Zwischen Vorgaben und Individualität

Anwendung von Anpassleitfäden für weiche multifokale Kontaktlinsen

Wer sich mit der Anpassung multifokaler Kontaktlinsen beschäftigt, wird zwangsläufig mit der Anpassempfehlung der Hersteller konfrontiert. Der Erfolg dieser Anpassung scheint geradezu eng von deren Verwendung abzuhängen. Doch in welchem Maß halten sich Augenoptikerinnen und Optometristen an diese Vorgaben? Die Bachelorarbeit von Katharina Manz nimmt genau diese Fragestellung unter die Lupe. Sie deckt auf, wo Theorie und Realität auseinanderdriften und zeigt, wie sich Herstellerempfehlung und deren praktische Anwendung sinnvoll ergänzen können.
Wegweiser in verschiedene Richtungen
© AdobeStock/ Brian-Jackson

Erstveröffentlichung in der DOZ 06|2024.

Die Anpassung multifokaler Kontaktlinsen stellt aufgrund ihrer Komplexität eine besondere Herausforderung bei der Kontaktlinsenanpassung dar. Es erfordert ein präzises Zusammenspiel zwischen verschiedenen Faktoren, um optimale Sehqualität und Tragekomfort zu erreichen. [1] Fortschritte in diesem Bereich der multifokalen Kontaktlinsenanpassung haben jedoch zu einer signifikanten Verbesserung der Versorgung geführt. Eine Vielzahl neuer optischer Designs, Parameter und Materialien ermöglicht die zufriedenstellende Versorgung für die Mehrheit der presbyopen Kundinnen und Kunden. [2]

Hersteller bieten detaillierte Anweisungen zur Anpassung ihrer Produkte und postulieren deren strikte Befolgung als entscheidend für den Erfolg der Anpassung. [3]

Die praktische Erfahrung zeigt jedoch, dass oft individuelle Anpassungen notwendig sind, um den spezifischen Bedürfnissen der Träger gerecht zu werden. So stimmen einige Experten der Einhaltung der Herstellervorgaben zu, andere wiederum betonen die Notwendigkeit, diese Empfehlungen an die individuellen Gegebenheiten der Trägerinnen anzupassen. [4-9] Bisher ist nicht untersucht, wie hoch die Nutzungsrate der Anpassempfehlungen und die Zustimmung dazu bei deutschsprachigen Anpassern ist. Um eine fundierte Einschätzung der tatsächlichen Situation zu erhalten, ist eine genaue Untersuchung der Verwendung der Herstellerempfehlungen bei der Anpassung multifokaler Kontaktlinsen erforderlich.

Vielfalt der multifokalen Designs

Beim Vergleich der Designs verschiedener Hersteller weicher multifokaler Kontaktlinsen fällt auf, dass die meisten trotz unterschiedlicher Bezeichnungen ein asphärisches progressives Center-Near-Design nutzen. Dieses Design, das die Addition von der Mitte (Nähe) zur Peripherie (Ferne) abschwächt, hat sich sowohl in der Anpassung als auch bei der spontanen Akzeptanz bei presbyopen Trägern bewährt. Einige Hersteller wie CooperVision oder Mark’ennovy bieten zusätzlich spezielle Center-Distance-Optionen an, um die Variabilität der Anpassung zu vergrößern. Johnson & Johnson Vision setzt auf ein pupillenoptimiertes Design, bei dem die Parameter für variierende Pupillengrößen nach Alter und Fehlsichtigkeit optimiert sind. Das „Dual Balanced Design“ von Menicon wiederum bietet eine dezentrierte Nahzone. Trotz der Vielfalt in den Designs und Materialien basieren alle Produkte auf dem Prinzip der simultanen Bildüberlagerung.

