Vermessungsmöglichkeiten und die passenden Geräte

Kontaktlinsen vermessen leicht gemacht

Neu gelieferte Brillengläser werden in der Werkstatt kontrolliert und geprüft: Hat der Hersteller die richtige Stärke, den korrekten Durchmesser und die gewünschte Veredelung geliefert? Aber wenn einmal eine Kontaktlinse auf Herz und Nieren geprüft werden soll, beginnt das Grübeln: Wie mache ich das? Was brauche ich dafür? Was kann ich alles in meinem Laden messen? Augenoptikermeister Christian Meinl zeigt Möglichkeiten und Techniken auf, um die verschiedenen Parameter von Kontaktlinsen genau so souverän zu vermessen wie Brillengläser.
Durchmesser formstabile KL messen

Ermittlung des Durchmessers einer formstabilen Kontaktlinse mithilfe eines Kontaktlinsenmikroskopes.

© Christian Meinl

Erstveröffentlichung in der DOZ 10|2023

Manch einer hatte schon den Fall, dass neu gelieferte Kontaktlinsen trotz akribischster Voruntersuchung und Messungen mit aktuellster Technik partout nicht auf dem Kundenauge sitzen wollten. Oder einen Kunden im Laden, der gerne seine gewohnte Kontaktlinse vom anderen Augenoptiker exakt nachbestellen wollte – auch wenn auf dem mitgebrachten Linsenpass essenzielle Daten fehlten. Ob Fehlersuche in der Anpassung oder Kundenservice: Die Überprüfung und Vermessung einer Kontaktlinse ist kein Hexenwerk.

Formstabile Kontaktlinsen

Radius/Basiskurve: Zur Bestimmung des Radius einer formstabilen Kontaktlinse können verschiedene Hilfsmittel zum Einsatz kommen. Die einfachste Möglichkeit ist ein im Betrieb vorhandenes Ophthalmometer oder ein Topographiesystem. Diese Geräte, die täglich in der Kontaktlinsenanpassung verwendet werden, um die exakte Krümmung einer spiegelnden Oberfläche – normalerweise der Cornea – zu bestimmen, können auch umgekehrt zur Messung der Rückfläche einer Kontaktlinse verwendet werden. Die zu vermessende Linse wird mit der mit einem Flüssigkeitstropfen benetzten Vorderfläche in eine Saugküvette oder einen geschlossenen Kontaktlinsen-Sauger eingelegt und die Rückfläche wie ein Auge zum Messgerät ausgerichtet. Nun wird die Messung durchgeführt, hersteller- und geräteabhängig ist dafür sogar ein KL-Messmodus vorhanden. Das Messergebnis wird wie gewohnt abgelesen oder visuell dargestellt.

angesaugte Kontaktlinse

Angesaugte formstabile Kontaktlinse während des Messvorgangs.

© Christian Meinl

Durchmesser:

Es mag für viele verlockend einfach klingen, den Durchmesser „mal eben“ mit dem Messschieber und etwas Gefühl zu bestimmen. Da jedoch die meisten modernen formstabilen Kontaktlinsenmaterialien einen hohen Fluor- beziehungsweise Silikonanteil aufweisen und damit deutlich flexibler auf Druck reagieren, birgt diese Messmethode eine große Fehlerquelle. Zudem steigt das Risiko von Beschädigungen am dünnen Rand, wodurch die Kontaktlinse nicht mehr verträglich oder sogar untragbar wäre.

Viel weniger fehleranfällig ist die Anwendung einer sogenannten V-Kanal-Lehre. Hier lässt man die Kontaktlinse in den konisch gearbeiteten, mit einer Skala versehenen Kanal der Messlehre gleiten und liest an der Stelle, an der die Kontaktlinse stecken bleibt, den Durchmesser ab. Keinesfalls jedoch sollte versucht werden, die Kontaktlinse manuell im Kanal weiter zu schieben, da hierdurch schnell Randdefekte auftreten können. Eine weitere Option ist die Verwendung einer Messlupe oder eines Kontaktlinsenmikroskops mit integrierter Skala. Die Kontaktlinse wird einfach auf die Skala des Mikroskops oder der Lupe gelegt, die Optik scharfgestellt und der Durchmesser abgelesen.

