Ein Leuchtturmprojekt, das Lücken schließt

Der neue Master Professional Optometrie

Augenoptikermeister und dann? Ein Studium der Optometrie? Weiterbildungen, die nur an der Oberfläche kratzen? Für Meister, die sich weiterbilden wollen, aber kein Studium absolvieren möchten, bieten das ZVA-Bildungszentrum und die Handwerkskammer Düsseldorf nun den Master Professional Optometrie HWK. Ob das eine tragfähige Lösung ist, hat die DOZ für Sie geprüft.
Leuchtturm

Der Master Professional Optometrie ist der erste handwerkliche Abschluss seiner Art überhaupt. Die Augenoptik könnte somit nicht nur ihrer Branche, sondern auch anderen Handwerksberufen den Weg in eine diplomierte Zukunft weisen.

© Adobe Stock / Dmitry Pichugin

Erstveröffentlicht in der DOZ 01I24

Am 8. Mai startet die ZVA-Akademie in Kooperation mit der Handwerkskammer Düsseldorf mit dem Lehrgang zum Master Professional in Optometrie. Hierüber können die erfolgreichen Absolventen erstmals im Handwerk die Fortbildungsstufe 7 des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) erreichen und sind damit akademischen Mastern gleichgestellt.

Ende November entschied die Vollversammlung der HWK Düsseldorf für die Einführung des Master Professional. Die Fortbildungsprüfungsordnung wurde von der Kammer beschlossen und vom Bildungsministerium NRW genehmigt. Durch die Veröffentlichung im Handwerksblatt trat die Verordnung anschließend in Kraft. Dirk Schäfermeyer, Abteilungsleiter für Aus- und Fortbildung beim ZVA, beschreibt den Master Professional als „Leuchtturmprojekt“, das zunächst nur in der ZVA-Akademie in Knechtsteden angeboten werden wird. „Da diese Fortbildungsprüfungsordnung auf Kammerebene beschlossen wurde, gilt sie auch nur innerhalb des Kammerbezirks“, erklärt Schäfermeyer. Das bedeutet, dass jede andere Kammer, die den Master Professional implementieren will, denselben Weg beschreiten muss.

Der rechtliche Grundstein für den Master Professional wurde bereits 2020 gelegt. Mit der Reformierung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) wurden drei neue Fortbildungsstufen eingeführt: der Berufsspezialist, der Bachelor Professional und der Master Professional. Während der Berufsspezialist in der Augenoptik nicht besetzt ist, ist er beispielsweise im Kfz-Bereich zu finden. Er bildet eine Zwischenstufe zwischen Geselle und Meister. Im Kfz-Bereich wäre diese Position etwa ein Servicetechniker.

Den Bachelor Professional erwirbt man automatisch mit dem Augenoptikermeister. Das bedeutet, dass jeder Augenoptikermeister die gleiche Qualifikationsstufe erreicht wie ein akademischer Bachelor. Nach dem neuen Gesetz erfüllt der Lehrgang zum Opto­metristen (HWK) allein noch nicht die Voraussetzungen zum Master Professional. Daher entschloss sich der ZVA, diese Lücke mit dem Master Professional zu füllen. Schäfermeyer: „Der Gesetzgeber hatte mit dieser Reform 2020 quasi den Ball ins Feld geworfen.“

Dirk Schaefermeyer

„Wir füllen ein Angebot des Gesetzgebers inhaltlich umfänglich damit aus.“ Dirk Schäfermeyer sieht als Zuständiger beim ZVA die Einführung des Master Professional als alternativen, zweiten Weg, die höchste handwerkliche Bildungsstufe, den DQR7 zu erreichen. Dies war bisher nur über ein Studium möglich.

