Mittelständische Augenoptiker im Wettbewerb

Pfeile, die genau in der Mitte einer Zielscheibe stecken
Wie bleiben mittelständische Augenoptiker erfolgreich am Markt?
© Peterschreiber / AdobeStock

Der mittelständische Augenoptiker verliert im Durchschnitt jährlich Marktanteile an die Filialisten. Im Durchschnitt! Denn einige mittelständische Augenoptiker schaffen es, sich erfolgreich gegen diese Tendenz zu stemmen. Was machen diese anders als die Masse? Die DOZ sprach darüber mit Thomas Heimbach, Geschäftsführer der Blickfelder GmbH.

Die augenoptische Karriere von Thomas Heimbach startete gelinde gesagt holprig. Zwei Mal musste er sich in seiner Ausbildung zum Augenoptiker einen neuen Betrieb suchen – die Geschäfte schlitterten in die Insolvenz. Daraufhin schwor sich Thomas Heimbach eigentlich, nie in die Selbstständigkeit zu gehen. Eigentlich … Denn heute ist er erfolgreicher Inhaber von 18 Geschäften in Nordrhein-Westfalen. Und die Zeichen stehen auf weiteres Wachstum. Sein Credo: „Wer sich am Markt nicht richtig positioniert, nur rea­giert statt agiert oder sich gar auf seinen Lorbeeren ausruht, der hat auf Dauer keine Chance mehr.“

DOZ: Herr Heimbach, welche Entwicklungen in der Augenoptik sehen Sie im Allgemeinen als positiv an und welche Entwicklungen spielen im Besonderen den mittelständischen Augenoptikern in die Karten?

Thomas Heimbach: Es gibt einen Trend – zumindest in einem Teil der Bevölkerung – hin zu höherwertigen Produkten. Mercedes, BMW und Porsche verkaufen mehr Autos denn je. Somit gibt es also jenseits von Billigketten eine Existenzberechtigung für Anbieter im Mittel- und Hochpreissegment – sofern man gut positioniert ist: wenn man einen schicken Laden hat, eine besondere Brillenauswahl oder optometrische Dienstleistungen anbietet, die eine immer größere Rolle spielt. Wichtiger denn je sind aber auch Kompetenzen in Marketing und Online. Dreiviertel der Käufer informieren sich vorher online. Es gilt, diese Kunden dort abzuholen und in unsere Geschäfte zu lotsen.

Umsatzentwicklung Brillen Erfa-Light

Verkaufte Brillen pro Jahr

Trotz dieser positiven Faktoren sieht sich der durchschnittliche mittelständische Augenoptiker seit Jahren sinkenden Stückzahlen gegenüber. Der Grund dafür ist ein Kundenverlust: Circa ein Prozent seiner Kundschaft verliert der mittelständische Augenoptiker pro Jahr im Durchschnitt. Viele Augenoptiker versuchen, diesen Kundenverlust über einen höherwertigen Verkauf zu kompensieren …

Thomas Heimbach
Thomas Heimbach © privat

Der Durchschnittspreis ist laut Erfa-Light in den letzten zehn Jahren um 33 Prozent gestiegen. Das halte ich nicht für problematisch, denn in diesem Zeitraum gab es eine Verschiebung innerhalb des Port­folios hin zu mehr Gleitsicht- und höherwertigen Brillen. Einen ähnlichen Effekt sieht man auch in anderen Märkten, wie zum Beispiel in der Automobilindustrie. Gefährlich ist die Entwicklung aber dann, wenn ein Umsatzzuwachs nur aufgrund der höheren Preise zustande kommt.

Noch besorgniserregender ist aber eine andere Entwicklung: Der gesamte Branchenumsatz ist in den vergangenen zehn Jahren um rund 30 Prozent gestiegen, was erst einmal erfreulich ist. Aber der Umsatz eines Erfa-Light-Teilnehmers, also eines typischen mittelständischen Augenoptikers, ist in diesen zehn Jahren nur um sechs Prozent gestiegen. Das ist problematisch, denn damit ist das Umsatzwachstum geringer als die Inflationsrate.

