Geschlossene Lücken und keine Verlierer

Eineinhalb Jahre ohne Pflegemittel von CooperVision

Als sich Kontaktlinsenhersteller CooperVision im Oktober 2022 komplett aus dem Pflegemittelgeschäft zurückzog, ließ das die Branche schon vorab aufhorchen (siehe DOZ 7/2022). Immerhin hatten die Eppertshausener in diesem Segment bis dato einen kolportierten Marktanteil von rund 25 Prozent. Wie sieht die Situation eineinhalb Jahre später aus? Hat sich der Markt verändert, hat das Image von CooperVision gelitten? Wie stemmten Augenoptikerinnen und Augenoptiker die Umstellung? Die DOZ hat sich umgehört.
Kontaktlinsen Flüssigkeit

Am 1. November 2022 hat CooperVision sämtliche Kontaktlinsen-Pflegeprodukte aus dem eigenen Webshop entfernt.

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Erstveröffentlicht in der DOZ 05I24

Nachdem CooperVision 2017 und erneut im März 2022 Kontaktlinsenpflegemittel aufgrund von Qualitätstests vom Markt nehmen musste, entschloss sich das Unternehmen zu einem harten Schnitt, und zwar zu einer kompletten Aufgabe der durchaus lukrativen Produktsparte (2022 betrug der Gesamtumsatz mit Kontaktlinsenpflegemittel in Deutschland 117 Mio. Euro, Quelle: GfK). Der Anspruch, im Pflegemittel segment ein vollumfängliches Portfolio zu bieten, war nicht mehr haltbar, so begründete Johannes Zupfer, Geschäftsführer von CooperVision DACH, damals den Schritt (siehe DOZ 8/2022), der viele in der Branche überrascht hat.

Der 1. November 2022 war dann der Stichtag. Zu diesem Datum hatte CooperVision sämtliche Kontaktlinsen- Pflegeprodukte aus dem eigenen Webshop entfernt. Bestellungen waren ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Bisherige Abnehmer mussten jetzt auf ihre Lagerbestände zurückgreifen und vor allem nach anderen Versorgungswegen Ausschau halten.

Intern hatte man bei CooperVision intensiv darüber nachgedacht, ob man Partneroptikern und Partneroptikerinnen bei der Suche nach alternativen Lieferanten behilflich sein sollte, sich jedoch dagegen entschieden, wie Katrin Fougeray, bei CooperVision für Marketing Communication & PR zuständig, erläutert: „Jeder unserer Kunden hat individuelle Bedürfnisse, daher gibt es keine universelle Lösung.“ Stattdessen schickte das Unternehmen seinen Kundinnen und Kunden lediglich ein Informationsschreiben mit einer allerdings ausführlichen Begründung, warum der Verkauf der Pflegemittel eingestellt wurde. Besonders Private- Label-Kunden standen in der Folge vor großen Herausforderungen, allen voran Einkaufsgemeinschaften, bei denen CooperVision wichtiger oder gar wichtigster Hauptlieferant von Pflegemitteln gewesen ist.

Herausforderung für Einkaufsgruppen

„Natürlich hat uns im Jahr 2022 die Nachricht überrascht und vor eine Herausforderung gestellt“, gesteht Gerhard Langseder, Geschäftsführer der Einkaufsgruppe Brillen-Profi. „Da wir jedoch seit vielen Jahren zu anderen namhaften Herstellern im Rahmen unserer Exklusivmarke eye² sehr gute Partnerschaften pflegen, konnten wir unser Portfolio in kürzester Zeit mit Alternativprodukten auffüllen – und sogar noch erweitern. In Avizor ist ein neuer, sehr guter Lieferant in diesem Jahr dazugekommen.“

Im Zuge der Umstellung ergab sich jedoch eine weitere Baustelle, wie Langseder berichtet. „Eine größere Herausforderung war, dass gleichzeitig die Belieferung an Verbraucher, also durch unser KL-Belieferungssystem („like my eyes“ bzw. „myeye²“), nicht mehr möglich war. Wir haben deshalb alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer in unserer Gruppe auf ,elina‘ (Alcon; Anm. d. Red.) umstellen müssen, was jede Menge Schulungen aufgrund der neuen Software zur Folge hatte. Das war nicht einfach, ist uns aber gelungen.“