Bei simultanen Kontaktlinsensystemen handelt es sich um eine spezielle Art der optischen Abbildung. Im Gegensatz zu alternierenden Kontaktlinsensystemen werden die verschiedenen Korrektionen (von Nah- bis Fernstärke) in konzentrischen Ringen gleichzeitig vor der Pupille dargeboten. [10] Hierdurch entstehen mehrere Brennpunkte, wodurch gleichzeitig scharfe und unscharfe Bilder auf der Netzhaut abgebildet werden. Wird der Blick durch eine simultan abbildende Optik beispielsweise auf ein Objekt in weiter Entfernung gerichtet, so erscheint dieses Objekt zwar durch die Fernzonen der Optik scharf, gleichzeitig jedoch durch die Nahzonen unscharf. Diese Bildüberlagerung kann initial als Kontrastverlust wahrgenommen werden. [7] Nach einer gewissen Adaptationszeit, blendet das Gehirn die unscharfen Abbildungen jedoch aus und die Sehqualität normalisiert sich. [9]

Das Gleiche passiert beim Blick durch eine verschmutze Windschutzscheibe: Schaut man hier lange genug hindurch, wird der störende Schmutz auf der Scheibe kaum noch wahrgenommen, da man sich nur noch auf den Blick in die Ferne konzentriert. Die visuelle Verarbeitung im Gehirn passt sich somit an, um trotz der Überlagerung zweier Netzhautbilder eine klare Sicht zu ermöglichen, auch wenn häufig eine gewisse Minderung der Kontraststärke und Tiefenschärfe bestehen bleibt. [11]

Analyse der Anpassleitfäden

Aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen simultanen Linsendesigns bieten die Hersteller weicher multifokaler Kontaktlinsen spezifische Anpassleitfäden für ihre Produkte an. Diese Leitfäden sind darauf ausgerichtet, eine erfolgreiche und einfache Anpassung für Kontaktlinsenspezialistinnen und -trägerinnen zu ermöglichen. Tabelle 1 verdeutlicht die Variabilität der Herstellerempfehlungen und zeigt, worauf bei Anpassung der jeweiligen Designs besonders geachtet werden sollte.

Tabelle

Tabelle 1: Herstellerempfehlungen zur Anpassung der jeweiligen Kontaktlisnendesigns

Die tatsächliche Anwendung dieser Herstellerempfehlungen in der Praxis wird durch die Ergebnisse der Umfrage im Rahmen dieser Bachelorarbeit verdeutlicht. Die Online-Umfrage war zugänglich über einen Link und wurde auf Sozialen Medien sowie durch den Kundennewsletter von CooperVision beworben. Innerhalb von 21 Tagen beteiligten sich 394 Personen, von denen 45 Augenoptikermeister waren (weitere Details zu den beruflichen Qualifikationen der Teilnehmer sind in Grafik 1 dargestellt). Von diesen Teilnehmern gaben 285 an, regelmäßig weiche multifokale Kontaktlinsen anzupassen. Die Ergebnisse, die hier präsentiert werden, basieren auf den Antworten dieser Anpasser.

Häufigkeit der Berufsabschlüsse

Grafik 1: Relative Häufigkeit der Berufsabschlüsse der Umfrageteilnehmer.

Anwendung von Anpassleitfäden: Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis

jedoch nicht mehr benötigen. Somit zeigt sich klar, dass die Mehrheit der Befragten die Herstellerempfehlungen für weiche multifokale Kontaktlinsen zumindest zu Beginn ihrer Praxis verwenden. Die Umfrage ergab außerdem, dass die Anwendung der Leitfäden unabhängig von der Berufserfahrung und dem Berufsabschluss ist. Hier gab ebenfalls die Mehrheit an, egal ob die Befragten unter einem Jahr Anpasserfahrung haben oder mehr als zehn Jahre weiche multifokale Kontaktlinsen anpassen, die Anpassleitfäden zu nutzen.

Besonders interessant ist es hierbei zu erfahren, ob die Mehrheit der Anpasser die Schritte in den Anpassleitfäden der Hersteller nicht nur akzeptiert, sondern auch in ihrer Praxis umsetzt. Zu diesem Zweck wurden die Umfrageteilnehmer zuerst gebeten anzugeben, wie ihr individuelles Vorgehen in der Praxis ist. Die Teilnehmer konnten frei aus mehreren Antwortmöglichkeiten auswählen, von denen immer eine Antwort mit der vorgegebenen Anpassempfehlung der Hersteller übereinstimmte. Erst im Anschluss wurden sie gezielt nach ihrem Grad der Zustimmung zu jedem Aspekt der Anpassempfehlung befragt.

