Die Augenoptik im politischen Dialog; Teil1

„Wir haben sozusagen ein Auge und Ohr in Berlin“

„Gemeinsam gestalten“ ist seit 2011 das „aktiv gelebte Leitmotiv“ des ZVA. Was die politische Arbeit des Zentralverbands betrifft, beschreiben dabei vor allem die beiden Worte „aktiv“ und „gemeinsam“ sein Handeln: Die Verbandsvertreter gehen aktiv auf Akteure aus Politik und Gesetzgebung zu, um Interessen, Wünsche und Forderungen des Berufsstands zu lancieren und zu legitimieren. Im Politikbetrieb der Hauptstadt agiert der ZVA dabei gemeinsam mit den anderen Gesundheitshandwerken in einer Arbeitsgemeinschaft, um Synergien zu nutzen.

Im Dialog mit der Politik: Die Verbandspräsidenten Eberhard Schmidt (biha, links) und Christian Müller (ZVA, Mitte) diskutieren beim Parlamentarischen Abend der Gesundheitshandwerke im September vorigen Jahres mit Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

© ZDH / Boris Trenke

Erstveröffentlicht in der DOZ 02|25

Als Arbeitgeberverband ist der Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen (ZVA) nach eigener Darstellung „Ansprechpartner zu allen augenoptischen und optometrischen Themen für den Gesetzgeber, die zuständigen Bundesministerien (und nachgeordneten Behörden), Gerichte, Gewerkschaften und Krankenkassen“. Doch weil es ja manchmal etwas länger dauert, bis einen jemand anspricht, versucht der ZVA natürlich umgekehrt bei vielen aktuellen Themen „proaktiv“ – wie es auf Neudeutsch so schön heißt – im Sinne seiner Mitglieder Einfluss auf die relevanten Entscheidungen im weiten Feld der Gesundheitspolitik zu nehmen.

So setzt sich der ZVA auf europäischer Ebene aktuell über die Mitgliedschaft im Europäischen Augenoptikerverband ECOO für harmonisierte Standards in der Augengesundheitsvorsorge ein, damit die steigende Nachfrage nach augenmedizinischen Dienstleistungen, die in fast ganz Europa verzeichnet wird, auch zukünftig gedeckt werden kann. Auf nationaler Ebene fordert der Verband vom Staat derzeit unter anderem mehr Initiative gegen den immer bedrohlicher werdenden Fachkräftemangel und erweiterte Kompetenzen für Augenoptiker bzw. eine Anpassung des Versorgungsmonopols der Ärzteschaft an den Versorgungsalltag. Doch wo – um frei nach Loriot zu fragen – fordern die Verbandsvertreter denn eigentlich? Und wie ist dieser wichtige Bereich des „politischen Dialogs“ strukturiert und organisiert? Diesen Fragen ging DOZ-Redakteur Tom Theilig im Gespräch mit ZVA-Geschäftsführer Dr. Jan Wetzel auf den Grund.

DOZ: Der ZVA vertritt vom Wunsch nach Entbürokratisierung bis zur Ausweitung des Meister-BAföGs viele Anliegen der Augenoptik. Doch so vielfältig die Themen sind, so vielfältig sind vermutlich auch die Kommunikationskanäle und Adressaten?

Dr. Jan Wetzel: Zunächst gibt es Themen, die für die gesamte Wirtschaft und das gesamte Handwerk von Bedeutung sind. So haben wir als Vertreter der personalintensiven Augenoptik ein Interesse daran, dass die Lohnnebenkosten nicht zu stark steigen. Darüber hinaus ist es für uns als Verband wichtig, dass die Regelungen zur Schenkungs- und Erbschaftssteuer so ausgestaltet werden, dass eine Betriebsübergabe an die nächste Generation reibungslos möglich bleibt. Der Mindestlohn muss mit Augenmaß ausgestaltet werden, um den Lohnabstand zu qualifizierten Mitarbeitern in den Augenoptikbetrieben nicht zu gefährden. All diese Themen greifen wir als Verband im Rahmen unserer Mitgliedschaft im Unternehmerverband des Deutschen Handwerks UDH auf, da sie auch alle anderen Gewerke betreffen. Unsere Aufgabe ist es hier, die spezifische Betroffenheit der Augenoptik gegenüber dem UDH zu verdeutlichen.

