200 Jahre Trothe Optik
Ein Jubiläumsjahr geht zu Ende – und es bricht Rekorde! Im April feierte die Trothe Optik OHG aus Halle ihr 200-jähriges Bestehen, und Ende 2017 wird sie auf das erfolgreichste Geschäftsjahr der Firmengeschichte zurückblicken, die durchaus schwierige Phasen verzeichnet. Anlass für einen Rückblick und eine Zukunftsprognose. Die DOZ sprach mit Dietrich Kloevekorn-Norgall, dem Geschäftsführer des Familienunternehmens.
Großes beginnt oft klein. So auch der Betrieb aus Halle. Im Gründungsjahr 1817 sieht die augenoptische Welt in Deutschland noch ein wenig anders aus: Die Ära Napoleons klingt gerade aus, als Wilhelm Trothe, seines Zeichens „Mechanicus“, mit einer kleinen, aber bedeutsamen Anzeige die Gründung seines Brillengeschäfts verkündet. So ist damals im „Halleschen Patriotischen Wochenblatt“ in prachtvoll blumigen Worten zu lesen: „Einem geehrten Publikum zeige ich hierdurch ganz ergebenst an, daß bey mir nebst Reißzeugen, Zirkeln, Reißfedern und dergleichen auch alle Sorten Augengläser, als Brillen in verschiedenen Fassungen, Lorgnetten, Perspective, so wie auch Barometer zu haben sind. Sowohl durch meine Arbeit, als auch durch billige und prompte Bedienung, werde ich mich bemühen, die Zufriedenheit derer zu erlangen, welche mich mit Ihrem gütigen Zutrauen beehren wollen.“
Eine Ansage, deren Hingabe beim geneigten Kunden wohl auch heute noch freudigsten Zuspruch finden dürfte. Trothes Bekenntnis zu Qualität und Leistung findet überschwänglich Anklang, lässt vielerlei Lob folgen. Der berühmte Chirurg Carl Heinrich Dzondi (1770 – 1835) etwa, einer der bekanntesten Augenheilkundler jener Zeit, empfiehlt „Herrn Opticus und Mechanicus Trothe als einen geschickten Künstler jedem, welcher Augengläser, Brillen und dergleichen bedarf, sowohl in Hinsicht auf Vollkommenheit als Wohlfeilheit seiner Arbeit.“
Werbung von anno dazumal – mit herausragendem Effekt: Das Unternehmen wächst und wächst, schafft es, sich gegen die Konkurrenz der umherreisenden Brillenhändler durchzusetzen. Die boten ihren Kunden Brillen verschiedener Stärken an, ohne eine Brillenglasbestimmung vorzunehmen – mitunter zum Verdruss all jener „Opticusse“, die sich nicht dem Preis, sondern stets der besten Qualität verschrieben hatten. Doch der Erfolg gibt Trothe Recht. Der Betrieb floriert – und der Rest ist Geschichte. Beste Leistung zu fairen Preisen – ein solides Fundament, auf dem das Unternehmen auch heute noch steht. „Eine Vision haben und diese konsequent verfolgen“, das sei schlussendlich das Erfolgsrezept, betont Dietrich Kloevekorn-Norgall, heutiger Inhaber der Trothe Optik OHG.
Sein Großvater Erich Norgall übernahm die Firma vor rund 100 Jahren, nun leitet der Seniorchef gemeinsam mit seinem Sohn Kristian und Tochter Ulrike Kloevekorn-Fischer in vierter Generation die Geschicke des Augenoptik-Betriebs. Ein spannender Werdegang – denn eigentlich hatte Kloevekorn-Norgall etwas ganz anderes geplant. Die Mutter, ebenfalls Augenoptikerin, verstirbt früh, der Sohn wächst bei den Großeltern auf. „Aufgrund der wirtschaftlichen Unwägbarkeiten für Selbstständige in der damaligen DDR wollte ich 1962 ursprünglich Medizin studieren“, so Kloevekorn-Norgall. Allerdings seien seine Leistungen im Abitur dann „doch nicht so hervorragend“ gewesen, weshalb sein Großvater schließlich gesagt habe: „Du lernst diesen Beruf und übernimmst den Betrieb.“ Und so kam es auch.