Kompensationsmöglichkeiten geschaffen

Auch bei der Einkaufsgemeinschaft Optic Society, konnte man gut mit der veränderten Situation umgehen, wie Dr. Arno Böckling, Director of Corporate Operations, erklärt. „Optic Society und EGS- Optik gehören zum weltweiten Verbund von Cecop, wodurch wir immer Kompensationsmöglichkeiten haben.“ (Mehr zu Cecop lesen Sie in DOZ 04/2024 ab Seite 8 oder online hier.) Der Wegfall des Lieferanten führte hier zu einem strategischen Umdenken: „Zurzeit führen wir das Eigenlabel Prima Lens ein. Die Produktpalette darin ist generiert durch verschiedene Hersteller. Somit sind wir in Zukunft bei ähnlichen Situationen relativ autark und können Pflegemittel problemlos ersetzen bzw. austauschen, da für den Verbraucher die Marke bestehen bleibt.”

Mario Rehnert, Geschäftsführer von Nosch Contactlinsen in Freiburg im Breisgau und zudem beim Kontaktlinsenhersteller Hecht im Bereich Anwendungstechnik & Marketing tätig, blickt auf die zurückliegende Umstellung aus zwei Perspektiven. „Einerseits haben wir von Hecht ein anwendungsspezifisches Pflegemittelportfolio, das vom Cooper-Rückzug teilweise betroffen war. Hier konnten wir relativ schnell guten Ersatz finden. Andererseits stehe ich als Geschäftsführer von Nosch Contactlinsen in der Pflicht, meinen Endkunden die bestmögliche Betreuung zu bieten. Wir beraten immer gezielt, das heißt der Kunde soll das nach unserer Auffassung geeignetste Pflegemittel bekommen. Unser Portfolio ist daher überschaubar und wohl ausgewählt. Wenn ein Pflegemittel nicht verfügbar ist oder (von uns) aussortiert wird, gibt es meist adäquaten Ersatz.“

 

Kontaktlinsen und Pflegemittel aus einer Hand - wichtig?

Bei Optik Tannek in Dachau hatte die Entscheidung von CooperVision hingegen kaum Einfluss aufs Tagesgeschäft, wie Sabine Mooseder, Augenoptikermeisterin und Leiterin der dortigen Kontaktlinsenabteilung, erzählt. „Wir haben uns von Anfang an keine Sorgen um unsere Kunden gemacht, da das Angebot unter anderem an Private-Label-Pflegemitteln bei uns im Haus vorhanden war.“

Rund 40 Prozent der Kontaktlinsenkunden von CooperVision bezogen laut Unternehmen auch die Pflegemittel von dort. Wie attraktiv ist es für Verbraucher, beides aus einer Hand zu bekommen? Anders gefragt: Stellt es für Augenoptiker eine Hürde dar, Kundinnen Kontaktlinsen zu empfehlen, wenn der Hersteller keine dazu passenden Pflegemittel anbietet? Sabine Mooseder verneint. „Für unsere Kunden spielt es seit jeher kaum eine Rolle, ob Kontaktlinsen und Pflegemittel von einem Hersteller stammen. Unsere Stammkunden, aber auch Neukunden, haben großes Vertrauen in unsere Fachkompetenz und langjährige Kontaktlinsenerfahrung. Daher spielt die Lieferanten- Empfehlung direkt beim Kunden kaum eine Rolle.“ Ähnlich äußert sich Mario Rehnert: „Wir empfehlen keine Hersteller, sondern je nach Anwendung das nach unserer Auffassung richtige Produkt. Das gilt für Linsen wie für Pflegemittel.“

Rückzugsentscheidung hat sich positiv ausgewirkt

Während sich die Abnehmer der Pflegemittel von CooperVision auf die veränderte Liefersituation somit weitgehend problemlos einstellen konnten, scheint das Unternehmen selbst mit der Entscheidung von 2022 immer noch zufrieden zu sein. „Für uns hat sich die Entscheidung, uns aus dem Pflegemittelmarkt zurückzuziehen, positiv ausgewirkt. Seither konzentrieren wir uns voll auf unser Kernproduktportfolio Kontaktlinsen“, resümiert Katrin Fougeray und ergänzt: „Der Rückzug hat uns die Möglichkeit gegeben, in zukünftige Innovationen, weitere Produktionskapazitäten und in eine langfristig positive Unternehmensentwicklung zu investieren. So konzentrieren wir uns derzeit sehr stark auf das Thema Myopie-Management, das für uns ein wichtiges strategisches Zukunftsfeld darstellt.“ Darüber hinaus liege ein großes Augenmerk auf dem Singles-Portfolio, das für CooperVision ein massives Wachstumsfeld deutlich vor den Monatskontaktlinsen darstelle. Denn langfristig gehe der Trend eindeutig zur Einmalkontaktlinse, auch für das Vollzeittragen. Fougeray: „Im Jahr des Rückzugs konnten wir unseren Umsatz sogar steigern und Marktanteile ausbauen. Dies verdanken wir vor allem der rasanten Entwicklung unserer MiSight-1-day-Einmalkontaktlinsen.“

