Produkten als Lockmittel zu werben und Rabattschlachten machen“. Weiterer Kritikpunkt sind die vielen, teils doppelten, Verpackungen. Ein Teilnehmer der Umfrage spricht es deutlich aus: „Brillen werden oft in Plastiktüten gepackt, das Etui ebenfalls in Plastik und manchmal sogar das Putztuch. Das ist völlig unnötig. Bei den Kontaktlinsenherstellern werden Unmengen von Handhabungshinweisen mitgeschickt, die wir einfach nur entsorgen. Bei diesen Dingen sollte Nachhaltigkeit anfangen!“
Ersatzteile ist ein weiterer Brennpunkt: Oft seien diese beim Hersteller nicht lang genug erhältlich, beklagen sich die Teilnehmer. Eine Brillenreparatur vor Ort sei daher nicht immer möglich. „Generell sollten alle Branchen eine Wiederverwendung einführen, z.B. Scharniere am Mittelteil oder der Bügel, sowie Kleinstteile wie Schrauben usw.“ Viele der Befragten führen die Langlebigkeit der Fassungsmaterialien und eine höhere Wiederverglasungsrate als Punkte für Nachhaltigkeit an. Man brauche eine „CO2-neutrale, auf Recycling und Wiederverwendung orientierte Produktion - gerade bei Fassungen! Und wir brauchen ökofreundliche Rezeptgläser“. Apropos Gläser: mineralische Gläser werden als die umweltfreundlichere Alternative angesehen. Sie sollten daher in größerer Auswahl angeboten werden und nicht noch weiter in der Tiefe versinken. Wenn Kunststoffgläser weiter genutzt werden, muss die „Herstellung von Blanks und Lagergläsern in Entwicklungsländern umweltfreundlicher werden und die Umweltstandards von Europa sollten beim Import der Lagergläser gelten“, fordert ein Teilnehmer.
Der richtige Umgang mit dem Schleifschlamm ist ein weiteres Problem: Beim Schleifen entsteht Schleifschlamm, in dem Mikro- und Nanoplastik zuhauf finden lässt. „Nicht alle Betriebe, die noch selber schleifen, entsorgen die Abfälle richtig. Manch einer ist versucht, den Schlamm einfach ins Klo oder den Gully draußen auf der Straße zu kippen. Dabei können unsere Kläranlagen die kleinen Partikel nicht filtern!“, erklärt ein Teilnehmer. Es brauche innovative Lösungen beim Schleifen, für den Glasabfall, die Ressourcen, für Wasser- und Energieverbrauch. Damit ließen sich die Schleifpartikel reduzieren und die benötigte Energie kann aus erneuerbarer Erzeugung (Wind, Wasser, Sonne) gewonnen werden.
Was kann ich heute schon verbessern?
Viele Teilnehmer wünschen sich Kommunikation zum Thema Nachhaltigkeit – seien es transparente Lieferketten und Produktionsprozessen oder die Müllvermeidung in allen Bereichen. Gerade hier könne nach Ansicht der Teilnehmer sofort angesetzt werden:
- Wiederverwendbare Verpackungen/Boxen,
- weniger Plastik,
- vollständiger Verzicht auf gedruckte Preislisten,
- nicht jede Kontaktlinse einzeln verschicken,
- digitale Lieferscheine,
- weniger Verpackungsmaterial,
- keine Kataloge oder (unbestellte) Plakatwerbung zuschicken,
- weniger Plastikkarten,
- Sammelrechnungen am Ende eines jeden Monats oder
- jede Gutschrift per Brief zuschicken.
Auch ein Sammelversand, dessen Intervall variabel vom Kunden bestimmbar ist, weniger billige Mikrofasertücher in Plastik verpackt und weniger Etuis können zu einer grüneren Welt beitragen, so die Teilnehmer.
„Auf alle Fälle sollte der Fachhandel mit ins Boot genommen werden, da hier der Kundenkontakt am intensivsten ist“, merkt ein Teilnehmer an. Die aktuellen Arbeitsabläufe können heute schon auf Energieeffizienz und Nachhaltigkeit überprüft werden und man könne weniger Plastik sowie Schadstoffe einsetzen. „Die Hersteller, Importeure und Handel haben die Möglichkeiten, auf Produktionsbedingungen Einfluss zu nehmen. Ihnen kommt eine besondere Verantwortung für die Wertschöpfungskette zu, die sich auch im Angebot und der Preisgestaltung manifestiert sollte. Der Handel kann hierbei als Mittler zwischen Hersteller und Konsument zudem in beide Richtungen auf möglichst nachhaltig produzierte und zu nutzende Güter hinwirken“, lautet das Fazit eines weiteren Teilnehmers.
Die wesentlichen Hebel für einen ökologischen Fußabdruck lassen sich in vier Worte zusammenfassen: Energie, Wasser, Transport und Kunststoffeinsatz. „Langfristig können auch neue Technologien wie 3D-Druck sein. Wir brauchen einen Schulterschluss, um Nachhaltigkeit bis hin zum Verbraucher zu haben.“
"Machen statt Reden!"
Ein Teilnehmer schrieb, er habe Nachhaltigkeitsaspekte beim Brillen- und Kontaktlinsenkauf für seine Kunden zusammengeschrieben. Sein Rückschluss ist interessant: „Das Thema Nachhaltigkeit ist bei Brillen und Kontaktlinsen (wegen der vergleichsweisen geringen Menge) ein weitaus weniger dringendes als bei Themen wie Verkehr, Internet, Energie und Nahrung. Trotzdem sollten wir uns damit beschäftigen!“ Ein Teilnehmer ergänzt: „Andere Branchen sind da schon deutlich weiter. Unsere Branche befasst sich lieber mit Abmahnungen und anderen Scheingefechten.“
„Es gibt nicht das eine klare Ziel. Nachhaltigkeit besteht in erster Linie aus vielen ‚kleinen‘ Alltagsentscheidungen“, bringt es ein Teilnehmer auf den Punkt. „Das Image der Nachhaltigkeit muss sich ändern. Marktintern und für den Verbraucher, jede Möglichkeit muss ausschöpft werden. Machen statt reden!“ Nachhaltigkeit und branchenspezifische Lösungen sollten im Lehrplan der Aus- und Weiterbildung stärker gewichtet werden, ebenso könne man Hersteller in die Pflicht nehmen, sich um die Nachhaltigkeit zu kümmern. Klare Bestimmungen und praktikable Lösungen für den Umgang zum Thema (Einkaufskriterien zur Nachhaltigkeit, Qualität, Regionalität, Transport und Verpackung) sowie ein einheitliches Label/Gütesiegel (hoher Standard, regelmäßig kontrolliert, vertrauenswürdig und nicht käuflich) für nachhaltige Hersteller sind die Punkte – eben Qualität statt Quantität.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Nachhaltigkeit in der Branche an Bedeutung gewinnt. Das Thema Nachhaltigkeit wird in der heutigen Zeit immer populärer und auch wichtiger. An dieser Stelle nochmal herzlichen Dank für die rege Teilnahme an der DOZ-Umfrage. Die von den Befragten oft gewünschte bessere Kommunikation ließe sich z.B. über eine enge Zusammenarbeit zwischen den Herstellern und den einzelnen Augenoptikern realisieren. Auch in Zukunft wird das nachhaltige Handeln und ressourcenschonende Herstellen von Gebrauchsgüter die Gesellschaft beschäftigen. Das Potenzial ist schließlich da.