Augenoptik in Finnland

Ein Semester Optometrie in Helsinki

Samuel Burkart hat durch einen Auslandsaufenthalt an der Metropolia University of Applied Sciences in Helsinki seinen Horizont erweitert. Neue Blickwinkel auf die Augenoptik und prägende Erlebnisse in der nördlichen Hauptstadt haben den Studenten der Hochschule Aalen nachhaltig beeindruckt. Für die DOZ schildert er seine persönlichen Erlebnisse.
Lappland Burkart

Samuel Burkart erkundet mit weiteren Austauschstudenten Kilpisjärvi im finnischen Lappland.

© Samuel Burkart

Die Hochschule Aalen eröffnet Studierenden durch ihr gutes Verhältnis zu den Partnerhochschulen vielfältige Möglichkeiten für einen Austausch. Australien, Spanien oder USA sind nur einige Optionen, es gibt aber auch die Möglichkeit, in den hohen Norden zu gehen. Und so entschied ich mich für das kalte Finnland – und das auch noch im Winter. 

Was bei einigen für Kopfschütteln sorgte, war für mich ein naheliegender Entschluss: „Der Norden ist einfach beeindruckend für mich. Die Natur ist einzigartig und Design wird in jedem Detail gelebt. Gerade in den Kunstmuseen der Stadt und der Architektur ist das wiederzufinden.” Außerdem hatte ich im Vorfeld zahlreiche positive Erfahrungsberichte zum Campus und zum Fachbereich Optometrie an der Metropolia University in Helsinki von Freunden und Bekannten gehört, was mich in meiner Entscheidung bestärkte. Zum wollte ich die Sprache kennenlernen und in die Kultur der Finnen während meines Aufenthalts eintauchen. 

Augenoptik/Optometrie in Finnland

In Finnland ist die deutsche Augenoptik durchaus bekannt. Die finnischen Dozenten erwähnen regelmäßig die technische Klasse der deutschen Augenoptik, die durch das Handwerk geprägt ist. Auch in Hinblick auf die Anpassung von formstabilen Kontaktlinsen dient Deutschland als Vorbild. 

Deutlich stärker ausgeprägt ist in Finnland hingegen die Nähe zu optometrischen Themen, die auch schon durch eine ausgeprägte Anamnese zu Augengesundheit und systemischen Erkrankungen gekennzeichnet ist. Diese Unterschiede sind auf verschiedene Ausbildungskonzepte zurückzuführen, zudem haben finnische Optometristen mehr Freiheiten und Rechte bei der Untersuchung von Patienten.

In Finnland existiert keine traditionelle Ausbildung zum Augenoptiker. Augenoptiker in Finnland durchlaufen in jedem Fall den akademischen Weg, es gibt keine Möglichkeit eine betriebliche Ausbildung zu absolvieren. Für Studierende sind studienbegleitende Praktika in betrieblichen Praxisphasen und praktische Einheiten im Studium obligatorisch. Einige Studierende arbeiten durchgehend in Augenoptikgeschäften, um Gelerntes zu vertiefen. In Finnland ist es üblich, dass Optometristen Refraktionen unter zykloplegierten Augen durchführen, also bei Pupillenerweiterung und gehemmter Akkommodation. Vor der Verabreichung der Augentropfen an den Patienten sollte jedoch eine Gonioskopie (Kammerwinkelmessung) erfolgen. Die verschiedenen Methoden werden an der Metropolia University in Helsinki vermittelt. Bereits im Bachelorstudium wird beispielsweise der Umgang mit einer Gonio-Linse gelehrt, die erst nach Betäubung der Hornhaut verwendet wird. Im direkten Vergleich zur Heimatuniversität fällt mir sofort auf: Der Studiengang in Helsinki ist eher medizinisch geprägt und weniger technisch.
 

Burkart Spaltlampe

Samuel Burkart führt eine Spaltlampenuntersuchung an einer Kundin in dem internen Optometry Clinic Programm durch.

© Samuel Burkart

Warum gerade Helsinki?

Helsinki glänzt durch seine einmalige Kulisse, die im Winter weiß mit Schnee bedeckt ist und im Sommer mit seinen vielen Parks zum Schlendern und Verweilen einlädt. Durch viele Seen in der Region und der direkten Lage am Meer bietet Helsinki ein besonderes Flair. 

Im Stadtgebiet finden sich, neben modernen und zeitgenössischen Architekturhighlights wie der Zentralbibliothek Oodi oder dem Kunstmuseum Amos Rex, auch einige durch die reiche Geschichte geprägte Gebäude. Dazu gehören unter anderem das finnische Parlament oder der Dom zu Helsinki. Die Stadt und ihre Umgebung wirken in den verschiedenen Jahreszeiten wie ausgewechselt – so als wären es zwei verschieden Städte und Länder: Das bis zu minus zwanzig Grad kalte und weiße Finnland, das sich am besten in den gemütlichen Cafés der Hauptstadt genießen lässt. Und das helle, sommerliche Finnland mit weiten Wiesen und schönen Küstenlinien.

Außerdem ist Helsinki ein idealer Startpunkt für unvergleichbare Kurzurlaube. Von den unendlichen Schneewüsten in Lappland, über nordische Hauptstädte wie Tallinn oder Stockholm bis zum Archipel von Turku. Wenn es eine Möglichkeit zwischen den Vorlesungswochen gibt, sind diese Highlights ohne Flugzeug zu erreichen. 