Tatsächlich werden weiche Tageslinsen seit einigen Jahren deutlich mehr nachgefragt. Betrug ihr Anteil am Gesamtumsatz aller Kontaktlinsen 2020 noch 30,8 Prozent, so waren es 2022 bereits 35,1 Prozent (Quelle: GfK). Auswirkungen hat dieser Zuwachs auf den Kontaktlinsenmarkt insgesamt: Je mehr Fehlsichtige Tageslinsen tragen, desto weniger Kontaktlinsenpflegemittel werden auf dem Markt benötigt.

Auswirkungen auf die Belegschaft

Bleibt die Frage, welche Auswirkungen die Aufgabe der Pflegemittel-Sparte bei CooperVision auf die Belegschaft hatte. „Intern waren wir in der DACH-Region von den Auswirkungen kaum betroffen. Für einen bei uns betroffenen Mitarbeiter wurde schnell eine Lösung gefunden“, berichtet Katrin Fougeray. „Die Abwicklung erfolgte vor allem auf europäischer Ebene, wobei auch hier mit den betroffenen Mitarbeitenden intensive Gespräche geführt wurden, um individuelle Lösungen zu finden.“ Alle Pflegemittel wurden allerdings im unternehmenseigenen Werk in Ashford (England) hergestellt. Inwieweit es hier zu Entlassungen gekommen ist, teilte CooperVision nicht mit.

„Wir können keinen Imageschaden bei Cooper- Vision-Kontaktlinsen seit der Auslistung der Pflegemittel beobachten“, bemerkt Gerhard Langseder von Brillen-Profi. Ähnliches ist von anderen Branchenteilnehmern zu hören. Und für die Wettbewerber brachte die Umstellung im besten Fall Vorteile. Sowohl Jan Thore Föhrenbach, neuer Cluster Franchise Head für Vision Care bei Alcon DACH, als auch Ellen Fries, Head of Marketing & Professional Service bei Menicon, berichten von einer steigenden Nachfrage nach Kontaktlinsen-Pflegeprodukten.

Ende gut, alles gut? Womöglich

Das Gedächtnis der Branche ist kurz, Marktverschiebungen hat es immer gegeben, oder wie es Dr. Arno Böckling zusammenfasst: „Im Zuge der Internationalisierung von Unternehmen oder durch Übernahmen oder Wechsel der Geschäftspolitik haben wir seit vielen Jahren immer wieder Veränderungen erlebt. Bei über 600 Anbietern im Hersteller- und Lieferantenbereich gibt es ausreichend Alternativen. Dies zeigt sich auch eindeutig im Portfolio unserer Mitglieder, denn durch die Vielfalt im Angebotsspektrum kann sich jeder Optiker seine Lieferanten aussuchen und seine eigene Marktposition bestimmen.“

Auch die Verbraucherinnen haben Veränderungen auf dem Angebotsmarkt in den letzten Jahren vermehrt wahrgenommen – nicht nur in der Augenoptik – und sich längst darauf eingestellt. Sie sind flexibler geworden, wenn es darum geht, Produkte, Marken und Anbieter zu wechseln. Und was treibt sie dabei vor allem an? Die Augenoptikermeisterin Sabine Mooseder bringt es (nicht nur) für den Bereich der Kontaktlinse richtig auf den Punkt: „Wie in vielen Bereichen spielt das Preis-Leistungs-Verhältnis für den Kunden nach wie vor die größte Rolle.“

Jürgen Bräunlein
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Autor: Jürgen Bräunlein

ist promovierter Medienwissenschaftler und Buchautor und seit über 25 Jahren in der Augenoptik unterwegs – als Fachjournalist, ehemaliger Chefredakteur, Texter und Ideengeber.