Rezension zur 2. überarbeiteten Auflage

„Optometrisches Screening“: Mehr zum Lesen, weniger zum Überfliegen

„Optometrisches Screening“ – mit dem Begriff einher gehen Möglichkeiten, Chancen und Herausforderungen für Augenoptiker/Optometristen und Kunden/Patienten. Das gleichnamige Buch von Andreas Berke ist jüngst in überarbeiteter Fassung im DOZ-Verlag erschienen. Das Werk bestätigt auf 688 Seiten, dass Screening mehr ist als eine Klassifizierung des Augendrucks in über oder unter 21mm Hg.
Spaltlampenuntersuchung bei einem Mann

Die zweite Auflage des Fachbuches "Optometrisches Screening" wurde vollständig überarbeitet.

© Adobe Stock / Kadmy

Komplett neu ist das Kapitel 15. Hier geht es um Verfahren wie das OCT, HRT, Funduskamera und SLO. Der Autor beschreibt und unterscheidet alle Messmethoden in ihrer Technik. Bilder zu den Messergebnissen der einzelnen Geräte ergänzen die Beschreibungen, ebenso wie Erläuterungen zu ausgewählten Erkrankungen. Der Optometrist kann sich über die Indikationen für die modernen Messverfahren informieren und bei Verdacht eine solche Messung empfehlen. Nicht geboten wird hier eine Anleitung zur Analyse der Messergebnisse der Verfahren. Sie werden überwiegend von Augenärzten angeboten. Dafür stellt Berke zusätzlich die Möglichkeiten der Telemedizin und der Bildauswertung durch Künstliche Intelligenz (KI) vor. So heißt es auf Seite 621: „Die Diagnosen, die von KI-Systemen gestellt werden, übertreffen hinsichtlich der Sensitivität die Diagnosen erfahrener Netzhautspezialisten“. Der Wandel ist also bereits im Gange. Gewappnet dafür ist derjenige, der die Ergebnisse hinterfragt und für den Screening mehr ist als nur ein Netzhautbild. Für diese Leser ist „Optometrisches Screening“ geschrieben worden. Kehren wir nun zum Anfang zurück.

Das überarbeitete Fachbuch führt den Leser zum Auftakt in die Welt der Zahlen ein. Kein Test lässt sich zuverlässig interpretieren, ohne seine Aussagekraft zu kennen. Praxisnah beschreibt Berke, warum eine Augeninnendruckmessung allein dazu führen kann, Glaukompatienten zu übersehen und gleichzeitig mehrere gesunde Menschen unbegründet in Aufregung zu versetzen. Was ist also die Lösung? Die präsentiert er auf Seite 32 mit dem „Risikofaktor-Konzept“. Wenn eine exakte Diagnose für das Glaukom nicht möglich ist, dann stellt sich die Frage, wie viele Risikofaktoren ein Kunde für das Glaukom mitbringt. Dieser Denkansatz aus der Epidemiologie gibt am Ende die entscheidende Sicherheit in der Kommunikation mit dem Kunden. Auch weitere Aspekte der Herangehensweise an das Screening werden beleuchtet – so wird die Frage „Sollte ich alle meine Kunden immer nach dem gleichen Schema screenen?“ mit einem klaren „Nein“ beantwortet und auf den Sinn einer individuellen, kundenorientierten Herangehensweise hingewiesen. Auch wenn nicht jeder Leser automatisch ein Zahlen-Fan ist, lohnt sich doch das Lesen des ersten Kapitels im Detail, da der Autor es schafft, die graue Theorie in klare und sinnvolle Handlungsrichtlinien der täglichen Praxis zu übersetzen.

Cover Fachbuch Optometrisches Screening von Andreas Berke

Buchcover des überarbeiteten Fachbuches "Optometrisches Screening" von Andreas Berke.

