Zu Besuch im Kontaktlinseninstitut „Stolz & Schnäbele“
„Weißt Du was? Das machen wir zusammen!“ Aus den beiden Arbeitskolleginnen Manuela Stolz (li.) und Karin Schnäbele sind im Laufe der Jahre Freundinnen geworden.
Erstveröffentlicht in der DOZ 03I25
Wie es das Schicksal will, treffe ich Manuela Stolz und Karin Schnäbele zu einem kleinen, persönlichen Jubiläum: Denn just an diesem 13. Januar 2025 gibt es Stolz & Schnäbele seit 15 Jahren mit ihrem ersten Betrieb „Optik Werz“ in Bad Mergentheim. Die beiden Frauen lernten sich zwar bei der Arbeit kennen, aber die Entscheidung, als Inhaberinnen-Team einen Augenoptikbetrieb zu übernehmen, fiel völlig spontan und dank eines entscheidenden Zufalls. Eineinhalb Jahre gemeinsame Beschäftigung in einem Augenoptikbetrieb – ebenfalls in Bad Mergentheim – reichten aus, um aus den Kolleginnen zwei Freundinnen zu machen. Geplant hatte den Schritt in die Selbstständigkeit damals nur Manuela Stolz. Karin Schnäbele konnte sich das zu der Zeit – noch – nicht vorstellen. Also ermutigte sie ihre Freundin zu einem Inserat in der DOZ: „Suche Augenoptikgeschäft im Raum Würzburg zur Übernahme“.
Das war im Jahr 2008 und es gab genau eine Rückmeldung. Und hier kommt der Zufall ins Spiel: Denn im Endeffekt liegt der neue Betrieb kaum 50 Meter von ihrer damaligen Arbeitsstätte entfernt und auch noch in derselben Straße. Als Stolz Schnäbele kurz darauf trifft und ihr erzählt, um welches Geschäft es geht, sagt diese kurzentschlossen: „Weißt du was? Das machen wir zusammen!“ Von da an waren „Stolz & Schnäbele“ Feuer und Flamme für ihren übernommenen Betrieb Optik Werz, der in Bad Mergentheim unter den beiden Inhaberinnen an Qualität und Bekanntheit gewinnt. Das Team wächst auf acht Mitarbeiterinnen an. Fünf von ihnen haben den Meistertitel. Den „Mädels“ und dem Betrieb geht es gut. Doch Inhaberin Manuela Stolz steht aus privaten Gründen im Anfang 2024 beruflich vor einer Weggabelung.
Bloß keine „Päckle-Schieberei“
Der Liebe wegen war sie sieben Jahre nach der Betriebsübernahme von Bad Mergentheim ins 75 Kilometer entfernte Neckarsulm gezogen und muss von da an eine Stunde ins Geschäft pendeln. Doch mit der Zeit spürt Stolz, dass sie die Entfernung immer mehr belastet. Daher sucht sie gemeinsam mit Karin Schnäbele nach einer Lösung. Diese ist relativ schnell gefunden: ein Kontaktlinseninstitut am Wohnort von Manuela Stolz soll entstehen. Hier will Stolz an drei Tagen in der Woche ihrer großen Leidenschaft nachgehen und sich ganz auf das Anpassen von Kontaktlinsen konzentrieren. „Die Linse war schon immer mein Favorit. Auch in Bad Mergentheim haben wir die Linse ,verändert‘ – den Stil, Linsen anzupassen, kontinuierlich individualisiert – vom Standard hin zum Besonderen“, erzählt sie. Bereits bei Optik Werz brachten Stolz und Schnäbele die Arbeit und den Verkauf von Kontaktlinsen auf ein hohes Niveau. In den ersten Jahren ihrer Selbstständigkeit wissen beide, dass die „Päckle-Schieberei“ wie Stolz es nennt, keine Zukunft für das Geschäft hat. Nach ihrer Teilnahme am 1. Deutschen Contactlinsen Congress (DCC) in München, melden sie sich als Teilnehmerinnen für eine Studie – mit dem Ziel herauszufinden, wie man die Linse pushen kann. Das betriebswirtschaftliche Potenzial der Kontaktlinse sollte darin – mit professionellem Support – erschlossen werden. Beide sind sicher: Es geht auch anders mit der Kontaktlinse. Besser.
