Mario Rehnert, Geschäftsführer von Nosch Contactlinsen in Freiburg im Breisgau und zudem beim Kontaktlinsenhersteller Hecht im Bereich Anwendungstechnik & Marketing tätig, blickt auf die zurückliegende Umstellung aus zwei Perspektiven. „Einerseits haben wir von Hecht ein anwendungsspezifisches Pflegemittelportfolio, das vom Cooper-Rückzug teilweise betroffen war. Hier konnten wir relativ schnell guten Ersatz finden. Andererseits stehe ich als Geschäftsführer von Nosch Contactlinsen in der Pflicht, meinen Endkunden die bestmögliche Betreuung zu bieten. Wir beraten immer gezielt, das heißt der Kunde soll das nach unserer Auffassung geeignetste Pflegemittel bekommen. Unser Portfolio ist daher überschaubar und wohl ausgewählt. Wenn ein Pflegemittel nicht verfügbar ist oder (von uns) aussortiert wird, gibt es meist adäquaten Ersatz.“
Kontaktlinsen und Pflegemittel aus einer Hand - wichtig?
Bei Optik Tannek in Dachau hatte die Entscheidung von CooperVision hingegen kaum Einfluss aufs Tagesgeschäft, wie Sabine Mooseder, Augenoptikermeisterin und Leiterin der dortigen Kontaktlinsenabteilung, erzählt. „Wir haben uns von Anfang an keine Sorgen um unsere Kunden gemacht, da das Angebot unter anderem an Private-Label-Pflegemitteln bei uns im Haus vorhanden war.“
Rund 40 Prozent der Kontaktlinsenkunden von CooperVision bezogen laut Unternehmen auch die Pflegemittel von dort. Wie attraktiv ist es für Verbraucher, beides aus einer Hand zu bekommen? Anders gefragt: Stellt es für Augenoptiker eine Hürde dar, Kundinnen Kontaktlinsen zu empfehlen, wenn der Hersteller keine dazu passenden Pflegemittel anbietet? Sabine Mooseder verneint. „Für unsere Kunden spielt es seit jeher kaum eine Rolle, ob Kontaktlinsen und Pflegemittel von einem Hersteller stammen. Unsere Stammkunden, aber auch Neukunden, haben großes Vertrauen in unsere Fachkompetenz und langjährige Kontaktlinsenerfahrung. Daher spielt die Lieferanten- Empfehlung direkt beim Kunden kaum eine Rolle.“ Ähnlich äußert sich Mario Rehnert: „Wir empfehlen keine Hersteller, sondern je nach Anwendung das nach unserer Auffassung richtige Produkt. Das gilt für Linsen wie für Pflegemittel.“
Rückzugsentscheidung hat sich positiv ausgewirkt
Während sich die Abnehmer der Pflegemittel von CooperVision auf die veränderte Liefersituation somit weitgehend problemlos einstellen konnten, scheint das Unternehmen selbst mit der Entscheidung von 2022 immer noch zufrieden zu sein. „Für uns hat sich die Entscheidung, uns aus dem Pflegemittelmarkt zurückzuziehen, positiv ausgewirkt. Seither konzentrieren wir uns voll auf unser Kernproduktportfolio Kontaktlinsen“, resümiert Katrin Fougeray und ergänzt: „Der Rückzug hat uns die Möglichkeit gegeben, in zukünftige Innovationen, weitere Produktionskapazitäten und in eine langfristig positive Unternehmensentwicklung zu investieren. So konzentrieren wir uns derzeit sehr stark auf das Thema Myopie-Management, das für uns ein wichtiges strategisches Zukunftsfeld darstellt.“ Darüber hinaus liege ein großes Augenmerk auf dem Singles-Portfolio, das für CooperVision ein massives Wachstumsfeld deutlich vor den Monatskontaktlinsen darstelle. Denn langfristig gehe der Trend eindeutig zur Einmalkontaktlinse, auch für das Vollzeittragen. Fougeray: „Im Jahr des Rückzugs konnten wir unseren Umsatz sogar steigern und Marktanteile ausbauen. Dies verdanken wir vor allem der rasanten Entwicklung unserer MiSight-1-day-Einmalkontaktlinsen.“
Tatsächlich werden weiche Tageslinsen seit einigen Jahren deutlich mehr nachgefragt. Betrug ihr Anteil am Gesamtumsatz aller Kontaktlinsen 2020 noch 30,8 Prozent, so waren es 2022 bereits 35,1 Prozent (Quelle: GfK). Auswirkungen hat dieser Zuwachs auf den Kontaktlinsenmarkt insgesamt: Je mehr Fehlsichtige Tageslinsen tragen, desto weniger Kontaktlinsenpflegemittel werden auf dem Markt benötigt.
Auswirkungen auf die Belegschaft
Bleibt die Frage, welche Auswirkungen die Aufgabe der Pflegemittel-Sparte bei CooperVision auf die Belegschaft hatte. „Intern waren wir in der DACH-Region von den Auswirkungen kaum betroffen. Für einen bei uns betroffenen Mitarbeiter wurde schnell eine Lösung gefunden“, berichtet Katrin Fougeray. „Die Abwicklung erfolgte vor allem auf europäischer Ebene, wobei auch hier mit den betroffenen Mitarbeitenden intensive Gespräche geführt wurden, um individuelle Lösungen zu finden.“ Alle Pflegemittel wurden allerdings im unternehmenseigenen Werk in Ashford (England) hergestellt. Inwieweit es hier zu Entlassungen gekommen ist, teilte CooperVision nicht mit.
„Wir können keinen Imageschaden bei Cooper- Vision-Kontaktlinsen seit der Auslistung der Pflegemittel beobachten“, bemerkt Gerhard Langseder von Brillen-Profi. Ähnliches ist von anderen Branchenteilnehmern zu hören. Und für die Wettbewerber brachte die Umstellung im besten Fall Vorteile. Sowohl Jan Thore Föhrenbach, neuer Cluster Franchise Head für Vision Care bei Alcon DACH, als auch Ellen Fries, Head of Marketing & Professional Service bei Menicon, berichten von einer steigenden Nachfrage nach Kontaktlinsen-Pflegeprodukten.
Ende gut, alles gut? Womöglich
Das Gedächtnis der Branche ist kurz, Marktverschiebungen hat es immer gegeben, oder wie es Dr. Arno Böckling zusammenfasst: „Im Zuge der Internationalisierung von Unternehmen oder durch Übernahmen oder Wechsel der Geschäftspolitik haben wir seit vielen Jahren immer wieder Veränderungen erlebt. Bei über 600 Anbietern im Hersteller- und Lieferantenbereich gibt es ausreichend Alternativen. Dies zeigt sich auch eindeutig im Portfolio unserer Mitglieder, denn durch die Vielfalt im Angebotsspektrum kann sich jeder Optiker seine Lieferanten aussuchen und seine eigene Marktposition bestimmen.“
Auch die Verbraucherinnen haben Veränderungen auf dem Angebotsmarkt in den letzten Jahren vermehrt wahrgenommen – nicht nur in der Augenoptik – und sich längst darauf eingestellt. Sie sind flexibler geworden, wenn es darum geht, Produkte, Marken und Anbieter zu wechseln. Und was treibt sie dabei vor allem an? Die Augenoptikermeisterin Sabine Mooseder bringt es (nicht nur) für den Bereich der Kontaktlinse richtig auf den Punkt: „Wie in vielen Bereichen spielt das Preis-Leistungs-Verhältnis für den Kunden nach wie vor die größte Rolle.“