Wie erfolgreich sind die Bemühungen am Markt, den Stückzahlenverlust durch einen Mehrbrillenverkauf zu kompensieren? Oder anders gefragt: Welches Potenzial hält der Mehrbrillenverkauf für die Branche noch bereit?

Die am Markt gut positionierten Kolleginnen und Kollegen in guter Lage haben teilweise durchaus einen Stückzahlzuwachs. Wir haben gerade in den vergangenen vier bis fünf Jahren gemerkt, dass die Bemühungen Erfolge zeigen. Entscheidend sind hier die Kompetenzen – sowohl unsere als auch die unserer Mitarbeiter. Ich merke, dass da, wo die Teams den Mehrbrillenverkauf als „Challenge“ sehen, der Erfolg riesig sein kann!

Das Wiederbeschaffungsintervall für Brillen liegt je nach Studie zwischen drei und vier Jahren. Wie kann der Augenoptiker dieses senken? Ist zum Beispiel ein Mailingzyklus ein erfolgversprechender Ansatz?

Auf jeden Fall! Wobei festzustellen ist, dass klassische Mailings vor 15 Jahren höhere Rücklaufquoten hatten als heute und dass man immer wieder „eine neue Sau durchs Dorf treiben muss“. Gute Erfolge erzielt man mit Kombis aus PR und Werbung, etwa mit neuen Mess- und Refraktionsgeräten, neuer Brillenglastechnik etc. Kundenevents und Social-­Media-­Aktivitäten sind ebenfalls unverzichtbar. Hier stößt allerdings der mittelständische Augenoptiker schnell an seine Grenzen und ist gut beraten, Anbieter ins Boot zu holen, die helfen können, wie Marketingexperten oder gegebenenfalls (gute) Einkaufsgruppen.

Neben der Neukundengewinnung ist die Kundenbindung elementar wichtig. Jährlich verlieren die mittelständischen Augenoptiker rund ein Prozent ihrer Kunden …

Richtig, auch hier machen wir mit der oben schon erwähnten durchs Dorf getriebenen Sau gute Erfahrungen. Wir erstellen für unsere Betriebe Marketingpläne, an denen wir uns orientieren, die wir aber auch flexibel anpassen. Getreu dem Motto: „Kein Plan überlebt den ersten Feindkontakt“.

Grafik: Analyse der Kundenstruktur eines Blickfelder Betriebs

Wie Analysen zeigen, verliert der mittelständische Augenoptiker vor allem Kunden im jüngeren Alterssegment, Kunden zwischen zehn und 40 Jahren. Welche Möglichkeiten sehen Sie, dieser Tendenz entgegenzuwirken?

In der Regel sind ältere Kunden konservativer und treuer und nicht mit dem Internet aufgewachsen. Gerade für junge Kunden gilt, online sichtbar und attraktiv zu sein. Social Media und vor allem die eigene Webseite sind wichtig. Kürzlich habe ich einen Vortrag von Christoph Baum (ZVA) zum Thema lokale Seo-Schule gehört, der mir viele Ansatzpunkte aufgezeigt hat. Und natürlich brauchen Sie für eine junge Zielgruppe andere Produkte, Services und Angebote. Um unsere Strategie zu überprüfen und unseren Erfolg zu analysieren, schauen wir uns regelmäßig den Lebensbaum unseres Kundenstamms an und vergleichen ihn.

Neben einem Mehr an Brillen bietet sich dem Augenoptiker ja auch ein Mehr an Kontaktlinsen, Sonnenbrillen etc. an …

Stimmt, damit tun wir deutschen Augenoptiker uns aber traditionell schwer. Der Kontaktlinsenmarkt in Deutschland ist kleiner als in unseren Nachbarländern. Warum? Und Sonnenbrillen werden zwar mehr denn je verkauft, insbesondere in 2018, als wir diesen Bombensommer hatten. So belegen Zahlen, dass mehr Sonnenbrillen denn je aus China nach Deutschland importiert wurden. Allerdings ist der Branchenumsatz in diesem Bereich in 2018 sogar eher rückläufig. Wo werden also diese Sonnenbrillen verkauft? In Tankstellen, Drogeriemärkten und immer mehr in Marken-Stores, in denen es zum Beispiel zur Mexx-Bluse gleich die passende Mexx-Sonnenbrille gibt.

