Eher Zurückhaltung bei den Neuheiten im Glasbereich

Es muss nicht immer der große Knall sein

Diejenigen, die auf der diesjährigen Opti ganz gezielt Ausschau nach Neuheiten aus dem Glasbereich gehalten hatten, dürften mitunter enttäuscht die Rückreise angetreten haben. Wobei im Zusammenhang mit dem Wort Neuheiten vielleicht auch die Frage erlaubt sein muss, ob hier immer das neue Glasprogramm zählt oder ob nicht auch eine neue Entspiegelung die Begeisterung wecken kann. Nimmt man Letzteres hinzu, gab es bei fast allen Herstellern Neues zu entdecken. Ein Überblick.
Glasnueheiten
© Adobe Stock / akkash jpg

Erstveröffentlichung in der DOZ 03I24

Wenn man einen Preis für imposante Beschallung und riesige LED-Leinwände auf der Opti hätte vergeben wollen, hätte wohl kein Weg an Zeiss vorbeigeführt. Nach vier Jahren waren die Aalener wie einige andere große Hersteller vor allem aus dem Glasbereich auf die Branchenmesse zurückgekehrt und setzten mit den Standdimensionen wieder einmal eigene Maßstäbe. Dass der Stand der Zeissianer nicht nur zur Samstagabend-Party, sondern auch zu fast allen anderen Zeiten Eher Zurückhaltung bei den Neuheiten im Glasbereich Es muss nicht immer der große Knall sein gut gefüllt war, war ebenso wenig verwunderlich. Auf einen großen Knall auf produkttechnischer Seite allerdings verzichtete man in diesem Jahr und konzentrierte sich in der Kommunikation stattdessen auf die Neuheiten, die im Laufe des vergangenen Jahres bereits gelauncht wurden. Ein Fokus lag dabei natürlich auf dem Myopie-Management und den Zeiss-MyoCare-Gläsern, die erst im Oktober mit dem MyoCare S speziell für Kinder ab zehn Jahren Zuwachs bekommen hatten. Ebenso dabei: das SmartLife-Portfolio, die Einstärken-Lagergläser mit Freiform-Technologie ClearView und die selbsttönenden Brillengläser PhotoFusion X.

Gleich nebenan bei Rodenstock gibt es zwar ebenfalls kein neues Glas, aber zumindest exklusive OptiNeuheiten. So verspricht die innovative Veredelung Solitaire LayR mit der neuen LayR-Technologie die biometrischen Brillengläser der Münchener zu verbessern und Brillenträgern eine klarere Sicht zu bieten (genaueres dazu lesen Sie im Interview auf S. 66). Darüber hinaus will Rodenstock ColorMatic als eigenständige Technologiemarke positionieren – und damit einen gewissen Gegenpol zu Marktführer Transitionssetzen. „Wir sind stolz darauf, unsere innovative photochrome Brillenglastechnologie als eigene Marke ColorMatic vorstellen zu können“, sagt Dr. Dietmar Uttenweiler, Executive Vice President Innovation. „Mit unserem fundierten Wissen in deutscher Ingenieurskunst sind wir fest entschlossen, unseren Kunden ein Höchstmaß an Qualität und Innovation zu bieten und arbeiten unermüdlich daran, die technologischen Grenzen der photochromen Technologie zu erweitern.“ Die Positionierung von ColorMatic als eigenes Brand beweise das kontinuierliche Engagement für Innovation und Produktentwicklung und repräsentiere die „hochwertige photochrome Technologie von Rodenstock mit einem eigenen Markendesign“. Für das Brandbuilding wurde eigens ein neues Logo entwickelt. Die Hexagon-Form steht dabei für ein photochromes Molekül, das die Technologie durch einen Farbverlauf repräsentiert. Die dazugehörige Tagline „Engineering photochromic performance“ soll auf die Inhouse-Expertise verweisen sowie auf das Bestreben, die Grenzen in puncto Leistungsfähigkeit und Geschwindigkeit neu zu definieren.