Während der zweijährigen Studienteilnahme zeigt sich tatsächlich, was alles wirtschaftlich mit der Kontaktlinse möglich ist. Und Stolz & Schnäbele saugen diese Möglichkeiten begeistert auf und setzen sie engagiert bei Optik Werz in die Tat um. Seitdem gilt: Ganz gleich ob Sklerallinsen bei Keratokonus oder Multifokalanpassungen – dort, wo es Zeit und Fingerspitzengefühl braucht, liegt die Stärke der beiden Kontaktlinsenanpasserinnen. Die Kontaktlinse wird zur „Meisterleistung“ bei den beiden Inhaberinnen – und wird auch nur von Augenoptikmeisterinnen geleistet.
Das bleibt auch jetzt so, wenn Manuela Stolz ihr eigenes Kontaktlinseninstitut leitet. Dieses neue Institut erinnert von seiner Außenwirkung an eine Praxis. Es befindet sich in einem Mehrfamilienhaus, in einem Wohngebiet – keiner Fußgängerzone. „Das ist auch völlig beabsichtigt“, sagt Manuela Stolz. Das Kontaktlinseninstitut arbeitet ausschließlich über Terminvergabe. Diese seien für Kundinnen und Kunden bequem mit der SINNO-App auf der Homepage online buchbar. Damit die Kunden auf „Die Kontaktlinse“, wie das Institut sinngemäß heißt, aufmerksam werden, hat Manuela Stolz in den letzten Monaten viele Telefonate geführt und viele E-Mails geschrieben. Zudem läuft eine Werbung über das regionale Radio und auch die Sozialen Medien sind eingebunden, um die Bekanntheit „Der Kontaktlinse“ zu vergrößern.
Den neuen Standort müssen beide komplett neu aufbauen, denn eine Stunde Anfahrt lohnt sich für Kundinnen aus Bad Mergentheim nicht. Das ist aber kein Problem, denn die Kundenakquise läuft laut Manuela Stolz sehr gut. Etwa zwei Neuanpassungen im Schnitt habe Stolz an den Öffnungstagen der Kontaktlinse in Neckarsulm bereits. Viele neue Kundinnen kommen auf Empfehlungen von nahegelegenen Augenärzten und Augenkliniken, bei denen sich Manuela Stolz vorgestellt hatte. Zu den Anpassungen gehören vor allem Speziallinsen, wie bei einer Keratokonusversorgung. Das erfolgreiche Geschäftsmodell von Stolz & Schnäbele fuße auf genau solchen Linsen. „Mit jeder Kontaktlinse, die individuell angepasst wird, kann man besser kalkulieren“, findet auch Karin Schnäbele.
Dabei sei es wichtig, eine eigene Strategie für die Kontaktlinsenkalkulation zu finden. Besonders für die Anpassung solcher Speziallinsen müsse man sich die Arbeit entsprechend vergüten lassen. „Es geht gar nicht anders. Arbeit zu verschenken, das kann man sich heute nicht mehr leisten“, sagt Schnäbele. Um ihre Kontaktlinsenstrategie mit den richtigen Firmen zu stützen, konzentrieren sich Stolz und Schnäbele vor allem auf kleinere deutsche Hersteller wie Hecht und Wöhlk oder Mark’ennovy. „Wir haben Wert darauf gelegt, dass wir bei den Kontaktlinsen, die wir nutzen, aus der Vergleichbarkeit herauskommen“, sagt Manuela Stolz.