Mit Qualität zum Rekordergebnis
1969, mit gerade mal 25 Jahren, tritt er in die Fußstapfen des Opas, übernimmt das Geschäft – und mit ihm eine gigantische Verantwortung. Dietrich Kloevekorn-Norgall: „Mein Großvater war 83, er starb anderthalb Jahre später – und ich stand mutterseelenallein da.“ Hinzu kam die Unsicherheit einer möglichen Verstaatlichung. „Der Betrieb war dann doch ein wenig überaltert, und du stehst jung da und weißt nicht so recht, wie du das machen sollst.“ Wenn er heute zurückblickt, sagt er sich: „Das, was ich in den ersten fünf Jahren erlebt habe, das war keine leichte Zeit.“
Doch Kloevekorn-Norgall entwickelt eine Leidenschaft, seine Begeisterung wird zum Eckpfeiler des Erfolgs: die Arbeit am Menschen, insbesondere das Thema „gutes Sehen“ und Optometrie. „Wir positionieren uns über die Qualität, nicht über den Preis“, so der Seniorchef über die Ausrichtung des Unternehmens. Die Zielgruppe: Brillenträger, denen beste Sicht am Herzen liegt. Weitere Schwerpunkte sind vergrößernde Sehhilfen, Low Vision und Kontaktlinsen aus dem eigenen „Sehzentrum“. Durch die enge Zusammenarbeit mit Augenärzten – auch Dietrich Kloevekorn-Norgalls Ehefrau Ursula ist als Augenärztin tätig – gelingt es, auch Kunden mit schweren Sehdefiziten wieder zu guter Sicht zu verhelfen, etwa mit Spezialkontaktlinsen. Ein lukratives Konzept: Trothe Optik gehört zu den sieben Prozent der umsatzstärksten Augenoptikunternehmen bundesweit (Filialisten nicht eingerechnet), zum vierten Mal hintereinander wurde die Firma nun auch als Branchensieger der halleschen City-Augenoptiker gewählt. Anteil der Kontaktlinsen am Gesamtumsatz: 23 Prozent.
Ein fantastisches Ergebnis – auch im Hinblick auf die Größe des Unternehmens, das inklusive der Inhaber elf Mitarbeiter zählt. Ein Wachstum, das nicht immer in dieser Geschwindigkeit vonstatten ging. „Spannend wurde es nach der Wende“, so Kloevekorn-Norgall. Zuvor sei es zeitweise ein wenig „langweilig“ zugegangen. Bekannt war Trothe Optik in der DDR beispielsweise durch die Herstellung verschiedener Spezialsehhilfen, etwa Spezialbrillen für Lokführer und Starbrillen. „Mit der Wiedervereinigung wurde es aufregend. Plötzlich konnte man sich richtig entfalten – und ich denke, das haben wir auch getan“, so der Chef bescheiden. Nach der Wende investiert Kloevekorn-Norgall erhebliche Summen in moderne Geräte, Einrichtung und Ausstattung. „Der Name Trothe, den müssen wir als Marke etablieren, wie es sich gehört – in der Region und in der Stadt“, habe er sich damals gesagt. Und dies auch getan: 1993 wird ein zweites Geschäft eingerichtet, und 2007 folgt mit dem „Trothe Sehzentrum“ ein Kontaktlinseninstitut.
Stets im Blick: das Wissen um die eigene Qualität und den Wert der Marke Trothe. „Auch mein Großvater hat immer darauf geachtet, dass dieser Name erhalten bleibt.“ Zum Glaslieferanten Zeiss habe Kloevekorn-Norgall beispielsweise immer gesagt: „Liebe Leute, es ist zwar schön und nett, dass der Kunde durch Gläser von Zeiss blickt. Aber das Endprodukt, das hier entsteht, das ist eine Brille von Trothe.“
Entspannt in die Zukunft
Wie sieht Kloevekorn-Norgall die Konkurrenz großer Optikerketten? „Man muss schon ein bisschen kämpfen, um unsere Höherwertigkeit rüberzubringen“, sagt der Augenoptikermeister. „Mir war aber schon vor 20 Jahren klar: Wenn, dann müssen wir uns klar positionieren und von diesen Großanbietern absetzen.“ Wenn die Konkurrenz die Preise senkt, sei das kein Grund, nachzuziehen. Ähnlich gelassen bleibt Sohn Kristian beim Stichwort „Online“: „Wir setzen nicht auf soziale Medien wie Facebook.“ Der Augenoptiker ist zusätzlich zu seiner Teilhabe am Familienbetrieb auch Inhaber der Marketing-Agentur „Eyes and Friends“ mit Büros in Halle und Berlin, kennt sich also bestens mit Trends und Entwicklungen aus. Als Unternehmer müsse man immer am Ball bleiben und Ruhe bewahren. Ein Grundsatz, der das Unternehmen schließlich auch erfolgreich durch die letzten 200 Jahre navigiert hat.
Zeit für einen Ausblick. Wie wird sich die Augenoptik verändern? Dietrich Kloevekorn-Norgall: „Ich wage nicht zu behaupten, dass wir in 100 Jahren klassische Augenoptik betreiben, wie wir es heute tun. Aber wir sind als Familienunternehmen gut aufgestellt.“ Er lehne sich da ganz entspannt zurück. Denn: „Ich befinde mich in dieser ganz glücklichen Situation, dass ich zwei super engagierte Kinder habe, die das nicht nur fortführen, sondern selbst entwickeln und – ganz wichtig – auch konsequent an unserem Erfolg arbeiten.“ Die Zukunft kann also kommen.
Autor: Benjamin Weber