Optometrie: Den Mehrwert vernünftig kalkulieren

„Kosten entstehen, wenn ich es nicht mache!“

Die Optometrie wird in den nächsten Jahren – da ist Ralf Bachmann, M.Sc. (US optom.) FAAO, FEAOO, sicher – weiter an Stellenwert gewinnen. Er sieht sie als Chance für den Mittelstand. Doch bietet sie am Ende neben dem gesundheitlichen Mehrwert für Kundinnen und Kunden auch dem Anbieter ein finanziell solides Fundament? Im Gespräch mit DOZ-Redakteurin Ann-Katrin Zellner spricht der Augenoptikermeister über die Integration der optometrischen Dienstleistungen und die Kalkulation derselben.
Finger tippen auf Taschenrechner

Was ist mein Preis für eine optometrische Dienstleistung? Die Antwort hängt von individuellen Faktoren ab.

© Adobe Stock / H_Ko

Nach wie vor sind die Augenoptikerinnen und Augenoptiker der erste Anlaufpunkt, wenn es um das gute Sehen geht. Somit haben sie eine gewisse Verantwortung gegenüber ihren Kundinnen und Kunden und immer mehr rücken die Optometrie in den Fokus ihrer täglichen Arbeit. Auch die Veränderungen im Markt tragen dazu bei. Das zeigt sich nicht zuletzt an der neu gegründeten RAL Gütegemeinschaft, die Standards in der Optometrie setzen und für eine homogene Ausbildung aller Optometristinnen und Optometristen sorgen will. Darüber hinaus finden ab Sommer 2021 erstmals Fortbildungsprüfungen zum „Optometrist (HWK)“ in München statt – trotz Corona-­Pandemie.

„Die Optometrie ist eine Chance für den Mittelstand“, sagt Ralf Bachmann, M.Sc. (US optom.) FAAO, FEAOO. „Filialisten werden größer und die gesamte Branche zieht Investoren an. Mit der Optometrie kann man sich – aktuell – vernünftig gegenüber den Filialisten positionieren.“ Natürlich sei dies ein langer und harter Weg, um diesen Mehrwert an gesundheitlicher Vorsorge anzubieten. Doch das Beispiel Schweiz mache Mut. Dort konnte die Optometrie erfolgreich etabliert werden. Bachmann selbst hat 2014 seinen Master of Science in klinischer Optometrie an der Salus University in Pennsylvania erfolgreich absolviert, ist Mitglied bei der American Academy of Optometry und der European Academy of Optometry and Optics. Seit 1997 ist der Doppelmeister für Augenoptik und Hörakustik selbstständig und hat mittlerweile drei eigene Geschäfte in Emden, Pewsum und Bunde. Früher, vor seiner Weiterbildung, ärgerte ihn bei einigen Kundinnen, dass er ihnen ihre Sehprobleme nicht erklären konnte und nicht weiterwusste. Sein „erstes“ optometrisches Gerät war eine Video-Spaltlampe. Von anfangs nur 26 Sehanalysen im ersten Jahr steigerte der Augenoptikermeister das Angebot auf mittlerweile 350 Buchungen pro Jahr. „Gefühlt braucht es etwa zwei bis drei Jahre, bis die Optometrie nachhaltig im Betrieb etabliert ist und auch alle Mitarbeiter mitziehen.“

Ralf Bachmann

Ralf Bachmann ist staatlich geprüfter Augenoptiker und Augenoptikermeister hat neben einem Hörgeräteakustikermeister einen Abschluss in klinischer Optometrie an der Salus University in Pennsylvania. 

© Ralf Bachmann

Krisenfeste Optometrie integrieren

Im Interview der DOZ 03/21 äußerte Optometristin Doreen Willing, dass es für etablierte traditionelle Augenoptiker schwierig sei, die Optometrie ins eigene Geschäftsmodell zu integrieren. Den Aufbau eines optometrischen Angebots verbindet sie eher mit einem Neuanfang. Bachmann hält dagegen: „Bei einem Neubeginn mag das einfacher sein. Jedoch habe ich die Optometrie in meinem laufenden Betrieb integriert, auch wenn der Weg anstrengender war.“ Es sei sicher schwierig, Strukturen abzulegen, in denen zum Teil jahrelang gearbeitet wurde, und alle Mitarbeiter gleichermaßen einzubinden. Mit Disziplin und einem vernünftigen Konzept sei es dennoch gut machbar.

