Thomas Heimbach besuchte innovative Unternehmen in Israel
Auch ein Besuch bei der deutschen Botschaft in Tel Aviv stand auf dem Programm der Handwerks-Delegation.
Erstveröffentlicht in der DOZ 10I24
Seit mittlerweile mehreren Monaten bestimmen die Unruhen im Nahen Osten mitunter die Berichterstattung hierzulande. Vielen wird dabei sicherlich noch der Raketenangriff der Hisbollah auf einen Fußballplatz auf den Golanhöhen in Erinnerung sein, bei dem Ende Juli 13 Kinder und Jugendliche getötet und etwa 35 Menschen verletzt wurden. Nahezu zeitgleich landete rund 200 Kilometer entfernt am Flughafen Tel Aviv eine Delegation aus Nordrhein-Westfalen für einen länger geplanten Israel-Besuch. Unter der Leitung von Staatssekretär Matthias Heidmeier vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW waren Vertreter aus Wirtschaft und Handwerk mit an Bord, unter diesen auch Thomas Heimbach. „Ich bin vom Unternehmerverband Handwerk NRW angesprochen worden, ob ich Interesse hätte, die Delegation zu begleiten“, erzählt der Vorsitzende des AOV NRW. Bei seinem „Ja“, das er sich auch von seiner Frau einholte, ahnte Heimbach natürlich noch nichts von besagtem Angriff und auch nichts von dem wenige Tage vor Ankunft der Delegationen stattfindenden Raketenangriff der Huthi auf die israelische Küstenstadt. „Wir haben das Einschussloch der Rakete gesehen. Der Krieg ist dadurch natürlich wieder in bisschen näher in den Fokus gerückt und man hat sich so seine Gedanken gemacht“, gibt Heimbach Einblick in seine damalige Gefühlslage. Dennoch sei es keine Angst gewesen, die er verspürt habe, sondern eher sei er mit einer gewissen Vorsicht an den Besuch herangegangen. „In manchen Regionen der Welt bin ich eh vorsichtig. Und wenn man in einem Restaurant in Deutschland vielleicht schaut, wo sich der Notausgang befindet, schaut man dort als erstes, wo es denn zum Bunker geht.“
Und so sei die Stimmung auch eine ganz andere gewesen als bei einem privaten Besuch Israels einige Jahre zuvor. Viel mehr Anspannung habe in der Luft gelegen und viele seien immer noch bewegt und traumatisiert gewesen von dem, was am 7. Oktober vorigen Jahres passiert sei. „Die Hamas ist mit dem erklärten Ziel in Israel eingefallen, Menschen zu töten. Es ging ihnen nicht um Landgewinne oder um Geiseln für eine bessere Verhandlungsposition“, meint Heimbach. Besonders betroffen habe ihn der Anblick eines Kleinkinds mit schwersten Verbrennungen gemacht. Die Hamas hätten das Kind und dessen Eltern in einen Keller einsperrt, eine Gasflasche ins Haus geworfen und diese gesprengt. „Die Eltern haben sich über das Kind gelegt, um es zu schützen und sind dabei verbrannt“, erzählt der Verbandsvorsitzende sichtlich angefasst. Beim Gegenangriff Israels auf den Gazastreifen müsse sich Israel auf der anderen Seite aber zumindest vorwerfen lassen, nicht genug für den Schutz der Zivilbevölkerung getan zu haben.