ColorMatic

Die photochromen Brillengläser aus dem Hause Rodenstock unter den Namen ColorMatic sind zwar nicht neu – der Versuch, dies als Technologiemarke zu positionieren, allerdings schon.

© Rodenstock

Hoya setzt auf eigenen LongLife-Index

Wie nur wenige Meter weiter bei Hoya und Seiko stehen ebenfalls neue Beschichtungen im Fokus. Außergewöhnliche Klarheit, Kratzfestigkeit, UV-Schutz und Anti-Reflex-Eigenschaften zur Reduzierung von Blendeffekten – all das verspricht die neue Premium-Beschichtung von Hoya namens Hi-Vision Meiryo. Klares Sehen und lang anhaltender Schutz – um dies zu untermauern, hat Hoya den sogenannten LongLife-Index entwickelt, der auch in Zukunft als Maßstab für die Leistung und Haltbarkeit von Anti-Reflex-Beschichtungen dienen soll. Der LongLife-Index besteht dabei aus insgesamt fünf Tests, die über die Industriestandards hinausgehen. Erst im zweiten Quartal 2024 wird Seiko sein Beschichtungsportfolio neu auflegen. Im Mittelpunkt wird dabei die neuen Premium-Brillenglasbeschichtung Seiko SRC-Ultra stehen, die sich wie Hi-Vision Meiryo durch „herausragende Anti-Reflex-Eigenschaften“ auszeichnen soll. Vervollständigt wird das Portfolio durch vier weitere Beschichtungen: Seiko SRC-One als Beschichtung für alle Alltagsanforderungen sowie die drei „Spezialisten“ „Screen“, „Road“ und „Sun“, die für Sehkomfort in der digitalen Welt, im Straßenverkehr und in Kombination mit getönten Brillengläsern sorgen sollen.

Gar eine Weltneuheit ist das von Seiko präsentierte Vision Experience Center, ein KI-gestütztes Beratungstool, das digitale Komponenten und Simulationen, eine Musterglaskollektion sowie zwei HD-Kameras zur Durchführung von Zentrieraufnahmen umfasst. Zudem soll es Augenoptikern als Werbemedium im Geschäft dienen, indem es zielgruppenspezifische Werbebotschaften auf Basis der KI-gestützten Datenerfassung ausspielt.


Doch zurück zu Hoya. Auch wenn die Markteinführung der Miyosmart-Brillengläser mittlerweile bereits drei Jahre zurückliegt, gab es dennoch Neuigkeiten aus dem Bereich des Myopie-Managements zu berichten. Derzeit läuft eine dreijährige Beobachtungsstudie von Hoya Global Medical Affairs in Zusammenarbeit mit drei Universitäten im Vereinigten Königreich, um die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Miyosmart bei europäischen Kindern mit Myopie auszuwerten. Zwischenergebnisse zeigten bereits jetzt eine ähnliche Wirksamkeit der Brillengläser bei kaukasischen gegenüber asiatischen Kindern. Ergänzend zu den Ergebnissen soll die neue Kampagne „Wissen schafft  Vertrauen“ Augenspezialisten über die hohe Bedeutung von wissenschaftlichen Nachweisen bei progredienter Myopie im Kindesalter aufklären und die Aufmerksamkeit auf die fundierte Miyosmart-Evidenz erhöhen, um Augenspezialisten zu ermöglichen, fortschreitende Myopie in der täglichen Praxis vertrauens- und verantwortungsvoll zu versorgen.

Das passende Produkt für das Myopie-Management hat nun auch Optiswiss im Portfolio. Was die Schweizer hinter dem Produktnamen „Smyle“ verstecken, lesen Sie in einem gesonderten Artikel ab Seite 64. Darüber hinaus wurde das Farbportfolio komplett überarbeitet. So kommen ab Herbst ausgefallene Lollipop-Farben sowie ein funktionales Kontrast-Farbportfolio hinzu.

Auch bei Essilor suchte man nach neuen Glas-High-lights vergeblich, bei Leica und Visall konzentriert man sich auf das bestehende Produktportfolio und die entsprechende Vermarktung.