Diese letzten beiden Messoptionen sind – neben dem Durchlichtprojektor, der hauptsächlich in der Industrie vorkommt – die einzigen Möglichkeiten, mit denen man den Durchmesser der optischen Zone einer formstabilen Kontaktlinse zuverlässig vermessen kann. Zudem kann hierbei sehr leicht die LOT- bzw. Seriennummer der Kontaktlinse überprüft werden. Dies ist besonders hilfreich, wenn der Verdacht einer Verwechslung vorliegt.

Topographie

Bestimmung der Basiskurve mit einem Topographiesystem.

© Christian Meinl

Scheitelbrechwert:

Den Scheitelbrechwert einer formstabilen Kontaktlinse vermisst man genau wie jedes Brillenglas – auflegen, zentrieren, gegebenenfalls Testmarke scharfstellen, ablesen. Nahezu jedes moderne Scheitelbrechwert-Messgerät hat in seinem Lieferumfang einen speziellen Messaufsatz für Kontaktlinsen inkludiert. Es ist unbedingt notwendig, einen solchen KL-Aufsatz zur Messung zu verwenden, da die Kontaktlinsenrückfläche oft stärker als ein Brillenglas gekrümmt ist und deshalb der sogenannte Pfeilhöhenfehler entstehen würde. Zudem sollte bei automatischen Scheitelbrechwert- Messgeräten der Kontaktlinsenmodus genutzt werden, damit das Gerät den Scheitelbrechwert entsprechend berechnen und ausgeben kann.

Mittendicke:

Mit einem Dickentaster wird vorsichtig, um die Oberfläche der Kontaktlinse nicht zu beschädigen, die dickste bzw. dünnste Stelle der Kontaktlinse gesucht. Dabei ist zu beachten, dass die dickste Stelle auch außerhalb der geometrischen Mitte einer Kontaktlinse liegen kann. Dieser Parameter muss jedoch in der Praxis äußerst selten ermittelt und kontrolliert werden.

Topo-Daten der gemessenen KL

Auswertung der Messung mit Angabe von Basiskurve und Exzentrizität.

© Christian Meinl

Weiche Kontaktlinse

Radius/Basiskurve:

Wie bei formstabilen Kontaktlinsen ist eine Vermessung mit einem Ophthalmometer möglich. Allerdings begegnet uns hier das Problem der sofort beginnenden Austrocknung an der Luft und damit Verformung, auch durch mechanische Manipulation, weicher Kontaktlinsen. Aus diesem Grund müssen diese Kontaktlinsen immer in Flüssigkeit vermessen werden. Hierzu bedient man sich einer mit beispielsweise Kochsalzlösung gefüllten Küvette (transparentes Gefäß), die sich auf einem Umlenkprisma befindet. Mit dem Ophthalmometer ermittelt man nun den Mittelwert aus den beiden Hauptschnittmessungen und multipliziert diesen mit dem Brechwert der Lagerflüssigkeit (Kochsalzlösung n=1,338). Die Durchführung dieser Messung ist schwierig und erfordert einige Erfahrung, da man es unter anderem mit lichtschwachen, kleineren Testmarkenbildern als bei der Messung am Auge zu tun hat und auch noch Vorder- und Rückfläche der Kontaktlinse auseinanderhalten muss. In der Praxis wird diese Messung nur sehr selten angewandt.

Durchmesser:

Den Durchmesser einer weichen Kontaktlinse ermittelt man am besten mit einer flüssigkeitsgefüllten Küvette mit Messskala für das Spaltlampen- oder Kontaktlinsenmikroskop, um auch hier einen Messfehler durch Austrocknung zu vermeiden. Ebenso kann die Messlupe zum Einsatz kommen.

V-Kanal-Lehre

Anwendung einer V-Kanal-Lehre zur Bestimmung des Durchmessers.