© ZVA / Peter Böttcher

Auf einer Stufe mit akademischen Mastern

Die gesetzlichen Gegebenheiten sind eine Sache. Aber weshalb diese neue Fortbildung? Zunächst, um den Augenoptikern von morgen eine tiefer gehende Weiterbildung ohne Studium zu ermöglichen. Bisher war es im Handwerk nicht möglich, die Fortbildungsstufe DQR7 zu erreichen (Master). Mit dem Master Professional will die berufliche Bildung quasi nachziehen und die Absolventen dieser Fortbildung auf eine Stufe mit akademischen Mastern stellen. Das sorgt zum einen für eine Angleichung, die es auch internationalen Arbeitgebern übersichtlicher machen soll und zum anderen für eine Vollendung eines praktischen Bildungs­wegs, der nach Einschätzung von Schäfermeyer viel zu lange Lücken aufgewiesen hat. Mit dem Master Professional sollen die Absolventen handwerklich geprägte Spezialisten mit umfassenden optometrischen Kenntnissen zur differenzierenden Versorgung von Menschen mit Defiziten im visuellen System werden. „Es ist kein Hinterherrennen hinter akademischen Abschlüssen“, sagt Schäfermeyer. Es ging dem ZVA sowie der Handwerkskammer primär darum, einen eigenen Bildungsweg zu entwerfen, um ein gleichwertiges Ziel, den Master (DQR 7), zu erreichen.


DQR: Das System des Deutschen Qualifikationsrahmens

  • DQR1 = Berufsausbildungsvorbereitung
  • DQR2 = Berufsfachschule bzw. erster Schulabschluss
  • DQR3 = Mittlerer Schulabschluss
  • DQR4 = Berufsausbildung (Geselle), Fachhochschulreife, Allgemeine Hochschulreife 
  • DQR5 = Berufsspezialist, bspw. Servicetechniker 
  • DQR6 = Meister, Bachelor Professional, Bachelor, Fachwirt 
  • DQR7 = Master, Master Professional, Berufspädagoge 
  • DQR8 = Promotion, Habilitation

 

Eine Fortbildung, zwei Teile – die konkreten Inhalte

„Im Grunde besteht der Master Professional aus zwei Teilen“, erklärt Akademieleiter Günther Neukirchen. Zugangsvoraussetzung ist der Augenoptikermeister. Der erste Teil der Fortbildung besteht aus dem Optometristen (HWK/ZVA). Hier liegt der Schwerpunkt der Fortbildung in allgemeiner und okulärer Anatomie, Physiologie und Pathologie sowie optometrischem Screening. Wer diesen Teil bereits abgelegt hat, steigt gleich in den zweiten Abschnitt der Fortbildung ein.

Dieser zweite Abschnitt befasst sich mit spezialisierten optometrischen Verfahren, bei denen auch die Applikation von diagnostischen Medikamenten gelehrt und geprüft wird sowie Anpassung von Spezialkontaktlinsen, Binokularmanagement, Kinderoptometrie mit Myopieprävention, vergrößernde Sehhilfen mit optometrischer Gerontologie sowie unternehmerische Strategien. Am Ende des zweiten Abschnitts steht eine Projektarbeit, die geschrieben und präsentiert wird. Das Thema hierzu ist frei wählbar.

Günther Neukirchen

„Das Handwerk muss sich nicht verstecken.“ Günther Neukirchen, Leiter der ZVA-Akademie in Dormagen, sieht im Master Professional die Möglichkeit für Augenoptikermeister, sich zu spezialisieren und auf eine Stufe mit akademischen Mastern zu stellen.

© Akademie der Augenoptik, ZVA-Bildungszentrum e. V.

Der Lehrgang soll weit über die Meisterprüfung hinausführende Kompetenzen in den Haupttätigkeitsgebieten von Augenoptikermeistern und Optometristen vermitteln: erstens Untersuchen und Screenen, zweitens Versorgen mit Spezialsehhilfen und last but not least Leiten und Führen.

