Bei Eigenlabeln und Kontaktlinsen, Reparaturen und Nachverglasungen

Wann der Augenoptiker laut MDR zum Hersteller wird

Seit vor rund zehn Jahren Silikon minderer Qualität für einen Medizinskandal sorgte, ist die Europäische Union dabei, die Medizinprodukteverordnung auf einen neuen Standard zu heben. Unter anderem sind Dokumentationspflichten (QS-Systeme) für Hersteller hinzugekommen und haben in der Augenoptik insbesondere die Kontaktlinsenhersteller zwei Jahre in Atem gehalten. Was die EU-MDR, wie die Europäische Medizinprodukteverordnung abgekürzt heißt, für Augenoptikbetriebe bedeutet, erfahren Sie hier.
EU-MDR-Paragraphen
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Erstveröffentlicht in der DOZ 02I23

Teil 1 bzw. eine kurze Einführung in die neue EU-Medizinprodukteverordnung finden Sie hier: Eine Brille - aber drei Medizinprodukteverordnung (+Artikel)

Die MDR soll sicherstellen, dass Medizinprodukte, die in der EU verkauft werden, den Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Leistung entsprechen. Sie betrifft alle Arten von Medizinprodukten, einschließlich implantierbarer Geräte, diagnostischer Tests und Hilfsmittel für den täglichen Gebrauch (vergleichen Sie dazu auch den vorherigen Artikel auf Seite 16). Ziel der MDR ist, die Sicherheit von Medizinprodukten in der Europäischen Union zu erhöhen und deren Qualität sicherzustellen. Die MDR definiert Anforderungen an die Herstellung, die Vermarktung und die Überwachung von Medizinprodukten und legt fest, wie diese produktspezifischen Anforderungen erfüllt werden müssen. Ebenso enthält sie Regelungen zur Marktüberwachung und zum Rückruf von Medizinprodukten, die sich als unsicher erweisen. So müssen alle Medizinprodukte, die in der EU verkauft werden sollen, von einer „personenbezogenen oder verantwortlichen Person“ gemäß den Anforderungen der MDR zugelassen werden, bevor sie auf den Markt gebracht werden. Diese personenbezogene oder verantwortliche Person muss nachweisen, dass das Medizinprodukt den Anforderungen der MDR entspricht. Des Weiteren bestimmt die MDR, dass Produkte, die vor ihrem Inkrafttreten zugelassen worden sind, bis spätestens 26. Mai 2024 überprüft werden müssen, um sicherzustellen, dass sie den Anforderungen der MDR entsprechen.

Augenoptikerinnen und Augenoptiker sind nur bedingt durch die MDR betroffen. Während zum Beispiel Kontaktlinsenunternehmen in Deutschland seit rund zwei Jahren mit der Umsetzung der neuen Richtlinien beschäftigt sind, haben Augenoptikbetriebe nur stellenweise Berührung mit der EU-MDR. Der Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen (ZVA) hat dazu einen Leitfaden erstellt, der verdeutlicht, welche Verpflichtungen mit der neuen MDR auf Augenoptikerinnen zukommen. Da Brillen und Kontaktlinsen zu den Medizinprodukten gezählt werden, sollten Augenoptiker von den Anforderungen bei der Arbeit mit diesen Produkten gehört haben. Denn: Gibt ein Augenoptiker Medizinprodukte an einen Verbraucher ab, treffen ihn die medizinprodukterechtlichen Händlerpflichten. Ob weitere Pflichten hinzukommen, muss im Einzelfall entschieden werden. Herstellerpflichten hat eine Augenoptikerin in der Regel keine zu erfüllen. Allerdings gibt es ein paar Ausnahmen:

Eigenlabel. Vertreibt ein Augenoptikbetrieb Fassungen oder Kontaktlinsen mit Eigenlabel, tritt er im Rechtsverkehr als Hersteller dieser Produkte auf. Damit das vermieden wird, muss für den Kunden trotz Eigenlabel ersichtlich sein, wer das Produkt tatsächlich hergestellt hat und die damit verbundenen Herstellerpflichten übernimmt. Dies kann anhand der Fassungsbezeichnung, in der Patienteninformation oder auf der Rechnung deutlich gemacht werden.

Verglasen einer vorhandenen Fassung. Hier ist der Betrieb in Bezug auf die neuen Brillengläser und die damit einhergehenden Anpassungspflichten bei deren Einarbeitung in der Händlerpflicht. Auf der Rechnung wie auch der Patienteninformation nach § 9 MPDG (Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz) muss vermerkt sein, dass es sich bei der Nachverglasung um eine Reparatur handelt.

Reparatur. Beim Austausch von Ersatzteilen (zum Beispiel eines Bügels) muss sich der Augenoptikbetrieb beim Hersteller gegensichern, dass diese Ersatzteile dazu verwendet werden können. Das erfolgt auf Herstellerseite durch eine Konformitätserklärung. Unter Reparatur fallen auch Kitten und Löten sowie weitere Modifikationen der Fassung (wie Erwärmen, Bügel verlängern etc.) Die fachgerechte Ausführung dieser Reparaturen muss gewährleistet sein. Ebenso muss die Augenoptikerin garantieren können, dass die Sicherheit des Produktes nicht beeinträchtigt wurde. Nach dem Medizinprodukterecht entstehen ansonsten keine weiteren Verpflichtungen, solche Reparaturen sind also unproblematisch möglich.