Welche Bedeutung haben interne Betriebsanalysen (etwa auf Basis Ihrer Branchensoftware) für Sie beziehungsweise für Ihr Unternehmen?

Das ist für mich elementar! Vor jeder Aktion gibt’s eine sorgfältige Analyse: Kundenstruktur, Stückzahlen, Durchschnittspreise, Geschlechterverteilung, Stamm- und Neukundenquote – das alles ist die Basis unseres Marketingplans. Wir haben das Glück, dass wir gute Berater haben, auf die wir zugreifen können!

Neben Ihrer Funktion als Geschäftsführer der Blickfelder GmbH sind Sie auch Vorstandsmitglied des ZVA. Welche Hilfestellungen erhalten Augenoptiker durch den Zentralverband?

Der ZVA bietet sehr viel Infomaterial zum Download im Mitgliederbereich auf seiner Webseite und der Augenoptikerverband NRW, in dem ich Mitglied bin, hat Experten, die auch Unternehmensberatung anbieten und auf die die Mitglieder zugreifen können. Gerade was Unternehmensführung angeht, möchte ich diese Infos nicht missen – Datenschutzerklärung auf meinen Werbebriefen, Warnung vor Abmahnfallen im Impressum, der schon genannte Vortrag von Christoph Baum zu Local-Seo etc. Das alles sind richtig gute Hilfen für Unternehmer.

Grafik: Zusätzlich generierter Umsatz der Parteraugenoptiker

Viele Augenoptiker suchen Kooperationen mit Multi­channel-Anbietern wie Mister Spex, Brillen.de oder Brille24. Wie schätzen Sie diese Kooperationsform ein?

Für mich ist das keine Option. Was wäre ein Mister Spex ohne Partneroptiker? Er wäre, bis auf seine ursprünglichen Kerngeschäfte Sonnenbrillen und Kontaktlinsen, gar nichts. Alleine online zu agieren, kann er nicht. Er muss bei selbst verkauften Gleitsichtbrillen Warnhinweise beilegen – das sagt doch schon einiges. Und wenn jetzt kein Partneroptiker mehr Gleitsichtbrillen für Mister Spex verkauft, dann war es das für ihn. Gleichzeitig belegen Umfragen unter Partneroptikern, dass der Erfolg für diese überschaubar ist: Rund 50 Prozent der Betriebe machen durch diese Partnerschaften lediglich bis zu zwei Prozent mehr Umsatz, weitere 20 Prozent gerade einmal bis zu fünf Prozent Mehrumsatz …

Auch von Seiten der Industrie, und hier insbesondere von Essilor, werden Kooperationen angeboten, die das stationäre mit dem Online-Geschäft verknüpfen …

Generell bin ich zwar kritisch und eher zurückhaltend bei diesem Projekt. Wenn man aber fragt, welche Intention Essilor damit verfolgt, dann gehe ich davon aus, dass Essilor lieber für 100 Millionen Euro Brillengläser an die Mittelständler dieser Welt verkauft als an Großanbieter – weil Essilor bei uns höhere Preise realisieren kann. Von daher glaube ich, dass der mittelständische Augenoptiker bei Essilor nach wie vor ein gerngesehener Kunde ist, mit dem man auch zukünftig plant und dass man uns nicht die Kunden abspenstig machen will. Und hier sehe ich tatsächlich redliche Bemühungen seitens Essilor, wie zum Beispiel die Implementierung eines Beirats von mittelständischen Augenoptikern, der das Vorhaben kritisch begleiten soll. Kurzum: Wenn das Ziel einer solchen Kooperation ist, Kunden aus dem Netz in die augenoptischen Betriebe zu lotsen, ist das ein guter Ansatz. Den Nachweis, dass dies funktioniert, wird Essilor liefern müssen.

Das Interview führte Stephan Schenk