Dann gibt es sicher speziellere Themen, die zum Beispiel für die Bau- und Ausbauhandwerke nicht so wichtig sind …

Genau. Sie sind aber für uns und die anderen Gesundheitshandwerke relevant: Wie ist die Medizinprodukteverordnung zu verstehen oder welche Regelungen gelten für die Versorgung mit Hilfsmitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen? Um hier möglichst effektiv vorzugehen, haben wir uns mit der Bundesinnung der Hörakustiker, dem Bundesinnungsverband Orthopädie-Technik, dem Verband der Deutschen Zahntechniker-Innungen und dem Spitzenverband Orthopädie-Schuhtechnik zur „Arbeitsgemeinschaft Gesundheitshandwerke“ zusammengeschlossen, die organisatorisch mit einer eigenen Stelle im Referat „Soziale Sicherung“ beim ZDH in Berlin angesiedelt ist und von Referatsleiter Markus Schäfer betreut wird.

„Um als relativ kleiner Branchenverband alle relevanten Themen abdecken und die Interessen des Berufsstands umfassend vertreten zu können, müssen Synergien genutzt werden“, weiß ZVA-Geschäftsführer Dr. Jan Wetzel.

© ZDH/Peter Lorenz

Warum ist dieser Zusammenschluss sinnvoll?

Sowohl im Vergleich mit anderen Handwerksbranchen, wie zum Beispiel dem Kfz-Handwerk mit rund 450.000 oder dem Elektrohandwerk mit rund 530.000 Beschäftigten, ist die Augenoptik nicht nur hinsichtlich der Zahl der Arbeitsplätze, sondern auch hinsichtlich denen der Auszubildenden, der Betriebsstätten und des Branchenumsatzes relativ klein. Dies gilt umso mehr, wenn man den Blick über das Handwerk hinaus erweitert. Dies gilt auch für die anderen Gesundheitshandwerke. Um als relativ kleiner Branchenverband alle relevanten Themen abdecken und die Interessen des Berufsstands umfassend vertreten zu können, müssen Synergien genutzt werden. Dazu müssen zunächst die Interessen der eigenen Branche geordnet werden. Wenn dann die Gesundheitshandwerke mit 200.000 Beschäftigten, 20.000 Auszubildenden und 25.000 Betrieben zum Beispiel zu unserem jährlichen „Parlamentarischen Abend“ einladen, ist die Resonanz bei Bundesministerien und Parlamentariern deutlich größer, als wenn die Augenoptik mit 40.000 Beschäftigten, 6.500 Auszubildenden und 11.000 Betrieben einlädt.

Der Unternehmerverband des Deutschen Handwerks im ZDH

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) mit Sitz in Berlin bündelt die Arbeit von 53 Handwerkskammern, rund 50 Fachverbänden des Handwerks auf Bundesebene sowie wirtschaftlichen und sonstigen Einrichtungen des Handwerks in Deutschland. Innerhalb des ZDH bilden die Zentralfachverbände sowie weitere Kooperationspartner gemeinsam den Unternehmerverband Deutsches Handwerk (UDH). Der UDH hat die Aufgabe, die gemeinsamen fachlichen, beruflichen, wirtschaftspolitischen, sozialpolitischen und kulturellen Belange der ihm angehörenden Mitgliedsverbände zu vertreten. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt auf der Tarif- und Sozialpolitik.

Last but not least gibt es aber auch Themen, die ausschließlich die Augenoptiker betreffen. Wie behandeln Sie diese?

Das sind gar nicht so wenige: So setzen wir uns zum Beispiel dafür ein, dass ein Wiederholungssehtest eingeführt wird, dass Augenoptiker auch den Sehtest für den Lkw-Führerschein durchführen dürfen und dass die Aus- und Fortbildungsordnungen in der Augenoptik zeitgemäß sind. Daneben gibt es eine ganze Reihe von Krankenkassenthemen, die ausschließlich augenoptischen Bezug haben, wie etwa die Versorgung mit vergrößernden Sehhilfen, bei Kindern oder mit therapeutischen Sehhilfen. Für all diese Themen müssen wir aufgrund unserer ausschließlichen Betroffenheit allein einstehen.

Dennoch hilft auch bei dieser Aufgabe die Arbeitsgemeinschaft der Gesundheitshandwerke: Welche Regelungen haben die Hörakustiker in ihre Fortbildungsordnung aufgenommen? Wie organisieren die Zahntechniker ihre Verbandstagungen? Wie haben es die Orthopädietechniker geschafft, eine so erfolgreiche Jahrestagung auf die Beine zu stellen? Wie sehen die Ausbildungszahlen in den anderen Gesundheitshandwerken aus und welche Maßnahmen werden ergriffen, um diese zu erhöhen oder zumindest zu stabilisieren?