Zentralbibliothek Oodi

Die durch ihre einzigartige Architektur bekannte Zentralbibliothek Oodi wurde während dem Studienaufenthalt der meistaufgesuchte Lernort für Samuel Burkart.

© Samuel Burkart

Der hochmoderne Universitätscampus

Der Myllypurro Campus, wie die Metropolia University ebenfalls genannt wird, beeindruckt durch seine moderne Architektur, seine innovative Technologie und setzt durchaus Maßstäbe in Sachen moderner Bildung. Besonders die Sicherheits- und Barrierefreiheitsmaßnahmen wie NFC-Schlüsselkarten für die Türen zeigen, wie fortschrittliche Technik den Alltag auf dem Campus verbessert. Die Lehrmöglichkeiten auf dem Campus sind ebenso beeindruckend. Für Pflege-Studierende gibt es Simulationsräume und einen Krankenwagen, die eine praxisnahe Ausbildung ermöglichen. Ein Livestreaming der Simulation in den Klassenzimmern und andere digitale Innovationen tragen ebenfalls zur Verbesserung der Lehre bei. Der Campus bietet auch umfassende Sportmöglichkeiten. Im Untergeschoss des B-Gebäudes befinden sich ein Fitnessstudio und eine Sporthalle, die von den Studierenden genutzt werden können. Zudem gibt es ein gut ausgestattetes Schwimmbecken. 

Für die Augenoptik gibt es ein eigenes Optik-Fachgeschäft, dass von Studierenden geführt wird. Hier werden Kundinnen aus der Region bedient und die Studierenden können Praxiserfahrungen sammeln. Professoren stehen bei Fragen zu Verfügung und geben somit den Studierenden Sicherheit im Umgang mit den Kundinnen. Weitere Räumlichkeiten im Optometrie-Studiengang beherbergen Refraktionsräume zum Erlernen von Untersuchungsmethoden und Kontaktlinsenanpassungen. Der Studiengang hat eine moderne Gerätesammlung, die unter anderem über OCT, Perimetrie und Technik zum Myopie-Management verfügt. 

Auch die gute Erreichbarkeit des Campus mit Metro und Bus ist positiv hervorzuheben, was den Studierenden den täglichen Weg erleichtert. 
 

Campus Helsinki

Der neue Campus der Universität wurde 2019 eröffnet und beherbergt alle Gesundheitsstudiengänge der Metropolia University of Applied Sciences.

© Samuel Burkart

Studentenalltag im hohen Norden

Das Semester wurde aufgeteilt in zwei Studienabschnitte. Im ersten Studienabschnitt war das Studium auf internationale Zusammenarbeit und Inhalte des Projekt- und Innovationsmanagement konzentriert. Im zweiten Studienabschnitt ging es für die Austauschstudenten in ihre eigenen Fächer: Für mich also in die Optometrie. Hier wurde der Fokus auf Anpassung von Kontaktlinsen und Low Vision gelegt. 

Im Modul „Multidisciplinary Innovation Project“ entwickelten Studierende aus verschiedenen Fachbereichen innovative Lösungen für Unternehmen oder Organisationen. Wertvolle Kompetenzen in Projektmanagement, Leadership und kreativen Arbeitsmethoden wurden dabei vermittelt. Der Kurs „Finnish for Exchange Students“ ermöglichte die Verbesserung der Sprachkenntnisse und bot Einblicke in die finnische Kultur. Der Austausch mit anderen Austauschstudenten förderte das interkulturelle Verständnis. Das Modul „Contact Lens Fitting and Work Placement“ vermittelte praktische Fähigkeiten in der Kontaktlinsenanpassung und Spaltlampenuntersuchung. Viele neue Untersuchungsmethoden und auch Unterschiede zu der Lehrweise in Aalen wurden von mir als positiv wahrgenommen. Insbesondere wurde der Fokus mehr auf die Untersuchung und die Anpassung von weichen Kontaktlinsen gelegt. Die Hochschule Aalen hat einen intensiveren Fokus auf formstabile Kontaktlinsen. Außerdem gab es Fachvorträge von Firmen wie CooperVision und Alcon. Auch in einem Spezialpraktikum über Sklerallinsen konnte ich neue Erkenntnisse sammeln. Im Modul „Low Vision Patient and Elderly People“ setzten sich die Studierenden mit altersbedingten Augenerkrankungen und vergrößernden Sehhilfen auseinander. Die Ergebnisse wurden in Teamarbeit auf Englisch präsentiert und vermittelten Einblicke in die Lebenswelt von Menschen mit Sehbehinderung. Die Vorlesung wurde durch mehrere Fachvorträge von Betroffenen unterstützt und hat so das Wissen vertieft. 
 

Haupteingang Uni

Der Student der Hochschule Aalen steht vor dem Eingang des modernen Myllypurro Campus der Universität.

© Samuel Burkart

Fazit: eine bereichernde Erfahrung

Mein Auslandssemester in Helsinki hat meinen Horizont erheblich erweitert. Die kulturelle Vielfalt und innovative Herangehensweise an die Augenoptik waren beeindruckend. Besonders die starke medizinische Ausrichtung des Studiengangs und die modernen Lehrmöglichkeiten am Myllypurro Campus haben mich begeistert. Helsinki selbst, mit seiner einzigartigen Mischung aus Geschichte und moderner Architektur sowie der beeindruckenden Natur, hat mich nachhaltig geprägt. Insgesamt war der Aufenthalt eine bereichernde Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Ein Auslandssemester würde ich jedem Studierenden empfehlen. Ich bin sehr dankbar für die vielen Erlebnisse – sowohl fachlich als auch persönlich.