Selbstständig werden, Teil 1: Drei, die den Sprung gewagt haben
Sein eigener Chef sein, die Entscheidungen alleinverantwortlich treffen und sehen, wie das eigene Unternehmen wächst. Davon träumen viele junge Menschen, laut Umfrage der staatlichen KfW-Förderbank „mehr als jeder Dritte unter 30“. Die DOZ stellt drei Gründer vor, die den Sprung in die mitunter harte Realität tatsächlich gewagt haben.
Arne Engler, Erfinder von Einsätzen mit Sehstärke für VR-Brillen
„Frage dich, wieviel du bereit bist zu geben!“
Manchmal sind es nur kleine Dinge, die einen stören und daraus entwickelt sich eine Idee und schließlich ein ganzes Unternehmen. Arne Engler ist Augenoptiker im oberbayrischen Zolling und hat zum 1. April 2016 sein eigenes Augenoptikgeschäft „Optik Planet“ gegründet. Im Oktober desselben Jahres folgte das Start-up „VR Optiker“, ein Onlineshop für Einsätze mit Sehstärken bei VR-Brillen.
„Der Wunsch nach einer Lösung für optimalen Durchblick in einer VR-Brille stand am Anfang“, erzählt der Jungunternehmer, dessen Eltern beide selbstständig sind. „Bei Recherchen habe ich festgestellt, dass viele Menschen Probleme haben. Die Korrektionsfassungen sind störend unter den VR-Brillen. Sie drücken, verschmieren oder sind später verbogen und sitzen schief.“
Unternehmen gründen: finanziellen Risiken und bürokratische Hürden
Die Idee, Einsätze mit Sehstärke für die VR-Brille zu entwickeln, war nicht einfach umzusetzen. Sein bester Freund, ein IT-Experte, entwickelte die 3D-Vorlage, half und hilft ihm bei jeder technischen Frage. Bis zur Serienfertigung war es ein langer Weg. Die Kombination vieler kleiner Dinge sei das Geheimnis, verrät der 31-Jährige. Die Einsätze für die VR-Brille kommen aus dem 3D-Drucker. Qualität und Genauigkeit seien für den Komfort ausschlaggebend. Als die saubere Berechnung des Strahlenganges hinzukam, konnte der Tüftler einen großen Lieferbereich der Stärken realisieren – alles, was technisch machbar ist. „Die technischen Möglichkeiten für verschiedene VR-Brillen begeistern Gamer auf der ganzen Welt. Wir fertigen auch Minus 16 oder Prismen“, sagt er. Mittlerweile exportiert VR Optik außer in europäischen Staaten auch nach Australien, Kanada und Japan sowie in die USA. „Mit unseren VR-Brillen haben wir auf dem Stand der Internationalen Handwerksmesse viele Menschen begeistert und konnten sie in eine andere Welt oder an einen anderen Ort schicken. Für dieses Erlebnis braucht man eben die richtige Brille!“
In der Gründerzeit spielen die finanziellen Risiken und bürokratische Hürden eine große Rolle. In erster Linie gründete Engler ein Einzelunternehmen. Dafür braucht man kein Eigenkapital und das Geschäft kann so organisch wachsen. Der Prozess ist nicht schnell, dafür aber gesund und sichert eine gute Marktposition. Denn E-Commerce heißt, viele Dinge beachten, beschreibt der Augenoptiker: Verpackungs- und Datenschutzgesetz, Registration für die automatische Zollabfertigung, steuerliche Bestimmungen und die üblichen Dinge der Augenoptik, dem Handwerk und der Wirtschaft. „Man sollte sich auf lange und steinige Wege einstellen“, rät Engler daher. „Ich wusste auch nicht, dass man eine Baugenehmigung für eine Leuchtreklame benötigt und dazu ein Gutachten durch das Emissionsamt. Meine Eltern und Frau Schröder, Geschäftsführerin MDAV und Rechtsanwältin, haben mir in vielen Fragen zur Seite gestanden. Doch nach kurzer Zeit lief alles nach Plan und ich wusste, dass ich meinen Weg gehen würde. Mittlerweile beschäftige ich sechs Mitarbeiter“, erzählt er am Schluss.
