Passgenaue Lösungen, weil jeder Fall einzigartig ist

Erfolgsfaktoren der Übernahme traditioneller augenoptischer Fachgeschäfte

Gibt es den „One-size-fits-all“-Ansatz bei der Betriebsübergabe in der Augenoptik? Nein, sagt Tamara Beil und unterstreicht dies durch die Ergebnisse ihrer Bachelorarbeit „Erfolgsfaktoren der Übernahme traditioneller augenoptischer Fachgeschäfte – eine explorative qualitative Analyse basierend auf Interviews mit den Nachfolger:innen“. In diesem Artikel stellt Tamara Beil ihre Arbeit vor, die im vergangenen Oktober mit dem Binder-Optik-Preis 2024 ausgezeichnet wurde.

Der Altinhaber hat große Fußstapfen hinterlassen – die gilt es für den Nachfolger erst einmal auszufüllen.

© Adobe Stock / blacksalmon

Erstveröffentlicht in der DOZ 03I25

Die Augenoptikbranche steht vor einem bedeutenden Umbruch. Der Generationenwechsel schreitet voran. Jedes Jahr wechseln hunderte Betriebe in Deutschland ihren Besitzer oder schließen mangels Nachfolger. [1] Dieser Prozess bringt zum einen Herausforderungen für die ältere Generation mit sich, eröffnet aber zum anderen der jungen Generation neue und vielversprechende Chancen. Die Nachfolgefrage wird zu einem zentralen Thema, das nicht nur die wirtschaftliche Zukunft der Betriebe, sondern auch die Kontinuität der Versorgung im Bereich der Augenoptik betrifft.

Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Übernahme von traditionellen augenoptischen Betrieben, da diese zumeist auf eine individuelle Nachfolgeregelung angewiesen sind. Eine Betriebsübernahme ist jedoch nicht alltäglich, entsprechend fehlt oft die notwendige Erfahrung, um den Übergang reibungslos zu gestalten. Jede Übernahme ist einzigartig und entsprechend gibt es kein Patentrezept, das auf alle Betriebe und Situationen gleichermaßen angewendet werden kann. Neben der Wahl des Nachfolgers sind auch andere Faktoren, wie das Transaktionsmodell und die Unternehmensbewertung wesentlicher Bestandteil des Übergabeprozesses. [2]

Die Übernahme von Unternehmen, insbesondere im Bereich der Augenoptik, ist ein komplexer Prozess, der von vielen Faktoren beeinflusst wird. Erfolgsfaktoren sind Eigenschaften, die den Erfolg einer Unternehmensübernahme begünstigen und beinhalten sowohl objektive als auch subjektive Kriterien. [3] Objektive Faktoren umfassen den Zustand des Unternehmens, den Kundenstamm, die Mitarbeitenden und die Ausstattung des Betriebs, während subjektive Faktoren persönliche Beziehungen und das Vertrauen zwischen Käufer und Verkäufer beschreiben. Erfolgreiche Konzepte, wie eine gut strukturierte Nachfolgeregelung, haben sich bereits etabliert. Ein detaillierter Übergabeplan, der alle Aspekte und Termine der Übergabe festhält, ist hilfreich. Eine schrittweise Übergabe, bei der der Nachfolger nach und nach die Aufgaben übernimmt und der ehemalige Eigentümer als Mentor fungiert, hat sich ebenfalls bewährt. [4]

Nicht jede Übernahme gelingt, und somit gibt es Gründe, die für das Scheitern von Unternehmensübernahmen verantwortlich sind.

Mangelnde frühzeitige Planung: Viele Inhaber beginnen zu spät mit der Übergabe, wodurch Zeitdruck entsteht. Idealerweise sollte die Vorbereitung im Alter von 50 Jahren starten, da der Übergabeprozess oft mehrere Jahre dauert.


Psychologische Hürden: Viele Inhaber zögern, ihre Verantwortung abzugeben, da sie unsicher sind, wie ihr Leben nach der Übergabe aussehen wird.

Fehlende konkrete Übergabepläne: Unklare Vorstellungen zur Abgabe oder fehlende Vereinbarungen mit den Nachfolgern führen zu Verzögerungen und Konflikten.

Überhöhte Preisvorstellungen: Utopische Erwartungen des Inhabers an den Verkaufspreis können den Käufer abschrecken.

Mangelnde Kommunikation: Eine unzureichende Einbindung der Mitarbeiter führt zu Demotivation und Konflikten während des Übergabeprozesses.

Probleme mit Nachfolgern: In Familienunternehmen übernehmen Kinder oft widerwillig oder ohne die notwendigen Qualifikationen das Unternehmen. Auch bei Übernahmen durch Angestellte können Probleme auftauchen, etwa wenn finanzielle Mittel fehlen oder Spannungen mit Kollegen entstehen. [2,5]

Übernahme traditioneller Betriebe – die Studienschwerpunkte

Im Fokus der Studie standen insbesondere die Erfahrungen von Nachfolgern, die bereits (erfolgreich) eine Unternehmensübernahme durchgeführt haben. Dabei wurde untersucht, welche Aspekte der Übernahme als besonders wichtig erachtet wurden. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf den Methoden zur Unternehmenswertermittlung, die in der Praxis verwendet wurden und sich als effektiv erwiesen haben. Auch die Übernahmeaspekte, die für die Übernehmenden als besonders bedeutend galten, wurden näher beleuchtet. Weiterhin wurde erforscht, welche Auswirkungen die Übernahme auf die Belegschaft und das Arbeitsumfeld des übernommenen Unternehmens hatte. Schließlich wurde die Frage untersucht, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um die Kontinuität der Servicequalität und Kundenbetreuung während des gesamten Übernahmeprozesses sicherzustellen.

