Scheimpflug-Technik für optometrische Dienstleistungen
Kontaktlinsen-Experte Simon Jäkel setzt die Pentacam AXL Wave, anders als bei anderen Messgeräten, seit ihrer Anlieferung in seinem Betrieb bei jedem Kunden ab etwa dem zweiten Lebensjahr ein.
Erstveröffentlicht in der DOZ 03I25
Mein erster Kontakt mit den Analysemöglichkeiten der Scheimpflugtechnik der Pentacam und den vielseitigen Vergleichsmöglichkeiten der wissenschaftlich fundierten Augenparameter erfolgte im Rahmen meiner Tätigkeit als Lehrbeauftragter an der Hochschule München, in der ich das optometrische Praktikum unterrichten durfte. Seither ergänzt eine Pentacam AXL Wave das Geräteportfolio unserer Optometrie- Praxis. Die Kamera setzen wir, anders als bei anderen Messgeräten, seit ihrer Anlieferung bei jedem unserer Kunden ab circa dem zweiten Lebensjahr ein. Wir führen nach jeder Autorefraktometer-Messung immer eine Pentacam-Messung durch. Damit erhalten wir in Sekundenschnelle die wichtigsten Informationen zum Vorderabschnitt der Augen. Die Pentacam stellt für uns somit einen „Türöffner“ für eine weitere fachlich gründliche Arbeit im Betrieb dar und ist zu einem Wegbereiter unseres unternehmerischen Erfolgs geworden.
Mit den erhobenen Daten und Aufnahmen der Pentacam können wir den Kundinnen und Kunden unsere Faszination für gutes und gesundes Sehen ideal vermitteln. Die Aufnahmen präsentieren wir immer auf großen Bildschirmen in unseren Refraktionsräumen und erklären diese. Hierbei hat sich die Darstellung der gesamten Messergebnisse in der Übersicht des „Full Sequence Overview“-Displays (Abb. 1) als sehr wertvoll erwiesen, da hier auf einen Blick alle gemessenen Ergebnisse sichtbar sind.
Zuhören in Kombination mit Zahlen, Daten und Fakten
Die in Abbildung 1 gezeigten Auswertungen werden zusammen mit den Kunden besprochen. Bei der Bewertung der Messungen gehen wir in der Beratung schrittweise vor. In den Scheimpflugbildern kann die Transparenz der Hornhaut beurteilt werden, mögliche Hornhautnarben oder -trübungen leuchten im Schnittbild stärker auf. Die Augenlinse wird ebenfalls durchleuchtet und lässt einen Rückschluss auf den Transparenzgrad zu. Hier hilft auch die Retroillumination enorm (Abb. 2). Somit kann sich der Optometrist ein Bild über die Abbildungsfähigkeit des Auges machen. Unseren Kunden erklären wir die Aufnahmen – für viele ist dadurch ihr täglicher Seheindruck besser verständlich.
Gerade das begleitende Anamnese-Gespräch und das intensive Zuhören in Bezug auf mögliche Kundenwünsche, -erwartungen oder -anliegen ist neben dem Erfassen der Zahlen, Daten und Fakten der Pentacam das Spannende in der täglichen Praxis. Mit diesen Informationen lassen sich die richtigen optischen Lösungen gemeinsam erarbeiten. Somit lässt sich auch die Reklamationsquote bei Brillen senken, wenn man hierbei seine Hausaufgaben richtig gemacht hat. Kunden schätzen die ausführliche Analyse ihres wichtigsten Sinnesorgans und sind dann absolut bereit, dies entsprechend finanziell zu honorieren. Wir sollten in der augenoptischen Branche viel mehr diesen Trumpf spielen, um die Wertigkeit für gutes und gesundes Sehen in der Gesellschaft zu stärken. Dann ist das Angebot eines kostenlosen Sehtests obsolet, bei dem wir nur wertvolle Arbeitszeit verschenken.
Faktenbasierte Optometrie: Als zahlenaffiner Mensch sind auch die vielen wissenschaftlich untermauerten Analyse-Auswertungen der Pentacam für mich besonders reizvoll. In jedem Augenoptik- und Optometrie-Betrieb sollte das Erreichen einer hohen Kundenzufriedenheit das Herzstück der täglichen Arbeit sein. Dabei spielt für den Kunden die erreichte Sehqualität bei einer Brillen- oder Kontaktlinsenversorgung eine große Rolle. Daher ist das Wissen über verändernde Refraktionsverhältnisse, je nach Pupillengröße, wichtig. Die Analysemöglichkeiten der Abbildungsfehler von Hornhaut und Augenlinse im Vergleich zum gesamten Auge sind hilfreich, genauso wie die simulierte Darstellung mittels E-Haken.