Sein Tipp an junge Unternehmer:
„Erfahrungen sammeln. Realistisch bleiben. Planen. Machen. Ohne die Hilfe von Familie, Freundin und Freunden würde ich nicht dort stehen, wo ich heute bin. Daher frage dich, wie viel du bereit bist zu geben.“ Die Floskel „Selbst und Ständig“ sei kein Witz, man führe ein anderes Leben, berichtet Engler: „Die Arbeit hört nie auf. Unterschätze diesen Fakt nicht! Auch in der Freizeit mache ich noch was für die Arbeit.“
Autorin: Ann-Katrin Zellner
Jiyoon Yun, Co-Gründerin von Yun Berlin und Yun Seoul
„Gib dich nie mit dem Status Quo zufrieden!“
Nach der Gründung ist vor der Gründung wird sich Jiyoon Yun gedacht haben, die im Oktober 2015 gemeinsam mit ihrem Vater Yun Berlin eröffnet hatte (siehe DOZ 2/2017). Im Store des koreanischen Brillenlabels an der Rosenthaler Straße können die Kunden ihre Brille schon nach 20 Minuten mitnehmen; die verwendeten Gläser werden in eigener Fabrikation in Südkorea produziert. Schon damals gaben Vater und Tochter an, als nächstes unbedingt eine Filiale in ihrem Heimatland eröffnen zu wollen. Und genau das tun sie jetzt auch: Nach längerer Suche fanden die Yuns im angesagten Viertel Seong-su-dong, dem sogenannten Brooklyn von Seoul, ein Geschäft, das ihren hohen Anforderungen entsprach. Um viele Berliner Erfahrungen reicher, sollte die Zweitgründung doch eigentlich leicht(er) fallen, oder?
„Naja, in administrativer Hinsicht schon“, lacht Jiyoon Yun, „immerhin gab es keine Sprachprobleme.“ Ansonsten sei aber vieles anders als in Deutschland, „Korea ist ein extrem wettbewerbsintensiver, fortschrittlicher Markt und die Erwartungen der Kunden in puncto Service sind wahnsinnig hoch. Zudem nehmen Koreaner jeden technischen Trend unglaublich schnell auf“. Insofern wollten Vater und Tochter noch einmal einen Schritt nach vorn machen und ein „perfektes Service-, Produkt- und Store-Erlebnis“ schaffen. Aller Voraussicht nach wird es also in Seoul eine Selbstbedienungskasse geben, einen maßgeschneiderten iPad-Service inklusive individueller Stylingberatung und Check-out ohne Kasse sowie eine Virtual-Reality-Anprobe für Sonnenbrillen.
Wie bei der Berliner Gründung teilen sich übrigens Vater und Tochter die Aufgaben ziemlich trennscharf: Chulyoo, seit über 30 Jahren im Brillenbusiness tätig, ist verantwortlich für Betrieb, Produktion und Finanzen, Jiyoon – die bis 2015 als Modedesignerin gearbeitet hat – kümmert sich um alle kreativen Aufgaben, um Design, Marketing und Kommunikation sowie um die „User-Experience“, das Einkaufserlebnis. Die Tochter sagt es griffiger: „Er ist Geschäftsmann durch und durch, hat klar die Zahlen im Kopf. Ich bin kreativer unterwegs und kenne vor allem den Geschmack unserer Zielgruppe von 25 bis 35 sehr gut.“ Wichtig sei es, die jeweiligen Talente und Kompetenzen gegenseitig anzuerkennen und zu respektieren. Bei der Entwicklung neuer Produkte beispielsweise gibt Jiyoon den Input zu Inspirationen und Designkonzepten. „Dann nimmt mein Vater meine Ideen, ohne sie anzuzweifeln, und arbeitet daran, sie in die Realität umzusetzen, indem er die Qualität verbessert und gleichzeitig die Kosten senkt.“ Streit gebe es eher selten, behauptet Jiyoon, „aber wenn, dann hört er meistens auf mich“.
Ihr konkreter Tipp für Existenzgründer?