Die Wirtschaftlichkeit der Kontaktlinse ist aus Sicht der beiden Inhaberinnen keine Frage, sondern eine Sache der Performance. Sobald man Kundinnen zufriedenstellend berate und ihnen echten persönlichen Mehrwert biete, seien diese treu. „Damit kann kein Online-Handel mithalten“, erzählt Stolz. „Was ich in diesem Bereich sehr stark feststelle, ist die große Dankbarkeit der Kunden“, erzählt sie weiter. „Wenn Sie gut sind in dem was Sie tun, haben Sie eine extreme Kundenbindung in diesem Bereich!“, betont sie. Wesentlich für den wirtschaftlich positiven Unterschied sei dabei, dass man sich sowohl im Angebot als auch in der Beratung von Filialisten unterscheide. „Von der Stange“ soll es eben nicht sein, sondern individuell. Dabei biete vor allem das Multifokal-Segment erhebliches Potenzial.
Die technische Einrichtung des neuen Kontaktlinseninstituts ist auf einem hohen Niveau. Für die Anpassung hat sich das Damen-Duo eine Pentacam gegönnt.
Mit Standard in den Drop-out
Dass man sich als Geschäft qualitativ abhebt, könne man über die Sozialen Medien sehr gut kommunizieren. Stolz & Schnäbele nutzen dafür sehr erfolgreich Instagram als Präsentations- und Werbefläche. Dass das funktioniert, lässt sich daran messen, dass Kunden gezielt auf den Betrieb zugehen: „Erst vor kurzem kam eine sehr unglückliche Kundin zu mir. Sie hatte eine Anpassung bei einem Kollegen mit multifokalen Kontaktlinsen. Die Linse war ihr wohl ohne weitere Beratung gegeben worden und sie kam nicht zurecht. Nach der zweiten Probelinse wurde ihr gesagt ‚Multifokale Kontaktlinsen kommen für Sie nicht infrage‘ – besser als jetzt könne es nicht werden“, erzählt Stolz. Als sie sich des Falls annimmt, wird schnell klar, wo das Problem liegt: Die Kundin hatte eine Standard-Linse erhalten, die weder richtig passte noch die geeignete Beschaffenheit für ihr Auge besaß. „Daran konnte man vor allem sehen, dass an einer gelungenen Versorgung der Kundin überhaupt kein Interesse vorhanden war.“
Es sind solche Kundinnen und Kunden, die bei Stolz & Schnäbele versorgt werden, selbst wenn es manchmal ein paar Anläufe mehr braucht. So haben die Inhaberinnen einen Fächer an dankbaren Linsenkunden, die aufgrund unterschiedlichster Probleme – ausgelöst bei einer vorigen Anpassung – ins Geschäft kamen. Sei es die Kundin, die unbedingt multifokale Kontaktlinsen tragen wollte, aber für die es schlussendlich keine geeignete weiche Linse gab – sodass sie heute mit einer formstabilen Multifokallinse glücklich ist. Oder der Kunde, Jahrgang 1938, der mit Verdacht auf Keratokonus zu Stolz kam, bei dem es aber schlussendlich um die Kontaktlinsenversorgung einer unregel mäßigen Hornhaut ging. Oder die Kundin, die mit einer Brillenversorgung auf eine Sehleistung von 20 Prozent kam – und mit der richtigen Linse heute 50 Prozent sehen kann. „Die Kontaktlinse macht einen Unterschied“, betonen Schnäbele und Stolz. Mit einer Brille kämen Keratokonus-Kunden nicht auf einen solchen Visus. Diese Erfolge lassen sie sich auch etwas kosten. Bei Optik Werz gibt es zwei Spaltlampen, einen Keratograph 5 und eine Funduskamera, im neuen Institut musste es eine Pentacam sein.