Abb.1: Im „Full Sequence Overview“-Display wird links der Seheindruck mittels eines „E-Hakens“ aufgrund der Abbildungseigenschaften gezeigt, unterteilt für Hornhaut, intern und Gesamtabbildung. Im oberen Bereich sind das Scheimpflug-Bild und ein Retroilluminationsbild zu sehen. Rechts ist das „Zahlenwerk“ der Pentacam-Auswertung aufgelistet, von Refraktionsergebnissen und den Keratometrie-Werten über Hornhauteigenschaften wie Ektasierisiko-Score, Hornhautdicke, Vorderkammertiefe und Augenlänge bis hin zu vielen weiteren Parametern. Im unteren Bereich sind drei Darstellungsdisplays frei konfigurierbar mit zum Beispiel Krümmungskarten der Hornhaut.
Abb. 2: (Links) Alle im Strahlengang befindlichen „Ablenkungen“ sind dank der Retroillumination gut erkennbar. Eine vertikale Hornhautperforation wurde mit Einzelknüpfnähten versorgt. An den Einstichstellen des Nahtmaterials sieht man die Zugkräfte des Fadens. (Mitte) Zu erkennen sind eine Intraokularlinse und die Ansatzbereiche der Haptiken. Die Kasulorhexis ist nur wenige Millimeter groß und im inferioren Bereich sind Elschnig-Perlen des Nachstars zu erkennen. (Rechts) Die konzentrischen Ringe einer Multifokal-Intraokularlinse heben sich deutlich im Retroilluminationsbild ab. Damit lassen sich Zentrierung und Lage der Intraokularlinse im Vergleich zum Pupillenzentrum beurteilen.
Fallbeispiel 1: Aberration und Refraktionsverhältnisse
Ein fünfjähriger Junge stellte sich erstmalig zur Brillenversorgung in unserer Optometrie-Praxis vor. Augenärztlich war eine beidseitige kongenitale Kern-Katarakt diagnostiziert. In der Spaltlampen-Mikroskopie zeigten sich deutliche Trübungen beider Augenlinsen (Abb. 3). In einem abgedunkelten Raum führten wir objektive Messungen mit einer Pentacam AXL Wave durch, die das Flächenausmaß der beidseitigen Linsentrübungen und deren Lage im Vergleich zur Pupillenöffnung zeigten. In der Densiometrie-Analyse konnte der Lichtverlust dieser Linsentrübung dargestellt werden (Abb. 4). Hilfreich für die Brillenversorgung und die erforderliche Refraktionsbestimmung waren die Aberrometrie-Angaben der Pentacam. Je nach Größeneinstellung der optischen Zone lassen sich dabei die objektiven Aberrometrie-Refraktionswerte anzeigen.
Die folgende Aufzählung zeigt, wie sich der refraktive Status je nach Größe der optischen Zone ändert. Für den Untersucher waren die Auswertungen eine gute Hilfestellung in der korrekten Ermittlung einer notwendigen astigmatischen Brillenkorrektur.
Optische Zone 2mm: sph -1,42 zyl -4,55 A 4°
Optische Zone 3 mm: sph -1,28 zyl -4,25 A 2°
Optische Zone 4 mm: sph -0,55 zyl -4,10 A 1°
Optische Zone 5 mm: sph +0,42 zyl -3,98 A 4°
Optische Zone 6 mm: sph +1,27 zyl -3,89 A 4°
Optische Zone 7 mm: sph +1,42 zyl -4,55 A 4°
Verordneter
Brillenwert: sph 0,00 zyl -3,75 A 4°
Die angefertigte Brille wird ganztags erfolgreich getragen und hilft deutlich in der Sehentwicklung des Jungen. Der erreichte Brillen-Visus liegt binokular bei circa Vcc 0,5. In enger Zusammenarbeit mit dem behandelnden Ophthalmologen wird weiter das Risiko einer möglichen zukünftigen Katarakt-Extraktion und deren Folgen in der Aphakie-Versorgung mit der normalen Visus-Entwicklung abgewägt. Hierbei helfen die Vergleichsmessungen der Pentacam, um den Fortschritt einer Trübung (Intensität) und das flächige Ausmaß der Lichtstreuung zu beurteilen. Diese Leistungen in der optometrischen Betreuung des Jungen sind für die Eltern eine große Erleichterung, da sie sich selbst über den Fortschritt der Katarakt-Entwicklung ein Bild machen können. Die regelmäßigen Wiederholungsmessungen sind für den Fünfjährigen ebenso einfach wie komplikationslos zu bewältigen und erfordern wenig Zeiteinsatz.
Abb. 4: Gut zu erkennen ist die zentrale Katarakt. Gerade bei größeren Pupillenöffnungen können Lichtstrahlen leichter seitlich zur Netzhaut vordringen.
Fallbeispiel 2: Freiform-Sklerallinsen- anpassung mittels CSP-Pro-Messung
Ein 42-jähriger Patient wurde dem Untersucher mit Diagnose eines beidseitigen Keratokonus von einer Universitäts-Augenklinik zugewiesen. Der Kunde hatte seit seinem 20. Lebensjahr weiche Kontaktlinsen getragen, jedoch verschlechterte sich die Sehleistung 2022 abrupt. Daher wurden ihm 2023 extern formstabile Keratokonus-Kontaktlinsen angepasst, die jedoch zu keiner guten Sehschärfe führten und deren Trageeigenschaft deutlich eingeschränkt war. Der binokulare Visus mit diesen vorhandenen kornealen formstabilen Keratokonuslinsen lag bei Vcc 0,4. Die Trageeigenschaften der Kontaktlinsen wurden mit der Schulnote „3–“ bewertet; unter anderem, weil dem Kunden die Linsen im Tagesverlauf immer wieder vom Auge fielen. Der Kunde befand sich daher seit mehreren Monaten im Krankenstand und hatte, auch wegen seiner geringen Sehqualität, mit einer starken Depression zu kämpfen.