„Höre niemals auf, ein Gründer zu sein und wie einer zu denken. Gebe dich nicht mit dem Status Quo zufrieden sondern denke immer darüber nach, wohin sich dein Unternehmen entwickeln soll.“ Jeder, der Mitarbeiter beschäftige, trage zudem die besondere Verantwortung, mit diesen gemeinsam eine Vision zu entwickeln: „Sie alle träumen von einer kleinen oder großen, kurzen oder langen Zukunft in deinem Unternehmen“, erklärt Jiyoon Yun. „Fast wie eine Familie muss man diesen Weg zusammen gehen – selbst wenn er von deiner eigenen Vorstellung ein bisschen abweicht.“
Autor: Tom Theilig
Benedikt Dreiner, Gründer des Brillenlabels „Bene Eyewear“
„Einfach machen – vieles ergibt sich dann von selbst!“
Auch Benedikt Dreiner kennt die Augenoptik seit Kindesbeinen an. Sein Vater ist selbstständiger Augenoptiker und führt seit 1994 ein Augenoptikgeschäft in Marienheide. Mit dem Ende der Ausbildungszeit manifestierte sich beim Sohn der Wunsch, ein eigenes Brillenlabel zu gründen. Im August 2017 konnte er sich mit „Bene Eyewear“ diesen Wunsch erfüllen. Die Brillen sind alle aus Titan gefertigt. „Reine Vorliebe“, erklärt der Augenoptiker dazu. „Ich selbst ziehe eine Titanfassung vor, da die Eigenschaften perfekt geeignet sind zum Brillenbau. Einige Modelle sind aus Edelstahl – doch der Schwerpunkt bleibt in Zukunft auf Titan.“
Die zuständige Handelskammer half ihm bei den Fragen rund um die Gründung. „Man muss ja vieles bedenken: Welche Rechtsform passt? Wie versteuere ich die Einnahmen?“, resümiert der angehende Augenoptikmeister. „Ich wusste nicht, wie alles abläuft. Obwohl ich weiß, wie aufwendig es ist, einen Betrieb zu führen. Aber ich finde das gar nicht schlimm, denn man wächst an seinen Aufgaben und kann sich vieles selbst erarbeiten.“
Bei der Gründung hatte er keine Probleme, eher mit den Lieferanten. Er wollte von Anfang an im mittleren Preissegment landen. „So kann ich den Augenoptikern den nötigen Spielraum lassen“, sagt der 27-Jährige. Nach vielen E-Mails fand er die richtige Firma. „Ich arbeite aktuell mit zwei Firmen zusammen, die ihren Sitz in Hongkong haben und genau das bieten, was ich brauche.“
Seine Kollektion kann nur in augenoptischen, inhabergeführten Geschäften gekauft werden. „Ich arbeite weder mit Ketten, noch mit Onlinehändlern zusammen. Das soll auch in Zukunft so bleiben“, macht Dreiner deutlich. Seine Brillen haben Namen bekommen, er findet das persönlicher. „Im Verkaufsgespräch merke ich immer, dass der Kunde mit einem Namen mehr anfangen kann, als mit einer Nummer. So wird die Brille greifbarer für ihn“, verrät der Augenoptiker weiter. Besonders stolz ist er auf die persönliche Note. Er sieht sich als Partner der inhabergeführten Augenoptiker. „Bei uns sind die Wege kurz. Ich bearbeite jeden Auftrag persönlich und übernehme auch den Vertrieb. Ich glaube, dass schätzen viele meiner Partner!“
Sein Tipp an junge Unternehmer:
„Jedes Projekt ist anders. Das wichtigste ist immer, es einfach zu machen. Viele Dinge ergeben sich dann von selbst!“
Autorin: Ann-Katrin Zellner
Teil 2 von „Selbstständig werden“ präsentiert in der Oktober-Ausgabe Tipps und wichtige Hinweise für Gründer von einer Frau, die es wissen muss. Außerdem stellen wir einen vorbildlichen Businessplan für die Augenoptik vor und nennen Anlaufstellen und Info-Portale, bei denen ihr euch vorab zum Thema Selbstständigkeit informieren könnt.