Abbildung 1 präsentiert zwei korrelierende Beispielfragen aus dem Onlinefragebogen. Die linke Frage thematisiert exemplarisch das individuelle Vorgehen, während die rechte Frage den Grad der Zustimmung zu diesem spezifischem Anpassschritt der Herstellerempfehlung erfragt. Diese Art der Fragetechnik zielte darauf ab, eine eventuelle Voreingenommenheit zu vermeiden. Diese Analyse liefert ein Verständnis darüber, inwieweit die Befragten den Anpassleitfäden zustimmen und diese auch in Ihrer Praxis anwenden. Gleichzeitig werden auch die Diskrepanzen zwischen praktischer Anwendung und Herstellerempfehlung aufgezeigt.

Fragebogen

Abb. 1: Zwei korrelierende Beispielfragen aus dem Onlinefragebogen. Die linke Frage thematisiert exemplarisch das individuelle Vorgehen, während die rechte Frage den Grad der Zustimmung zu diesem spezifischem Anpassschritt der Herstellerempfehlung erfragt.

Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick

Konkrete Bedarfsanalyse zu Beginn der Anpassung: 60,7 Prozent der Anpasser stimmen diesem Anpassschritt zu und führen diesen auch in der Praxis zu Beginn ihrer Anpassung durch. 37,3 Prozent stimmen der Herstellerempfehlung zwar zu, beginnen die Anpassung jedoch mit einer objektiven Refraktion und nicht mit einer konkreten Bedarfsanalyse. Das Verwenden eines expliziten Anamnese-Fragebogens, wie es viele Hersteller empfehlen, wäre ein zielführender erster Schritt. Dadurch könnte die anschließende Refraktionsbestimmung besser auf die Bedürfnisse des Trägers abgestimmt werden.

Refraktionsbestimmung mit möglichst viel „Plus“: Hier setzen nur 27,2 Prozent der Befragten trotz Zustimmung dies tatsächlich auch in der Praxis bei ihrer Refraktion um. Die meisten Teilnehmer (68,7 Prozent) gaben an, die aktuelle Fernpunktrefraktion zu bestimmen. Ob hierbei eine Refraktion mit möglichst viel „Plus“, so wie der Hersteller es vorgibt, durchgeführt wird, ist fraglich. Eine Überkorrektion mit Minus kann den Erfolg mit multifokalen Kontaktlinsen reduzieren.

Nahzusatz bei der Refraktion so gering wie möglich bestimmen: Über die Hälfte der Anpasser (54,9 Prozent) stimmt diesem Schritt zu und wendet diese Empfehlung auch in der Praxis an. Die andere Hälfte (42,3 Prozent) passt den Nahzusatz an die spezifischen Sehanforderungen der Kunden an und folgt daher diesem Anpassschritt in der Praxis nicht. Es kann hieraus jedoch nicht abgeleitet werden, wie hoch der Nahzusatz tatsächlich gewählt wird.

Messung der mesopischen und photopischen Pupillengröße: Diese Anpassempfehlung zeigte die geringste Übereinstimmung zwischen Theorie und Praxis bei der Kontaktlinsenanpassung. Nur 25,9 Prozent der Befragten stimmten dem Schritt zu, die Pupillengröße zu messen und gaben an, dies auch tatsächlich durchzuführen. Die Mehrheit der Teilnehmer bevorzugte stattdessen andere Methoden: 36,7 Prozent gaben an, eine Topometrie der Hornhaut durchzuführen und 34 Prozent bevorzugten eine Analyse des Tränenfilms gegenüber der Messung der Pupillengröße. Studien konnten ebenfalls bisher keinen direkten Zusammenhang zwischen der Pupillengröße und dem Erfolg mit multifokalen Kontaktlinsen feststellen. [12]

