„Der beste Augenoptiker ist nicht automatisch der erfolgreichste Unternehmer“
Stefan Herburg ist Geschäftsführer der AOS Unternehmensberatung GmbH in Dortmund, einer Tochter des Augenoptiker- und Optometristenverbands NRW. Der Diplom-Volkswirt ist seit 1996 Berater im Gesundheitshandwerk, seit 2004 schwerpunktmäßig für Augenoptiker und Hörakustiker tätig und berät Existenzgründer. DOZ-Mitarbeiter Tom Theilig bat ihn zum Gespräch.
DOZ: Herr Herburg, warum sollte man als Existenzgründer eine Beratung durch einen Profi in Anspruch nehmen? Und wann hole ich ihn mit ins Boot?
Stephan Herburg: Der Erwerb eines Geschäfts ist eine Lebensentscheidung und üblicherweise mit hohem finanziellen Aufwand verbunden, der bei einem Scheitern in den allermeisten Fällen zu existenziellen Problemen führen kann. Hier heißt es, durch eine professionelle und branchennahe Begleitung die Risiken zu minimieren und alle Entscheidungen gut abzuwägen. Der Prozess der Existenzgründung zieht sich von den ersten Überlegungen bis zur Übernahme und den ersten Monaten danach über ein Jahr oder länger hin. Es ist gut, über diese Zeit einen Ansprechpartner für alle Themen um die Gründung, aber auch für Zweifel und Ängste an seiner Seite zu haben. Das heißt nicht, dass man täglich telefonieren muss!
Muss es denn eigentlich unbedingt eine Neugründung sein? Derzeit suchen viele etablierte Inhaber einen Nachfolger, der den Betrieb übernimmt...
Eigentlich ist es heutzutage praktisch nie eine Neugründung... Bei der aktuellen Wettbewerbssituation und der Tatsache, dass es fast keine „weißen Flecken“ mehr in Deutschland gibt, bietet sich eine Übernahme an. „Neugründung“ bedeutet, ohne Kunden zu starten und jeder weiß, wie schwer Neukundengewinnung ist. Da es aktuell viele gute Betriebe zu kaufen gibt, ist das grundsätzlich bestimmt die bessere Wahl.
Businessplan, Fördermittel, Marketing, Verträge – es gibt viele Bereiche, bei denen Beratung ansetzen kann. Wo benötigen aus Ihrer Erfahrung heraus die meisten Existenzgründer Unterstützung?
Das hängt von den Neigungen und Stärken des Gründers ab. Ein Gründer, der schon immer auch Interesse an kaufmännischen Themen hatte, benötigt eine andere Unterstützung als ein Augenoptiker, der sich vorwiegend über fachliche Expertise definiert. Aber die Liste der Themen und die daraus folgenden Aufgaben sind deutlich länger als hier beschrieben werden könnte. Welches Geschäft passt zu mir? Welcher Kaufpreis ist der richtige und welchen kann ich mir leisten? Wie finanziere ich? Welche Rechtsform ist die richtige? Nutze ich den Namen des alten Betriebs weiter? Muss ich investieren? Was will ich verändern? Welche Stärken kann ich einbringen? Das sind nur wenige der Fragen, die ich beantworten muss.
Und was ist das Besondere an der Augenoptik? Wo stehen Existenzgründer in unserer Branche speziellen Anforderungen gegenüber?
Die Branche gehört zum Handwerk, unterscheidet sich aber mit ihren vielen Besonderheiten in vielerlei Hinsicht von den klassischen Handels- und Handwerksbereichen. Insofern lassen sich hier kaum Vergleiche ziehen. Es gibt viele Punkte, die eine Übernahme deutlich von anderen Berufszweigen unterscheiden. Fragen Sie mal einen Fachfremden, was das „MPG“ ist, welche Rolle die Krankenkassen spielen, wie sich Datenschutz im Gesundheitswesen auf eine Übergabe auswirkt oder wie Warenbestände bewertet werden, um nur einige der Fragen zu stellen. Es ist also wichtig, einen Berater zu finden, der sich in der Augenoptik wirklich gut auskennt, aber bei dem man sich auch gut aufgehoben fühlt und der einen über den gesamten Prozess begleitet, also von der Suche nach dem richtigen Geschäft über Planungen, Verhandlungen und Bankgespräche, die Prüfung oder Erstellung aller Verträge bis zu organisatorischen Umsetzung mit den gesamten bürokratischen Themen.
Braucht man als Augenoptik-Gründer auch mehr Kapital als in anderen Handwerksbereichen?
Dass junge Augenoptiker wenig oder kein Eigenkapital haben, ist nichts Besonderes. Mit unserer fachkundigen Beratung und den speziell auf die jeweiligen Belange abgestimmten Planungsrechnungen und Businessplanungen bekommen wir es auch mit wenig oder ohne Eigenkapital hin, wenn Betrieb und Gründer zueinander passen. Das zu klären, ist eine wichtige Aufgabe...
Plaudern Sie doch mal aus dem Nähkästchen, um unseren Lesern Mut zu machen: Was waren die herausforderndsten Rahmenbedingungen, die ein Kunde meistern musste?
Wir hatten einen Gründer, der sich einer wirklich schwierigen Konstellation erfolgreich mit uns gestellt hat: Ein Inhaber, der im Prinzip emotional für einen Verkauf nicht bereit war, aber aus Krankheitsgründen veräußern musste - dementsprechend schwierig waren die Gespräche, da sich aus Sicht des Inhabers nichts verändern sollte. Dazu beim Gründer kein Eigenkapital, ein Umzug in eine für ihn fremde Region - was aus unserer Erfahrung heraus nicht immer einfach ist, da die Menschen in den unterschiedlichen Regionen in Deutschland durchaus unterschiedlich „ticken“-, dadurch eine fremde Bank in den Finanzierungsgesprächen und noch eine wichtige Mitarbeiterin, die während der Verkaufsphase gekündigt hat.
Puh, das hört sich nicht gerade stressfrei an...
Aber der Gründer hat sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und ist mit unserer Unterstützung seinen Weg gegangen. Da haben wir neben der fachlichen Beratung auch viel emotional moralisch unterstützt. Heute, einige Jahre danach, hat er sich gut etabliert, kommt bei den Kunden gut an, hat den Umsatz gesteigert und fühlt sich in der neuen Heimat wohl. Das macht einen schon ein wenig stolz.
Zum Schluss: Ihr heißester Tipp für junge Gründer in der Augenoptik (außer natürlich, sich einen guten Berater zu suchen)?
Ich habe sogar drei Tipps. Erstens: Die Familie muss mitziehen. Zweitens: Man sollte mit Schulden und Ungewissheiten gut leben und nachts schlafen können. Drittens: Nicht der beste Augenoptiker ist automatisch der erfolgreichste Unternehmer. Man muss Lust haben, nicht nur im, sondern auch ständig am Unternehmen zu arbeiten, das Unternehmen zu weiterentwickeln und sich den ständigen Veränderungen im Markt zu stellen.