© DOZ Verlag

Refraktion als Screeningtool

Der Screening-Abschnitt des Buches beginnt mit der Refraktion. Ihr wird ein ganzes Kapitel gewidmet. Man mag sich fragen: „Refraktion ist ja nichts Neues – das soll Screening sein?“ Es ist großartig, dass dieser unterschätzte Test hier den Raum bekommt, der ihm auch im Laden zusteht. Besonders wichtig ist hierbei die Überlegung, was eine Refraktionsveränderung auslösen kann. Der Einfluss von Diabetes, Keratokonus und Netzhautveränderungen wird dabei genauso ausführlich beschrieben wie die Wirkung zahlreicher Medikamente. Spannend sind auch die Fakten zu tageszeitlichen Schwankungen der Refraktion, die sicher nicht nur für das Screening, sondern auch für die Anfertigung von Brillen von Belang sind.

Auf drei weiteren Abschnitten erklärt Berke Funktions- und Pupillenteste sowie die Akkommodation und beleuchtet auch den theoretischen Hintergrund ausführlich. Zudem beschreibt er zahlreiche Syndrome und Krankheiten der Augenmuskeln und Pupillenstörungen, sodass die Ergebnisse sinnvoll interpretiert werden können.

Neben der Refraktion ist es die Sehschärfe, die dem Augenoptiker als Screening-Grundlage dient. Typisch für das Buch sind auch hier die ausführlichen Erklärungen, die im Detail zahlreiche praxisnahe Informationen liefern. Ein Beispiel ist eine praktische Tabelle mit Aussagen zur erwarteten Sehschärfe bei Kindern abhängig vom Alter und von der Art des Tests; untermauert mit Informationen zur Entwicklung der kindlichen Netzhaut. Beschreibungen zur Durchführung verschiedener Teste zur Visusmessung finden sich im Buch ebenso wie eine übersichtliche Tabelle zur Ursache von Sehschärfenverlusten. Nachdem der praktisch orientierte Leser die kompliziert anmutenden Formeln möglicherweise überspringt, erfährt er, wie sich das Alter und diverse Augenerkrankungen auf die Sehschärfe auswirken können. Auch weitere von den Kunden wahrnehmbare visuelle Symptome fehlen nicht, sodass bei Verdacht auf eine bestimmte Erkrankung konkret nachgefragt werden kann. Ergänzend wagt das Buch einen Ausblick darauf, wie sich die Sehschärfe im Verlauf bestimmter Erkrankungen üblicherweise entwickelt.

Vorschau in das Fachbuch Optometrisches Screening von Andreas Berke

Eine Vorschau auf die Seiten im "Optometrischen Screening".

© DOZ Verlag

Bedeutung des Gesichtsfeldscreenings

Die folgenden Kapitel sind gefüllt mit den Themen Stereosehen, Farbensehen, Beschreibung der Teste und (wie immer!) reichlich theoretischem Hintergrund. Spannend sind hier vor allem die Medikamente und Erkrankungen, die das Farbensehen beeinflussen können. Auch zur Erkennung von Sehnervenentzündungen eignen sich Farbsehteste und sollten daher im Verdachtsfall über das Kinder-Screening hinaus eingesetzt werden. Sehr häufig hängen Sehprobleme mit einer Einschränkung des Kontrastsehens zusammen. Wie man es misst und welche Erkrankungen es beeinflussen, beantwortet Kapitel 9. Interessant sind auch die Effekte der Orthokeratologie und der Intraokularlinsen auf das Kontrastsehen. Kapitel 10 beschäftigt sich damit, warum Katarakt-Kunden so häufig von Problemen mit Blendungserscheinungen berichten und der erreichte Visus im Prüfraum sich nicht in den Alltag übertragen lässt.