Der Untersucher passte dem Kunden daraufhin Freiform-Skleralkontaktlinsen nach erhobenen Messdaten einer „CSP Pro“-Messung an. „CSP“ steht dabei für „Cornea-Skleral-Profil“. Der sklerale Auflagenbereich des Auges wird mit 25 Schnittbildern der Pentacam vermessen und damit eine Höhenkarte erstellt (Abb. 5). Mit der Anfertigung von Freiform-Sklerallinsen lässt sich die individuelle periphere Form des Auges in der Kontaktlinse optimal berücksichtigen (Abb. 6). Dies führte zu sehr guten anatomischen Auflageverhältnissen der angefertigten Freiformlinsen und einer daraus resultierenden verbesserten physiologischen Verträglichkeit der Linsen (Abb. 7 und 8). Der Kunde erreichte damit bei den Trageeigenschaften die Schulnote „2+“, einen Visus mit Kontaktlinsen von Vcc 0,9 und eine tägliche komfortable Tragezeit von bis zu 14 Stunden. Er war mit dieser visuellen Rehabilitation wieder in der Lage, seine beruflichen und privaten Seh-Anforderungen zu bewältigen.
Abb. 5: CSP Pro-Messung des Cornea-Skleral-Profils des Auges: Mit einem Scan konnte die komplette Augenoberfläche in einem Durchmesser von 18 mm aufgenommen werden. Die gelben Schnittbilder zeigen in den einzelnen Schnitten den Verlauf der Hornhaut und Sklera an.
Abb. 6: Eine 3D-Visualisierung des Kontaktlinsenherstellers Appenzeller Kontaktlinsen AG ermöglicht die genaue Kontrolle der Auflageverhältnisse in der Kontaktlinse. In blauer Farbe ist die Linse über der Hornhaut dargestellt.
Abb. 7: Anpassung einer Freiform-Sklerallinse („ishape“; Appenzeller Kontaktlinsen AG): Der schwarze Doppelpunkt auf 270° zeigt die richtige Positionierung der Linse am Auge. Die Freiformlinse liegt flächig auf der bulbären Bindehaut auf und zeigt dabei eine gute Versorgung.
Abb. 8: Im Fluoreszeinbild der Kontaktlinse ist ein gleichmäßig definierter Abstand der Kontaktlinsenrückfläche zur Hornhautoberfläche zu erkennen. Dies führt zu einem definierbaren Abstand der Kontaktlinse (zentrale Überbrückung) bei gleichzeitig optimaler limbaler Entlastung im Auflagebereich.
Mehr in technische Analyse- möglichkeiten investieren
Augenoptiker und Optometristen sollten mehr in die modernen technischen Analysemöglichkeiten investieren. Gerade Geräte, die mit einer Vielzahl an Auswertungen dem Kunden ein „Erlebnis“ an Auswertungen der Messergebnisse der Augen liefern, helfen enorm, die Augengesundheit ins richtige Licht zu rücken. Dadurch können leichter (kostenpflichtige) optometrische Dienstleistungen angeboten werden, die für den Kunden wiederum einen Mehrwert für seine Augengesundheit bieten. Gerade eine umfassende Software, die verschiedene Analysebereiche als Gesamtpaket abdecken kann – wie etwa Aberrometrie, Retroillumination, Achslängen-Messung, Myopie-Management, Hornhauttomographie oder CSP-Messungen – hilft dem Anwender, fachlich richtige Entscheidungen in der Kundenversorgung zu treffen. Der zeitliche Vorteil, den man durch eine einheitliche Datenbank und einem strukturierten Messablauf erhält, macht die Investition nachhaltig. Hochwertige optometrische Analysetools können verstärkt auch zum unternehmerischen betrieblichen Erfolg beitragen.
Autor: Simon Jäkel (M.Sc.)
ist Augenoptikermeister und Optometrist sowie Geschäftsführer der Optik Jäkel GmbH in Kelheim. Sein Unternehmen hat sich auf optometrische Dienstleistungen und Spezialkontaktlinsen wie Freiform-Sklerallinsen spezialisiert, die insbesondere bei komplexen Sehproblemen eingesetzt werden. Mit einem Master in Vision Science und Business (Optometry) und internationaler Erfahrung, unter anderem aus den USA, kombiniert Jäkel sein Wissen im täglichen Geschäft. Neben seiner Tätigkeit als Optometrist ist Simon Jäkel als Referent auf Kongressen sowie als Autor von Fachpublikationen aktiv, unter anderem für die OCL.