Die Basis der Bachelorarbeit bildet eine Kombination aus qualitativer und quantitativer Datenerhebung. In Experteninterviews wurden fünf männliche Teilnehmer zu ihren Erfahrungen mit der Unternehmensübernahme nach einem detaillierten, vorgefertigten Interviewleitfaden befragt. Vier Probanden waren um die 50 Jahre alt, einer 58. Drei besitzen einen Abschluss als Dipl.-Ing. (FH) Augenoptik, zwei sind Augenoptikmeister. Drei Probanden waren zwischen 20 und 30 Jahre alt, als sie das Geschäft übernommen haben, und jeweils einer zwischen 30 und 40 bzw. 40 und 50 Jahren. Hinsichtlich des Bezugs zu den Unternehmen übernahm ein Proband den Betrieb als Externer. Zwei Probanden waren vor der Übernahme Mitarbeiter und in zwei Fällen wurde das Geschäft innerhalb der Familie übergeben. In Bezug auf die Unternehmensgröße gab es eine Spanne von einem bis zu 15 Mitarbeitenden. Die Daten wurden explorativ quantitativ ausgewertet, basierend auf der Inhaltsanalyse nach Mayring.

Ergebnisse der Forschung

Die Untersuchung ergab, dass drei der Befragten bereits während ihrer Ausbildung über die Möglichkeit einer Übernahme nachgedacht hatten, während die verbleibenden zwei erst kurz vor der tatsächlichen Übernahme Überlegungen anstellten. Die Hauptgründe für die Übergabe waren häufig altersbedingt. Folgende Faktoren aus der Forschung konnten für eine erfolgreiche Übernahme herausgezogen werden (Original-Antworten aus den Befragungen im Folgenden kursiv gedruckt):

Frühe Auseinandersetzung: Eine frühzeitige Planung der Übernahme sowie adäquate Vorüberlegungen, beispielsweise ein konkreter Übernahmeplan, sind vorteilhaft, um nicht in Zeitdruck zu geraten und hastige Entscheidungen zu vermeiden, die potenziell zum Scheitern der Übernahme führen könnten. Bereits mit dem Eintritt in die Lehre machten sich einige der Befragten Gedanken über eine mögliche Unternehmensübernahme. Andere setzten sich erst ein bis zwei Jahre vor der tatsächlichen Übernahme damit auseinander. In einigen Fällen bestand zunächst kein Interesse an einer Selbstständigkeit, jedoch beeinflussten verschiedene Faktoren die Entscheidung zur Übernahme. Die Möglichkeit, das eigene Unternehmen nach individuellen Vorstellungen zu gestalten, wurde dabei erst später als Vorteil erkannt.

Rolle externer Fachleute: Externe Fachleute spielten eine wichtige Rolle im Übergabeprozess. Steuerberater und Wirtschaftsprüfer wurden hinzugezogen, um vertragliche Regelungen zu klären und familiäre Streitigkeiten zu vermeiden. Eine Person schilderte: „Der Steuerberater half, beide Parteien gleich zu behandeln und die Verträge korrekt zu gestalten.“ Auch eine auf Augenoptik spezialisierte Unternehmensberatung wurde involviert. „Die Expertise der Berater trug dazu bei, finanzielle Risiken zu identifizieren und eine realistische Planung zu entwickeln.“ Besonders hilfreich waren zudem Branchenverbände, die Informationen zu Marktbedingungen und Zukunftsperspektiven bereitstellten.

Wichtige Bewertungsfaktoren des Unternehmens: Die Bewertung des Unternehmens erfolgte überwiegend anhand der letzten drei Umsatzjahre. Als wichtigste Kennzahlen wurden die BWA und der Jahresabschluss mit Summenund Saldorechnung und GuV sowie der Mietvertrag genannt.

„Mit einem Kundenstamm hat man einen fliegenden Start, ohne dass neu begonnen werden muss“

 „Die BWA zeigt, welches Potenzial das Geschäft hat, welche Kosten bestehen und wo weiteres Wachstum möglich ist.“ Zusätzlich spielen der Kundenstamm und die langfristige Rentabilität eine große Rolle. Eine befragte Person betonte: „Wenn man einen Kundenstamm hat, hat man einen fliegenden Start, ohne dass von Grund auf neu begonnen werden muss.“ „Eine hohe Kundenbindung war ein Indikator für zukünftige Umsätze und nachhaltigen Geschäftserfolg.“ Auch die Standortattraktivität ist entscheidend. Dazu wurde festgestellt: „Die Lage entscheidet mit darüber, ob ein Unternehmen weiterhin gut frequentiert wird oder an Bedeutung verliert.“ Des Weiteren wurde der Mietvertrag als wichtig erachtet: „Wenn der Laden übernommen wurde und man feststelle, dass der Mietvertrag nach einem Jahr ausläuft, hat man wenig gewonnen.“ Aus dem Mietvertrag kann außerdem herausgearbeitet werden, ob Änderungen an diesem vorgenommen werden können oder ob Konsequenzen beziehungsweise Probleme mit der Übergabe einhergehen, wie etwa eine jährliche Kostensteigerung.