Kontaktlinse. Wenn der Augenoptiker die Kontaktlinse selbst bearbeitet, sei es zum Beispiel am Rand, hat er die Herstellervorgaben des Kontaktlinsenherstellers im besonderen Maße zu berücksichtigen. Wenn der Hersteller zum Beispiel die Bearbeitung untersagt, dann ist der Augenoptikbetrieb in der Herstellerpflicht und es trifft ihn die volle zivilrechtliche Haftung. Ist Bearbeitung nach Herstellervorgaben zulässig, gibt es nichts anzumerken. Gibt es keine Vorgaben aus Herstellerseite und keine Bedenken aus fachlicher Sicht, übernimmt der Augenoptikbetrieb ebenfalls die volle zivilrechtliche Haftung für die Kontaktlinsenversorgung – ohne in die Herstellerrolle nach Medizinprodukterecht zu fallen.

Augenoptikbetriebe in der Rolle des Händlers

Des Weiteren haben Augenoptikbetriebe nach Auffassung des Medizinprodukterechts die Rolle des Händlers inne. In dieser obliegen ihm diverse Prüfpflichten. So muss er zum Beispiel ab Mai 2023 überprüfen, ob ein CE-Zeichens und eine UDI (Unique Device Identifier) auf den Kontaktlinsenverpackungen und Pflegemitteln vorhanden ist. Zudem muss jedem Medizinprodukt (dazu gehören selbst Nasenpads) eine EU-Konformitätserklärung beiliegen. Findet sich beim Produkt keine, ist der Hersteller verpflichtet, eine solche auf Anfrage vorzulegen. Außerdem müssen Hersteller Informationen zu Kontakt linsen beilegen, zum Beispiel in Form einer Gebrauchsanweisung, die wiederum der Augenoptiker den Kunden zur Verfügung stellen muss. Bei Brillenfassungen und Brillengläsern ist dies nicht nötig.

Was die Prüfungen der Produkte angeht, gibt der ZVA in seinem Leitfaden allerdings Entwarnung. Der Augenoptiker muss nicht bei jedem Medizinprodukt prüfen. Er sollte sich auf „repräsentative, zu dokumentierende Stich proben beschränken“. Eine Mindestanzahl an Stichproben ist nicht vorgegeben, sollte allerdings dem Hersteller- Händler-Verhältnis nach angemessen sein. Eine Ausnahme stellen importierte Medizinprodukte solcher Hersteller dar, die ihren Sitz außerhalb Europas haben. „Bei solchen Importen benötigen die „ausländischen“ Hersteller einen sogenannten Bevollmächtigten, ein Unternehmen mit Sitz in der EU, der die Rolle des Herstellers und somit all seine Pflichten für die Medizinprodukte auf dem Unionsmarkt übernimmt.“ Es muss also ein Ansprechpartner und Verantwortlicher mit Sitz in der EU für das Produkt genannt sein.

Zehnjährige Dokumentationspflicht bei der Anpassung einer Brille

Den Augen optikbetrieb betreffen weiterhin Händlerpflichten, die für alle Medizinprodukte gültig sind, die von ihm verkauft werden. Dies sind Prüf- und Informationspflichten, eine Register- und eine Kooperationspflicht sowie die Verpflichtung, die Transport- und Lagerbedingungen zu beachten. Was die Anpassung der Brille angeht, sind Augenoptikbetriebe an eine zehnjährige Dokumentationspflicht gebunden. Als Anpassung versteht der Gesetzgeber hier den Fertigungsvorgang einer individuellen Korrektionsbrille, für die der Betrieb in eine Brillenfassung Brillengläser einschleift. Grundlage hierfür ist die schriftliche Verordnung einer qualifizierten Person (die Augenoptikermeisterin oder eine gleichgestellte Person). Die Dokumentation der Fertigung muss folgende Daten enthalten: die schriftliche Verordnung, die Anpassungsdaten, die Angaben zur Identifizierung des Patienten und der verwendeten Produkte sowie die Erklärung, dass das Produkt dem aktuellen Stand der Technik angepasst wurde. 

Diese Dokumentation muss dem Kunden zum Beispiel in Form einer Patienteninformation zukommen. Eine Erleichterung gibt es: Die Anpassungspflichten gelten nur für die Anpassung individueller Korrektionsbrillen. Bei Fertiglesebrillen oder Kontaktlinsen gelten diese Pflichten nicht.

Detailliertere Informationen sowie notwendige Dokumente und Vorlagen für Ihre Kundenkommunikation, finden sich im Leitfaden des ZVA, der Mitgliedern als Download auf der Homepage des Verbands zur Verfügung steht.