© Christian Meinl

Scheitelbrechwert:

Der Scheitelbrechwert wird genauso ermittelt wie bei den formstabilen Kontaktlinsen, mithilfe eines Scheitelbrechwert-Messgeräts und des passenden Kontaktlinsenaufsatzes zur Vermeidung des Pfeilhöhenfehlers. Die Kontaktlinse wird hierzu mit einem Kosmetiktuch trockengetupft und zügig vermessen, um die Dehydratation so gering wie möglich zu halten und somit Messfehlern vorzubeugen.

Mittendicke:

Bei weichen Kontaktlinsen kommt zur Ermittlung der Mittendicke primär das Lichtschnittverfahren zum Einsatz. Dabei wird mittels einer speziellen Licht-Spiegel-Anordnung ein Schnittbild der Kontaktlinse generiert und mit einer geeichten Skala auf einen Bildschirm projiziert. Derartige Messgeräte sind nach Kenntnisstand des Autors nur in den Qualitätskontroll-, Forschungs- und Produktionsabteilungen der Kontaktlinsenhersteller zu finden. Die Relevanz dieses Messwerts für die tägliche augenoptische Arbeit ist in der Regel äußerst gering. Klassische Kontaktlinsenmaterialien, zum Beispiel HEMA-Linsen, können auch im Trockenzustand mechanisch mit dem Dickentaster vermessen werden. Anschließend wird mithilfe des materialspezifischen Quellungsfaktors die zu erwartende Mittendicke errechnet.

Scheitelbrechwertmesser

Bestimmung des Scheitelbrechwerts einer formstabilen Kontaktlinse unter Verwendung von KL-Messmodus und Spezialaufsatz.

© Christian Meinl

Wasseraufnahme und Austrocknung – Auswirkungen auf die Messergebnisse

Obwohl formstabile Kontaktlinsenmaterialien nur eine äußerst geringe Wasseraufnahme aufweisen, kommt es dennoch bei feuchter Lagerung zu einer leichten Quellung. Da die Kontaktlinse dementsprechend sofort nach Herausnahme aus dem Behälter bzw. Abnahme vom Auge zu dehydrieren beginnt, sollte sie zügig vermessen werden. Je nach Material und sogar Herstellungsverfahren sind beispielsweise Radienänderungen von bis zu 0,03 mm pro Minute möglich, ein möglicher Messfehler, der angesichts von 0,05 mm- Schritten in der Bestellbarkeit durchaus signifikante Auswirkungen auf den Sitz und das Sehen mit einer eventuell nachbestellten Kontaktlinse haben kann.

Im Vergleich dazu neigen weiche Kontaktlinsenmaterialien bei Entnahme aus einem feuchten Medium zur einer deutlich schnelleren Dehydratation mit entsprechend größeren Auswirkungen. Dies äußert sich in einer Versteilung der Kontaktlinsenradien, was mit einer Reduktion des Durchmessers einhergeht. Aus diesem Grund müssen weiche Kontaktlinsen vor jeder Art der Vermessung ausreichend hydriert (mit Flüssigkeit versorgt) werden. Zudem ist auf eine besonders zügige und sichere Arbeitsweise zu achten, falls die Kontaktlinse für die Messung ihre feuchte Umgebung verlassen muss.


Quellen: 

[1] Kontaktlinsen Know-how, A. Müller-Treiber, Hrsg., 3. Auflage, DOZ-Verlag 2013
[2] Kontaktlinsen, H. Baron, J. Ebel, Hrsg., 3. Auflage, DOZ-Verlag 2013
[3] Galifa Handbuch der Kontaktlinsenanpassung, O. Hoppe, D. Kuhn, S. Schwarz, Hrsg., Biermann Verlag GmbH 2010

Portrait Christian Meinl
© privat

Autor: Christian Meinl

ist praktisch tätiger Augenoptikermeister und freiberuflicher Dozent am bfw – staatl. anerkannte Fachschule für Augenoptik in Karlsruhe. Die Welt der Kontaktlinsen ist seit seiner Ausbildung der liebste Interessenbereich und wird von ihm täglich ge- und belebt – egal ob bei seinen Schülern oder im Kundenkontakt.