Stifter Dr. Helmut Baur übergibt den Binder-Optik-Preis 2024 an Tamara Beil.

© Hochschule Aalen

Auswirkungen auf Mitarbeiter und Betrieb: In kleinen Unternehmen hatte die Übernahme kaum Auswirkungen auf die Belegschaft oder das Arbeitsumfeld. Mitarbeiter blieben im Unternehmen, sodass sich für Kunden keine spürbaren Änderungen ergaben. In einem Fall wurde das Geschäft jedoch für Renovierungen geschlossen. „Reparaturen und kleinere Dienstleistungen wurden währenddessen weitergeführt.“ Diese Schließung stellte jedoch keinen Nachteil für das Unternehmen dar, sondern wirkte sich positiv auf die Kunden aus, da sie nach der Wiedereröffnung von einem modernisierten und ansprechenden Laden profitieren konnten. Verschiedene Inhaber führten organisatorische Änderungen ein. „Die Umstellung auf neue Arbeitsweisen sorgte zunächst für Unsicherheit, wurde aber langfristig akzeptiert.“

Übertragungsform: Die am häufigsten gewählte Übertragungsform war (auf Basis der Interviewstudie) der einmalige Kauf mit fester Zahlung. Dieser stellte sich am besten für eine Übernahme eines Geschäfts heraus, weil er eine klare Trennung zwischen dem ehemaligen und neuen Inhaber ermöglicht und somit potenzielle Konflikte minimiert. Außerdem bietet der Kauf dem neuen Inhaber sofortige Kontrolle und Entscheidungsfreiheit, was die Integration neuer Strategien und Anpassungen erleichtert. Insbesondere Pachtverhältnisse wurden kritisch bewertet und als unflexibel und problematisch empfunden. „Pachtverhältnisse führen oft zu langwierigen Debatten und finanziellen Unsicherheiten.“ Darüber hinaus wurde in manchen Fällen eine schrittweise Übergabe gewählt, bei der der bisherige Inhaber noch ein bisschen beratend tätig blieb. Eine befragte Person meinte dazu: „Diese Lösung half, den Wissenstransfer zu sichern und bestehende Kundenbeziehungen aufrechtzuhalten.“

Fazit: Erfolgsfaktoren identifizieren, Risiko verringern

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die quantitative Untersuchung der Unternehmensübernahme wertvolle Einblicke in die verschiedenen Aspekte und Herausforderungen dieses Prozesses geboten hat. Durch die Berücksichtigung der identifizierten Erfolgsfaktoren können Übernahmen möglicherweise schneller und reibungsloser ablaufen, was das Risiko eines Scheiterns verringert. Dies könnte dazu führen, dass sich mehr Nachfolger bereit fühlen, Unternehmen zu übernehmen und somit die Zahl der gescheiterten Übernahmen reduziert wird. Schlussendlich muss noch einmal betont werden, dass die Interviewergebnisse stringent zu den theoretischen Vorüberlegungen gezeigt haben, dass jede Übernahme einzigartig ist und passgenaue, individuelle Lösungen fordert.

© Privat

Autorin: Tamara Beil
B.Sc. Augenoptik/Optometrie, hat an der Hochschule Aalen studiert und arbeitet nun als Optometristin in der Augenklinik im Klinikum Nürnberg.

 


QUELLENANGABEN
[1] Ohren G, Beugel UM. (2015). Unternehmensverkauf und Nachfolge inder Augenoptik. Jede Menge Zukunft: Die Unternehmensnachfolge von Betrieben in der Augenoptik. Online verfügbar unter https://www.eyebizz.de/eyebizz-news/jede-menge-zukunft-die-unternehmensnachfolge-von-betrieben-in-der-augenoptik/ (06.01.2025).
[2] Nagl A, Dörner D, Graf M, Haubrock A, Lanzinger C, Raible T, Rodenstock B, Wollherr T. Wie regele ich meine Nachfolge?, Leitfaden für Familienunternehmen, Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH; 3. Auflage. 2019.
[3] Heinrich LJ, Heinzl A, Roithmayr F. Wirtschaftsinformatik-Lexikon. 235. Wirtschaftsinformatik-Lexikon, Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH; 7. Auflage. 2004.
[4] Habig H, Berninghaus J. Die Nachfolge im Familienunternehmen ganzheitlich regeln, Springer-Verlag; 2. Auflage. 2004.
[5] Stolz GJ. Betriebsübergabe und Betriebsveräußerung, markt intern Verlag GmbH; 2. Auflage. 2019.