Gerade die Arbeit mit Kunden, die eine enorme Sehverbesserung durch die Kontaktlinse erfahren, macht Manuela Stolz glücklich. „Da freue ich mich riesig drüber. Es wäre doch schade, wenn solche Menschen quasi blind durch die Gegend laufen müssen“. Die Kontaktlinsendurchdringung liegt in Deutschland nach wie vor bei nur etwa 5,5 Prozent – verschwindend wenig im Vergleich zur Zahl der Fehlsichtigen. Das wundert Stolz kein bisschen. In vielen Augenoptikbetrieben werde die Kontaktlinse nicht so wichtig genommen. Das hat natürlich Auswirkungen auf ihren Ruf. Oftmals seien es nur kleine Ungenauigkeiten bei der Wahl der Linse, die auf Kosten des Kunden gehen. „Gefühlt passen 50 Prozent der Kontaktlinsen nicht – der Durchmesser ist zum Beispiel häufig viel zu groß“, kommentiert Karin Schnäbele die vielen Drop-outs.
Das sei auch einer der Gründe, warum bei Optik Werz sowie Die Kontaktlinse nur Meisterinnen anpassen. Während des Meisters werde die Kontaktlinse mit 600 Unterrichtseinheiten – je nach Meisterschule – behandelt und sei Prüfungsfach. Es erfolge ein Wissenstransfer, den sich Gesellen häufig nur schwer vorstellen können. „Linse kann jeder aufsetzen“, hört Manuela Stolz oft. „Nein, das kann eben nicht jeder“, betont sie scharf. „Wenn man auf schnelles Geld aus ist, wird die Reputation der Kontaktlinse natürlich über kurz oder lang kaputtgemacht“, sagt Manuela Stolz. „Wir passen Kontaktlinsen nicht kurz gedacht an, sondern mit Sicht auf eine langfristige Kundenbindung.“
Völlig falsches Marketing
Ein anderes Problem, das das wirtschaftliche Potenzial der Kontaktlinse schmälert, sehen die beiden Unternehmerinnen in einem völlig falschen Marketing. Selbst die viel zitierte Gen-Z würde Wert auf Qualität legen und sich dafür auch die nötige Zeit nehmen. Man müsse nicht ständig verfügbar sein, gerade die Möglichkeit, Online-Termine zu buchen, habe gezeigt, dass es auch anders geht. „Wir müssen uns besser verkaufen, viele andere Berufsgruppen machen es uns bereits vor“, sagt Stolz und merkt an, dass gute Leistung etwas kosten darf und muss.
Nach 15 Jahren im Geschäft haben die beiden Unternehmerinnen genügend Branchenkenntnisse gesammelt, um die Zukunft optimistisch zu sehen. Als Frauen in einer weiblichen Branche, die dennoch in wesentlichen Posten von Männern dominiert wird, haben Stolz & Schnäbele mit einer gehörigen Portion Power ihren Platz erkämpft. In den beiden Betrieben sind Manuela Stolz und Karin Schnäbele gut aufgestellt – die gläserne Decke (siehe auch die DOZ-Reihe „Female Founders“ 11/23, 01/24, 04/24, 07/24) haben sie aus eigener Kraft durchbrochen. Wenn man sie danach fragt, ob ein eigenes Geschäft – insbesondere eine Kontaktlinseninstitut – heute eine gute Wahl sei, sind die beiden sich – wie sehr oft im Übrigen – einig: „Das ist es“.
Mit Eröffnung des Kontaktlinseninstituts geht Manuela Stolz das zweite Mal den Weg in die Selbstständigkeit. Und auch dieses Mal ist sie nicht allein. Karin Schnäbele bleibt wirtschaftlich und freundschaftlich an ihrer Seite. Und auch, wenn die Anbindung an Optik Werz wirtschaftlich zunächst hilfreich ist, sei das angestrebte Ziel des Instituts in Neckarsulm bis Ende 2025 ganz klar: Die monatlichen Fixkosten müssen aus dem Institut erwirtschaftet sein. „Alles andere ist on top“, sagt Manuela Stolz. Nach einem halben Jahr sind Stolz & Schnäbele bereits auf einem guten Weg. Wenn es so weiterläuft, könnten bald noch mehr „Mädels“ in Neckarsulm der Kontaktlinse zum Erfolg verhelfen. Wie Manuela Stolz ganz unverblümt sagt: „Ich weigere mich nicht zu wachsen“.