Bestimmung des ferndominanten Auges: Die sensorische Dominanz bestimmen 37,2 Prozent mit der Nebelmethode, wie die Herstellerempfehlungen es vorgeben. Die motorische Dominanz mit dem Peiltest führen 13,2 Prozent durch und 40,8 Prozent der Anpasser bestimmen beides. Da es sich um ein simultanes System bei weichen multifokalen Kontaktlinsen handelt, ist die sensorische Verarbeitung der Bildüberlagerung im Gehirn von Bedeutung. Eine motorische oder sogar beide Dominanzen zu bestimmen, wie es laut Umfrage die meisten Anpasser machen, ist somit laut Hersteller nicht notwendig. Weitere Untersuchungen zu diesen Themen könnten herausstellen, welchen Nutzen sich Anpasser von der Verwendung beider Methoden versprechen.

Zylinder mit dem besten sphärischen Brillenglas subjektiv messen und nicht nur das sphärische Äquivalent berechnen: Von den befragten Kontaktlinsenanpassern stimmten 65,28 Prozent der Herstellerempfehlung zu. Allerdings setzen davon nur 32,8 Prozent diese Empfehlung auch in ihrem persönlichen Vorgehen um. Die Mehrheit von 38,5 Prozent bevorzugt in der Praxis torische multifokale Kontaktlinsen, wenn sich dadurch die Sehleistung signifikant verbessern lässt. Das subjektive Messen des besten sphärischen Glases ist unter den Anpassern weit verbreitet; trotzdem nutzen die meisten die neuesten Technologien aus, um auch presbyope Träger mit Astigmatismus zu versorgen.

Optimierung der Sehleistung monokular unter binokularen Bedingungen: 71,2 Prozent der Anpasser weicher multifokaler Kontaktlinsen gaben an, dem Anpassschritt zuzustimmen und die Optimierung der Sehleistung monokular unter binokularen Bedingungen durchzuführen. Dies verdeutlicht eine hohe Übereinstimmung zwischen der Theorie der Hersteller und der praktischen Anwendung dieses Schrittes.

Optimierung der Sehleistung in der Ferne am ferndominanten Auge und in der Nähe am nicht-ferndominanten Auge: Ebenso bestätigen 233 Anpasser (59,1 Prozent), dass die Optimierung in Bezug auf die Augendominanz sowohl in der Praxis umgesetzt als auch mit den Herstellerempfehlungen übereinstimmt. Dennoch gaben 75 Anpasser (19 Prozent) an, Nähe und Ferne sphärisch an beiden Augen auszugleichen, anstatt sich speziell auf das dominante bzw. nicht- dominate Auge zu konzentrieren. Generell zeigte sich bei der Umfrage, dass die Anpasser bei der Optimierung multifokaler Kontaktlinsen weniger die Anpassempfehlungen zu Rate ziehen und vielmehr ihr Vorgehen auf die individuellen Gegebenheiten der Träger anpassen. Trotz dieser Diskrepanz scheint das allgemeine Vorgehen in der Praxis nicht stark von den Empfehlungen abzuweichen.

Die Studie verdeutlicht, dass eine Mehrheit der Kontaktlinsenanpasser, unabhängig von ihrer Berufserfahrung oder Qualifikation, die Anpassleitfäden für weiche multifokale Kontaktlinsen verwendet. Dennoch offenbart sie Diskrepanzen bei der Übertragung der Theorie in die Praxis. Die Ergebnisse der Umfrage bieten tiefe Einblicke in die Anpassungspraxis und liefern wertvolles Wissen, das für die Konzeption von Workshops und Trainings genutzt werden kann, um die Anpasser praxisnaher zu schulen.