Die Arbeitsgemeinschaft Gesundheitshandwerke

Augenoptiker, Hörakustiker, Zahntechniker und (Schuh-)Orthopädietechniker versorgen die Bevölkerung mit individuell ausgewählten und angepassten Medizinprodukten und Dienstleistungen. Sie zählen zu den systemrelevanten Gesundheitsberufen. Deutschlandweit gibt es etwa 35.000 Betriebe der Gesundheitshandwerke, die als Arbeitgeber ca. 200.000 Menschen beschäftigen, davon knapp 20.000 Auszubildende. Zur gebündelten Vertretung ihrer Interessen im politischen Berlin haben die Spitzenverbände – neben dem ZVA sind das die Bundesinnung der Hörakustiker (biha), der Bundesinnungsverband Orthopädietechnik und der Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI) im Jahr 2010 die „Arbeitsgemeinschaft Gesundheitshandwerke“ gegründet und eine eigene Stelle im Referat „Soziale Sicherung“ des ZDH etabliert. Die Kosten dafür werden geteilt.

Das ZVA-Präsidium (v. l.: Präsident Christian Müller, Vizepräsidenten Armin Ameloh und Kai Jaeger) beim Parlamentarischen Abend der Gesundheitshandwerke im September in Berlin.

© ZVA/Peter Magner

Allerdings sind die Themen für die einzelnen AG-Mitglieder nicht immer gleich relevant, oder?

Ja, wir als ZVA haben beispielsweise oft eine etwas andere Sicht auf Krankenkassenthemen als die anderen Gesundheitshandwerke. Das lässt sich oft dadurch erklären, dass der durchschnittliche Anteil, den ein Betrieb mit den Krankenkassen erwirtschaftet, in der Augenoptik deutlich geringer ist als in den anderen Gesundheitshandwerken. Somit stellt etwa die Einführung des elektronischen Kostenvoranschlags für die Augenoptikbetriebe rein betriebswirtschaftlich eine deutlich höhere Belastung dar. Der Filialisierungsgrad – um ein weiteres Beispiel zu nennen – ist in der Hörakustik und Augenoptik deutlich höher als in den anderen Gewerken. Dafür ist das medizinprodukterechtliche Thema „Sonderanfertigung“ für uns im Gegensatz zu den Zahntechnikern und Orthopädietechnikern nicht relevant.

Trotzdem überwiegen offenbar die Vorteile dieser Zusammenarbeit …

Der große Vorteil der Arbeitsgemeinschaft der Gesundheitshandwerke ist, dass sie in Berlin angesiedelt und in die Struktur und Organisation des Zentralverbands des Deutschen Handwerks eingebunden ist. Damit haben alle Verbände der Gesundheitshandwerke, die bis auf die Zahntechniker ihren Verbandssitz nicht in der Hauptstadt haben, mit unserem Referenten Herrn Schäfer eine Person im politischen Zentrum Deutschlands. Er ist sozusagen „Auge und Ohr“ in Berlin. Gleichzeitig stimmt er die Positionen der Verbände ab, findet Formulierungen, mit denen alle Gesundheitshandwerke leben können. Darüber hinaus organisiert er mit dem Arbeitskreis Formate, in denen wir Verbände uns austauschen können. Und schließlich die wichtigste Aufgabe: die Organisation von Veranstaltungen wie Parlamentarische Frühstücke oder des jährlichen Parlamentarischen Abends der Gesundheitshandwerke, bei denen wir mit Bundestagsabgeordneten der verschiedenen Fraktionen ins Gespräch kommen.

Der europäische Augenoptikerverband ECOO

Der Dachverband European Council of Optometry and Optics (ECOO) hat Mitglieder aus 25 Ländern und über 40 Verbänden sowie zusätzliche Mitglieder – aus Deutschland sind das die Vereinigung Deutscher Contactlinsen-Spezialisten und Optometristen (VDCO) sowie die Wissenschaftliche Vereinigung für Augenoptik und Opto metrie (WVAO). Aufgaben sind unter anderem der Informationsaustausch und das Vorantreiben von Studien und Projekten zur Entwicklung euro päischer Standards. Darüber hinaus stellt ECOO Marktdaten in Form des „Blue Book“ bereit und gibt Positions papiere zu Themen wie Myopie oder Nachhaltig keit heraus. Für den ZVA sitzt Vize präsident Kai Jäger im ECOOAusschuss für öffentliche Angelegenheiten und Wirtschaft.

 

Im zweiten Teil des Artikels „Die Augenoptik im politischen Dialog“ stellen wir Markus Schäfer, „unseren Mann in Berlin“ vor und zeichnen die konkreten Wege nach, auf denen er die Wünsche und Forderungen der Gesundheitshandwerke – und damit auch jene der Augenoptik – an die Parlamentarier bringt.