Das Gesichtsfeld ist das letzte Kapitel des Abschnitts „erweiterte Funktionsteste“. Die Bedeutung des Gesichtsfeldscreenings wird als Teil des Basisscreenings schon durch die Position des Abschnitts im Buch deutlich gemacht. Je nach Ziel der Messung kann es sich dabei um einen schnellen Amsler-Gitter-Test oder ein Screening mit einem Perimeter handeln. Andreas Berke stellt auch die Gewichtung des Gesichtsfeldes im Vergleich zum OCT dar. Hinweise für die Durchführung der Teste finden sich zum Teil, der größere Abschnitt ist der Auswertung der Gesichtsfelder gewidmet. Hier wären ein paar mehr Beispiel- Gesichtsfelder wünschenswert gewesen.

Zur Einschätzung des Glaukomrisikos ist der Augeninnendruck wichtig, gleichzeitig vermittelt Berke, wie begrenzt die Aussagekraft des Drucks allein und wann die Druckmessung sinnvoll ist. Und er beantwortet die häufig gestellte Frage: „Wann ist der Augen innendruck zu niedrig und was passiert dann?“ Passend dazu finden sich Beschreibungen zu Krankheiten und Medikamenten, die den Augendruck ansteigen oder abfallen lassen. Im Zuge der modernen Glaukomdiagnostik spielt die okuläre Perfusion eine immer größere Rolle. Ebenso werden biomechanische Eigenschaften der Hornhaut erklärt, die von einigen modernen Geräten gemessen werden. Jeder, der bisher nicht genau weiß, wie er mit seinen Kunden die Tonometrie auswerten soll, findet in diesem Kapitel die Lösung und das notwendige umfangreiche Wissen.

Im Kapitel „Opthalmoskopie“ findet sich eine sehr genaue Arbeitsanweisung für die direkte und indirekte Ophthalmoskopie. Ergänzt wird diese durch zahlreiche Bilder diverser Netzhaut- und Papillenerkrankungen. An dieser Stelle ist es durch die vielen Abbildungen hervorragend gelungen, einen Leitfaden für die Interpretation der Auffälligkeiten zu erstellen.

„Die Spaltlampe, das meist gebrauchte Gerät zur Untersuchung der Augen …“ heißt es im folgenden Abschnitt. Wer diesen Satz noch nicht unterschreiben kann findet hier nicht nur Anleitungen zu den einzelnen Beleuchtungseinstellungen, sondern auch einen großen bebilderten Katalog von Auffälligkeiten des vorderen Augenabschnitts. Erkenntnisse über den vorderen Augenabschnitt, Refraktion und Visus sind auch Voraussetzung, um die Ergebnisse bildgebender Verfahren fachgerecht zu analysieren.

Noch mehr Informationen

Berkes Screeningbuch ist ein Buch zum Lesen, weniger zum schnellen Nachschlagen. Zu oft sind die Details in den Texten wichtig. Doch für alle Überflieger bietet die 2. Auflage praktische Zusammenfassungen der Hauptaussagen „in Kürze“. Die Kapitel wurden neu aufgeteilt und orientieren sich nun mehr am Ablauf der optometrischen Messungen. Zudem sind in den vergangenen zehn Jahren viele Geräte zum Standard geworden, deren Einsatz zuvor nur wenigen vorbehalten war. Dem trägt die neue Auflage Rechnung und bietet auf mehr als 100 zusätzlichen Seiten noch mehr Informationen zu modernen Messtechniken.

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erschienen im DOZ-Verlag
ca. 688 Seiten
377 farbige Abbildungen
ab sofort lieferbar

ISBN 978-3-942873-43-7
Artikelnummer 192
2. Auflage 2020
Autor: Andreas Berke

 

Autorin: Carolin Truckenbrod ist Diplomingenieurin für Augenoptik (FH) und Master in klinischer Augenheilkunde. Nach Auslandsaufenthalten in London und Jerusalem arbeitet Carolin Truckenbrod seit 2013 als selbstständige Optometristin bei Augenoptik Truckenbrod in Leipzig. Zahlreiche Vorträge und Publikationen zu Themen rund um die Pathologien des Auges und bildgebende Verfahren runden ihr Profil ab.