Fünf Tipps für die Praxis

  1. Schritte der Anpassleitfäden für die jeweiligen Produkte bewusst anwenden, um schnell und einfach zum Ziel zu gelangen! In Ergänzung durch die eigene praktische Erfahrung insbesondere bei der Optimierung der Kontaktlinsen über den Tellerrand denken und dadurch Träger individuell zufriedenstellen. Anpassempfehlung und Individualität schließen sich hier nicht aus, sondern begünstigen sich positiv. 
  2. Bereits bei der Refraktion können sich einige Fehler bei der Anpassung von weichen multifokalen Kontaktlinsen einschleichen. Eine Fernpunktrefraktion mit möglichst viel Plus kann das Seherlebnis des Trägers vor allem in der Nähe von Anfang an begünstigen. Es empfiehlt sich deshalb am Ende der Fernpunkrefraktion wenn möglich binokular +0,25 dpt zu addieren bzw. deren Akzeptanz subjektiv abzugleichen.
  3. Bei der Wahl des Nahzusatzes sollten natürlich die Sehanforderungen des Kunden beachtet werden, allerdings sollte dieser nicht zu hoch gewählt werden. Bei multifokalen Kontaktlinsen gilt hier oft: Weniger ist mehr. Denn durch die Bildüberlagerung ist eine Erhöhung der Addition auch immer mit einer Kontrastveränderung verbunden. Oftmals ist dann der Seheindruck mit einer geringen Addition klarer als mit einer hohen. Das Vorgehen und auch die Sehqualität des Trägers weichen hier vom Vorgehen und Sehen mit einer Gleitsichtbrille ab. Dies sollte bei der Bestimmung immer im Kopf behalten werden.
  4. Die Bestimmung des ferndominanten Auges spielt ebenso eine wichtige Rolle in der Anpassung der weichen multifokalen Kontaktlinsen. Hierbei sollte die Dominanz mit einem sensorischen Test bestimmt werden. Die meisten Hersteller von weichen multifokalen Kontaktlinsen empfehlen dafür das Nutzen der Nebelmethode mit einem Nebelglas von mindestens +1,00 dpt. Hierbei wird im Gegensatz zu einem Peiltest nicht das Führungsauge bestimmt, sondern der führende Seheindruck, der immer empfindlich auf zu viel Nebelung reagiert. Das Wissen über die sensorische Dominanz erhöht nicht nur den Erfolg bei der ersten Anpassung, sondern ermöglicht auch ein zielführenderes Vorgehen bei notwendigen Optimierungen.
  5. Die Überprüfung der Sehqualität sollte bei multifokalen Kontaktlinsen immer binokular durchgeführt werden. Da sich Anpassung und Optimierungen immer nach der Dominanz der Augen richten, führt eine monokulare Überprüfung zu wenig Erkenntnissen und oft zu Verwirrungen der Träger.
Mann bekommt Kontaktlinse aufgesetzt
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Fallbeispiel: Eine „komplizierte“ Kundin

Das nachfolgende Fallbeispiel soll zeigen, wie gut eine Anpassung mit explizierter Vorgehensweise nach Anpassleitfaden bei einer Kundin – die sich selbst als „kompliziert“ bezeichnet – sein kann. Die 56-jährige Physiotherapeutin trägt seit zwei Jahren eine Gleitsichtbrille mit folgenden Werten:

R: sph −9,00 dpt cyl −2,75 dpt A 80° Add 1,50 dpt Vcc 0,8
L: sph −2,25 dpt cyl −1,50 dpt A 80° Add 1,50 dpt Vcc 1,0

Aufgrund ihrer anstehenden Hochzeit würde sie gerne Kontaktlinsen tragen. Zum Sport und für die Arbeit möchte sie die Kontaktlinsen ebenfalls nutzen. Nach Aufklärung der Bildüberlagerung und somit der Erläuterung des Unterschiedes des Sehens zur Gleitsichtbrille wurde eine neue Fernpunktrefraktion durchgeführt. Am Ende der Refraktion wurde noch einmal +0,25 dpt hinzugefügt und getestet, ob dies den binokularen Visus erheblich mindert. Aufgrund der hohen Anisometropie nahm die Kundin am rechten Auge noch weitere Pluswirkung an, was zu folgendem Ergebnis führte:

R: sph −6,75 dpt cyl −2,75 dpt A 80° Add 1,50 dpt
L: sph −2,75 dpt cyl −1,50 dpt A 80° Add 1,50 dpt Visus binokular 1,0

Im Anschluss wurde die Addition bestimmt und mit +1,50 dpt beibehalten, da die Kundin hier mit weniger Nahzusatz zu hohe Visuseinbußen hatte. 