Einblick in die Innovationskraft und Kreativität des Landes
Themen, die natürlich auch bei den Besuchen der deutsch-israelischen Außenhandelskammer, der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen sowie der Deutschen Botschaft mit Botschafter Steffen Seibert nicht außen vor gelassen werden konnten, auch wenn die Intention der Reise eine andere war. Schließlich ging es in erster Linie darum, einen Einblick in die Innovationskraft und Kreativität des Landes zu bekommen. Zwar dürfte einigen Augenoptikerinnen und Augenoptikern bekannt sein, dass Glashersteller Shamir (seit 2022 in Besitz von EssilorLuxottica) seinen Ursprung und Hauptsitz in Israel hat, weitaus weniger Branchenteilnehmer, am ehesten noch LowVision-Spezialisten, wissen, dass die Firma OrCam ebenfalls in Israel beheimatet ist. Bei OrCam bekam die deutsche Delegation eine Live-Vorführung der kleinen Kamera, die angebracht an den Brillenbügel Texte vorlesen, Geldscheine und Gesichter erkennen und sogar über WLAN eine Google-Suche starten kann (die DOZ hatte die OrCam bereits in Ausgabe 08|24 einem Praxistest unterzogen). Auch Heimbach durfte die Kamera einem Selbsttest unterziehen und kam zu dem Fazit: „Das hat sehr gut funktioniert.“
Bei der Firma OrCam konnte Thomas Heimbach live die Funktionen der „Vorlesekamera“ testen.
Etwas skeptischer blickte der Geschäftsführer der Blickfelder GmbH da schon auf eine Entwicklung der Firma Novasight. Die stellte der Gruppe eine Art Amblyopiebrille vor, die nicht etwa Amblyopien erkennen, sondern diese therapieren soll. „Angeblich schafft die Brille bei Refraktionsamblyopien einen Anreiz, wieder in der Fovea zu fokussieren. Da bin ich mir noch nicht so sicher, wie gut das funktioniert“, urteilt Heimbach. Eingebettet waren diese beiden Firmenbesuche in eine ganze Reihe anderer Stops bei Hightech-Unternehmen oder Start-ups. Von morgens früh bis in den Abend waren die Termine durchgetaktet. Nachhaltigen Eindruck hinterließ beispielsweise eine Minikamera, die normalerweise zur Fluginspektion im militärischen Bereich eingesetzt wird. Die Firma Given Imagine aber hat die Kamera in eine tablettengroße Applikation eingebaut, die geschuckt werden kann und anschließend tausende Fotos des Magen- und Darmtrakts macht. „Das könnte in Zukunft die klassische Darmspiegelung ersetzen“, glaubt Heimbach.
Ebenso fasziniert zeigte er sich von einem Unternehmer, der versprach, 96 Prozent der Materialien eines Hauses recyclen zu können, oder von einem Erfinder, der eine Fliese entwickelt hat, die nur noch bei einem Zehntel der normalen Temperatur gebrannt wird – also bei 96 statt bis zu 1.000 Grad. „Wir haben ganz viele dieser Innovationen gesehen und zahlreiche Gespräche geführt“, berichtet Heimbach. Dabei habe er von allen Beteiligten echte Dankbarkeit gespürt, weil die Gruppe seit Beginn des Krieges erst die dritte Delegation aus Deutschland gewesen sei, die eine Reise nach Israel auf sich genommen hatte. „Sie haben sich ein wenig alleingelassen gefühlt.“
Führung durch Tochter von zwei KZ-Überlenden
Ein Programmpunkt fernab von wirtschaftlichen Interessen ist Heimbach darüber hinaus ganz besonders in Erinnerung geblieben: der Besuch der internationalen Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem. Die Führung übernahm eine ältere Dame, die Tochter von zwei KZ-Überlebenden, die sich überdies auch noch im Konzentrationslager kennengelernt hatten. „Ich hatte bislang noch nie Gelegenheit mit jemandem zu sprechen, der aus erster Hand wusste, wie es dort abgelaufen ist. Das war sehr bewegend.“
Trotz der politisch zugespitzten Lage war Heimbach am Ende froh, die Reise mitgemacht zu haben. „Wenn man sagt, dass unsere Staaten befreundet sind, dann muss man das auch in solche Situationen zeigen. Auch wenn dies bedeutet, dass man ein kleines eigenes Risiko für sich in Kauf nehmen muss.“ Natürlich habe auch seine Frau sich Sorgen aufgrund der politischen Entwicklungen gemacht. „Deshalb habe ich ihr immer geschrieben, dass alles o.k. und friedlich ist.“ Und am Ende Eindrücke mit nach Hause genommen, die bewegend und inspirierend gewesen sind.