 

Meiryo

Hi-Vision Meiryo ist die neue Premiumbeschichtung bei Hoya. Diese verspricht besondere klare Sicht und lang anhaltenden Schutz der Brillen-gläser.

© Hoya

Neuheiten abseits der Opti-Aussteller

Und auch bei den Herstellern, die nicht auf der Opti mit einem Stand vertreten waren, dreht sich das Rad in Sachen Neuentwicklungen eher langsam. Bei Rupp + Hubach gibt es eine Ergänzung des eigenen Highend-Glases SiiA. Bisher als Freiform-Einstärken- und Gleitsichtglas verfügbar, wird es nun um Nah XL-Spezialgläser sowie Zwei- und Vier-Meter-Varianten für den Zwischenbereich ergänzt. Darüber hinaus wird das „Nah + Raum“-Portfolio um BlueCut-Gläser erweitert. Im Bereich Veredelungen wird die NanoperlS-Familie um das Produkt „Pure“ erweitert, bei dem störende Restreflexe auf ein Minimum (Reflexionsgrad < 0,2 %) reduziert werden.

Bei MPO wurde im Bereich der Sonnenbrillengläser eine Erweiterung des Farbspektrums vorgenommen. Als Trendfarben 2024 mit dabei sind „Berry“, „Blue Ocean“ und „Olive Garden“.


Neu im Stratemeyer-Sortiment ist die Gleitsichtglaslinie Eyefinity, die in den drei individuell wählbaren Designschwerpunkten Panorama, Fokus und Makro erhältlich ist. Eine integrierte Bildstabilisierungsmethode soll dabei für grenzenloses und ruhiges Sehen ohne Schwimmeffekte und Verzerrungen in den Randbereichen sorgen. Mit der „Endless Vision Technology“, der neuesten und abbildungstreuesten Berechnungstechnologie Stratemeyers, sollen zudem die mathematischen Grenzen der Flächengeometrie durch die gezielte Einbeziehung der Akkommodationsfähigkeit des Auges überwunden werden.

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Die Premium-Gleitsichtglasfamilie SiiA von Rupp + Hubrach bekommt Zuwachs um Nah-XL-Spezialgläser sowie Zwei- und Vier-Meter-Varianten für den Zwischenbereich.

© Rupp + Hubrach

Bei Wetzlich gibt es zum Jahresstart eine Erweiterung des 2022 gelaunchten Gleitsichtglases Orion. Mit dem Orion VR ist es möglich, das Gleitsichtglas an die Blickdynamik des Trägers anzupassen. Durch den Einsatz einer Virtual-Reality-Brille wird die Glasauswahl überdies zum Einkaufserlebnis. So soll der Kunde mit auf eine kurze Reise genommen werden, die im Augenoptikergeschäft beginnt und nach einer virtuellen Fahrt mit einem Aufzug nach kurzer Zeit auf einer Dachterrasse endet. Die dazugehörige App sammelt parallel alle wesentlichen Informationen über die individuelle Blickdynamik der Trägerin und erstellt eine genaue Diagnose für das ideale Gleitsichtglas. Das Profil der Blickdynamik umfasst dabei die Messung des Blickverhaltens für die Ferne, den Zwischen- und den Nahbereich. Alle Messergebnisse können über die Webseite verwaltet und mit dem Kunden für eine präzise Erklärung der Analyse eingesehen werden. „Orion und Orion VR haben eine neue Epoche eingeläutet, mit einem neuen Design und mit der Interpretation der Blickdynamik des Kunden“, befindet WetzlichGeschäftsführer Florian Gisch.

Der große Knall zum Jahresstart ist im Glasbereich auf jeden Fall ausgeblieben. Nichtsdestotrotz waren die Entwicklungsabteilungen nicht untätig und haben gewissermaßen am Feintuning gearbeitet. Inwiefern dies beim Augenoptiker ausreicht, das eigene Glasprogramm mal wieder auf den Prüfstand zu stellen, muss jeder für sich selbst entscheiden. Die Opti und der Marktüberblick sollten aber zumindest Hilfestellung gegeben haben.