Das sensorisch ferndominante Auge wurde im Anschluss mit einem Nebelglas von +1,00 dpt bestimmt. Das linke Auge stellte sich dabei als ferndominant heraus, da es hier als störender empfunden wurde.

Mit der OptiExpert-App von Cooper Vision wurde nach Angabe der Refraktion unter Berücksichtigung des HSA von 13 mm und des ferndominanten Auges nach Herstellerempfehlung die ersten Anpasslinsen ausgewählt.

Biofinty toric multifocal
R: sph −6,00 dpt cyl −2,25 dpt A 80° Add 1,50 dpt D-Design
L: sph −2,75 dpt cyl −1,25 dpt A 80° Add 1,50 dpt D-Design

Die „Biofinity toric mulfitocal“-Anpasslinsen wurden im Anschluss bestellt. Die Kundin wurde über die Lieferzeit von zwei bis drei Wochen informiert. Nach der Lieferung der Anpasslinsen wurde ein zweiter Termin vereinbart, bei dem die Kontaktlinsen erstmals aufgesetzt wurden. Nach einer 15-minütigen Toleranzzeit erfolgte eine Überprüfung des Sitzverhaltens der Kontaktlinsen, gefolgt von einem Test des Fern- und Nahvisus anhand alltäglicher Objekte wie dem Blick aus dem Fenster und der Nutzung des Smartphones.

Die Markierungen der torischen Kontaktlinsen zentrierten beidäugig stabil bei 270 Grad. Der Sitz der Kontaktlinsen war zentrisch und die Bewegung mit 0,3 bis 0,5 mm optimal. [13] Die Kontaktlinsenoberfläche war zwischen den Lidschlägen hydrophil. Auf einer Skala nach Schulnoten, bewertete die Kundin den binokularen Seheindruck in der Ferne mit der Schulnote 1, den Blick in die Nähe lediglich mit einer 3. Sie wurde mit den ersten Anpasslinsen nach Hausegeschickt, um sich an den Seheindruck zu gewöhnen.

Beim zweiten Kontrolltermin bestätigte sich jedoch die Unterkorrektion in der Nähe. Zuerst wurde deshalb monokular unter binokularen Bedingungen die Ferne am nicht-dominanten Auge weiter in Plusrichtung erhöht. Die Kundin nahm hier noch einmal +0,50 dpt in der Ferne am rechten Auge an. Beim Testen in der Nähe war sie nun mit der Sehleistung zufrieden. Die Stärke der rechten Kontaktlinse wurde deshalb noch einmal angepasst, weshalb folgende Anpasskontaktlinsen erneut bestellt wurden:

Biofinty toric multifocal XR
R: sph −5,50 dpt cyl −2,25 dpt A 80° Add 1,50 dpt D-Design
L: sph −2,75 dpt cyl −1,25 dpt A 80° Add 1,50 dpt D-Design

Bei der Nachkontrolle mit den neuen Stärken bewertete die Kundin ihren Seheindruck in der Ferne als auch in der Nähe mit der Schulnote 1. Nachdem die Benetzung und Zentrierung der Kontaktlinsen als unverändert gut (siehe oben) beurteilt wurden, konnten diese Kontaktlinsen bestellt werden. 

Dieses Beispiel zeigt, dass die Anpassung von weichen multifokalen Kontaktlinsen auch bei komplexen Fällen wie starker Anisometropie nicht unbedingt schwierig sein muss. Die Einhaltung des Anpassleitfadens, einschließlich der Modifizierung der Fernpunktrefraktion mit einem Maximum an „Plus“, der Berücksichtigung sensorischer Dominanz und der monokularen Optimierung unter binokularen Bedingungen, kann die Anpassung erheblich vereinfachen.