Höhere Krisensicherheit ist auch ein Pluspunkt, den der Optometrist für die Integration des Fachgebiets in sein Angebotsspektrum aufführt. Langjährige Kunden seien die Struktur mit vorheriger Terminvereinbarung bereits gewöhnt und auch die Tatsache, dass Augenärztinnen und Augenärzte lange Wartezeiten haben, spielten ihm in die Karten. Damit sei das Vertrauen seitens der Kunden bereits vorhanden, um auch in Zeiten einer Pandemie in den Laden zu kommen. „Sie fühlen sich bei uns sicher und gut aufgehoben.“

Kostenkalkulation

Dienstleistung mit eigener Betriebskostenabrechnung kalkulieren

Wichtig sei an dieser Stelle, dass man mit der Optometrie allein kein Geschäft betreiben könne. Der Umsatz komme immer über den Verkauf von Brillen und Kontaktlinsen und über diesen müssen die Anfangskosten (und auch die laufenden) getragen werden. Bachmann empfiehlt für den Start der opto­metrischen Dienstleistungen, zunächst genau zu eruieren, welche Geräte schon im Betrieb vorhanden sind und welche angeschafft werden müssen. Welche Mitarbeiter kommen für die Untersuchungen infrage und wer benötigt welche Weiterbildungen? Für den Anfang reichten eine Spaltlampe mit einer 90D-Lupe, ein Perimeter und ein Tonometer, auch Funktionsteste könne man mit wenigen Hilfsmitteln anbieten. Eine Ausrüstung im Wert von rund 10.000 Euro sollte so für den Start reichen. Optional sind seiner Meinung nach eine Funduskamera mit Archiv-Funktion sowie ein OCT-Gerät.

Ob die optometrischen Dienstleistungen als Paketpreis angeboten werden sollten, sei pauschal schwierig zu beantworten. „Es ist davon abhängig, ob ich neu starte oder es in meinen laufenden Betrieb integriere, in welcher Region ich lebe, ob Stadt oder Land und - ganz wichtig - was die Wettbewerber um mich herum machen“, sagt Bachmann. Ideal sei, eine Kombination aus Paketpreisen für die Untersuchung verschiedener Krankheiten (zum Beispiel ein Screening für Glaukom) und einer Pauschale für die Augenprüfung anzubieten. Dies hänge aber auch damit zusammen, wie es in der eigenen Region von der Konkurrenz gehandhabt wird. Nicht alle Augenoptikerinnen würden Geld für die optometrischen Dienstleistungen nehmen und sie stattdessen in die Kalkulation der verkauften Ware einrechnen. Für Bachmann hat es sich bewährt, die optometrischen Dienstleistungen gesondert zu berechnen und diese auch entsprechend auf der Rechnung aufzuführen. „Letztendlich aber muss es in das eigene Konzept passen.“

Um die Preise der Pakete zu kalkulieren, sei der Blick in den eigenen Betriebsabrechnungsbogen unumgänglich. Im Durchschnitt würden Optometristinnen 109 bis 139 Euro für eine Sehanalyse veranschlagen. Es hänge jedoch von den angeschafften Geräten, den Mitarbeitern und den sonstigen Kosten ab. Wie eine solche (fiktive) Kalkulation aussehen könnte, haben wir in der Übersicht dargestellt.

Geld verdienen ist möglich – aber nicht mit halbherzigem Engagement

Mit einer Spezialisierung innerhalb der Optometrie (wie zum Beispiel Kinderoptometrie) könne man durchaus Geld verdienen, sagt Bachmann: „Aber ich muss Lust auf das Thema haben, mir die Zeit nehmen und dahinterstehen. Halbherzig bringt das nichts!“ Dabei verweist er erneut auf ein schlüssiges Konzept und das Stichwort Zielgruppe. Sein Steckenpferd sei die Optometrie und das würden die Kundinnen und Kunden im Gespräch merken.

Die Kundenansprache auf die Sehanalyse sei das A und O. Wissen die Kunden nichts von diesem Angebot, können sie es nicht in Anspruch nehmen. Ganz nach dem Credo: „Tue Gutes und rede darüber!“ In seinem Geschäft in Emden werden alle Kunden bei der Terminvereinbarung, im persönlichen Gespräch vor Ort, über ausliegende Flyer und auch im Nachgang über Nachfassbriefe zwei Jahre nach dem Kauf der letzten Brille auf optometrische Dienstleistungen angesprochen. Eine preisliche Transparenz sei dabei unumgänglich. Die Kundinnen müssten wissen, was sie für welchen Preis erwarten dürfen. So hat Bachmann einen Anfangspreis für die Screenings bereits in seinen Online-Terminkalender integriert. „Wenn das einmal drin ist, ist es normal und geschieht ganz automatisch.“ Und auch Mund-zu-Mund-Propaganda hätte schon einige neue Kunden in sein Geschäft geführt. 

Und was entgegnet Bachmann Kollegen, die sagen, dass Optometrie in erster Linie Kosten verursachen würde? „Kosten entstehen, wenn ich es nicht mache!“ Die Optometrie müsse man aktiv betreiben und bewerben und sie nicht nur als „Hobby“ ansehen. Hinzu kämen konsequente Weiterbildung und die Einarbeitung (neuer) Mitarbeiter, damit die Kosten-Nutzen-Rechnung auch dauerhaft aufgeht. Denn nur wer sich dauerhaft mit der Materie Optometrie auseinandersetze und die vorhandenen Geräte regelmäßig nutze, habe auch (finanziellen) Erfolg. „Zu guter Letzt braucht es eine gewisse Portion Durchhaltevermögen!“