Katharina Manz
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Autorin: Katharina Manz

hat während ihres dualen Studiums an der Hochschule München sowohl den Augenoptiker- Gesellenbrief erworben als auch im Juli 2023 ihren Bachelor of Science in Augenoptik/Optometrie abgeschlossen. Aktuell vertieft sie ihr Fachwissen im Masterstudiengang Vision Science and Business (Optometry) an der Hochschule Aalen. Parallel dazu ist Katharina Manz im familieneigenen Augenoptikergeschäft in Augsburg tätig, wo sie als Optometristin und Kontaktlinsenanpasserin arbeitet.

Laura Hanenberg
© Privat

Autorin: Laura Hanenberg

ist Professional Affairs Consultant bei CooperVision GmbH und dort schwerpunktmäßig für die Trainingsentwicklung und den Kontakt mit den Lehreinrichtungen zuständig. Sie hat mehrjährige Erfahrung im Bereich Kontaktlinsenanpassung und Weiterbildung.

 

 


Literaturverzeichnis

[1] Bischoff, G. (2006). Ausgleich der Presbyopie mit Kontaktlinsen. Ophthalmol., 103, 655–660.
[2] Belyus, H. (2012). 10 Tipps Zur Erfolgreichen Anpassung von Multifokalkontaktlinsen. Opt. Mag. Für Augenopt. Optom.
[3] Potter, R., Pal, S., Stiegemeier, M. J. (2016). Avoiding the Soft Multifocal Failure. Contact Lens Spectr., 22–25.
[4] Remón, L., Pérez-Merino, P., Macedo-de-Araújo, R. J., Amorimde-Sousa, A. I., González-Méijome, J. M. (2020). Bifocal and Multifocal Contact Lenses for Presbyopia and Myopia Control. J. Ophthalmol., 2020, 8067657.
[5] Bennett, E. S. (2008). Contact Lens Correction of Presbyopia. Clin. Exp. Optom., 91, 265–278.
[6] (2017). Kontaktlinsen Know-how, 4. Auflage.; Müller-Treiber, A., Ed.; DOZ: Heidelberg, 2017.
[7] Haag, J. (2013). Mehrstärken-Kontaktlinsen: Ein Praxisnaher Überblick. DOZ, No. 3, 2–5.
[8] Alvarez-Peregrina, C., Sanchez-Tena, M. A., Martin, M., Villa-Collar, C., Povedano-Montero, F. J. (2022). Multifocal Contact Lenses: A Bibliometric Study. J. Optom., 15, 53–59.
[9] Veys, J., Meyler, J., Davies, I. (2009). Grundlagen der Kontaktlinsen-Praxis. Teil 8 Presbyopie und Kontaktlinsentragen. DOZ, No. 1, 96–107.
[10] Toshida, H., Takahashi, K., Sado, K., Kanai, A., Murakami, A. (2008). Bifocal Contact Lenses: History, Types, Characteristics, and Actual State and Problems. Clin. Ophthalmol., No. 4, 869–877.
[11] Pérez-Prados, R., Piñero, D. P., Pérez-Cambrodí, R. J.,Madrid-Costa, D. (2017). Soft Multifocal Simultaneous Image Contact Lenses: A Review. Clin. Exp. Optom., 100, 107–127.
[12] Sivardeen, A., Laughton, D., Wolffsohn, J. S. (2016). Investigating the Utility of Clinical Assessments to Predict Success with Presbyopic Contact Lens Correction. Contact Lens Anterior Eye, 39, 322–330.
[13] Sickenberger, W., Sickenberger, B., Schmitt Lieb, A., Aurand, G. (2005). Klassifikation von Spaltlampenbefunden: ein praxisnahes Handbuch für Kontaktlinsenanpasser, 2. überarb. und erw. Aufl.; CIBA Vision Vertriebs GmbH: Aschaffenburg, 2005.