Master Professionals messen verschiedene Funktionen am Auge, beispielsweise das Gesichtsfeld, das Kontrast- und Farbsehen oder Dämmerungssehen. Sie erkennen sehleistungsmindernde Faktoren und unterstützen im Bereich der Augengesundheit, entwickeln neue Methoden für die Korrektion des Sehens oder sind beteiligt an der Herstellung innovativer Geräte. In augenoptischen Fachgeschäften sorgen sie dafür, dass ihre Kunden mit passenden Brillen, Kontaktlinsen oder (vergrößernden) Spezialsehhilfen die bestmögliche Sehqualität erzielen. Im Bereich der Augengesundheit erkennen sie zudem Auffälligkeiten, beispielsweise bei der Messung des Augeninnendrucks oder der Untersuchung der Hornhaut oder der Netzhaut und sprechen gegebenenfalls Empfehlungen zu einem Augenarztbesuch aus.

Spezialisiert auf spezielle Sehhilfen

Die Absolventen sind zudem spezialisiert auf spezielle Sehhilfen, wie Spezialkontaktlinsen (insbesondere Keratokonuslinsen, Orthokeratologie Kontaktlinsen, multifokale Kontaktlinsen oder Sklerallinsen) oder vergrößernde Sehhilfen und Filtergläser bei Sehbehinderungen. Durch die Weiterentwicklung unternehmerischer Kompetenzen sollen die Master Professional vorwiegend bei Fragen zu Übernahmen, Expansion, Kooperation und Finanzierungsmodellen 
Bescheid wissen.

Insgesamt umfasst der Master Professional 18 Monate Schulungen und die Thesis. Wer sich allerdings nur auf einem Gebiet weiterbilden und nicht den gesamten Lehrgang belegen möchte, kann die Module auch einzeln belegen. Wer zum Beispiel Spezialist für Kontaktlinsen oder Low Vision werden will, kann sich die entsprechenden Module heraussuchen. Dieses Angebot richtet sich also auch an fortbildungswillige Augenoptiker, die sich aus Wissensdurst weiterbilden möchten. Auch sie können nach Ende der Veranstaltung die Modulprüfung ablegen und erhalten eine Urkunde von der Akademie und der Handwerkskammer, die ihre erworbenen Kompetenzen dokumentiert.

Wie allgemein bekannt ist, dürfen Augenoptiker in Deutschland nicht tropfen, also keine diagnostischen Medikamente am Auge verwenden. Augenoptikern in Großbritannien sowie der Schweiz ist dies wiederum erlaubt (siehe DOZ 12/23). Seit Beginn 2023 ist das ZVA-Bildungszentrum ECOO-akkreditiert. Absolventen der Meisterkurse, des Optometristen (HWK) sowie des Aufbaustudiums an der FH Aachen können das ECOO-Europadiplom erhalten. Zum Erhalt des Europadiploms muss die Kompetenz zur Verabreichung diagnostischer Medikamente nachgewiesen werden. Auch im neuen Master Professional ist ein Modul enthalten, das „Tropfen“ lehrt. Da die Kooperation mit der FH Aachen ausgelaufen ist, schließt der Master Professional jetzt die damit entstandene Lücke. Die ZVA Akademie hat laut Neukirchen bereits Anfragen von anderen Schulen erhalten, im Rahmen des Master Professional zu kooperieren. Allerdings muss die neue Fortbildung erst einmal anlaufen. Neukirchen rechnet damit, dass sich die gute Nachricht mit den ersten Absolventen im Land verbreiten wird. Ähnlich lief es beim Optometristen (ZVA). Der Optometrist wird mit dem Lehrplan und der Prüfungsordnung des ZVA aktuell von sechs Schulen in Deutschland angeboten. Sobald sich der Master Professional etabliert habe, geht Neukirchen davon aus, dass weitere Handwerkskammern in Deutschland die Prüfungsordnung übernehmen wollen.

„Handwerk muss sich nicht verstecken“

Neukirchen hofft deshalb vor allem, dass sich der Master Professional schnell herumspricht. Da die ZVA-Akademie diesen Abschluss im gesamten deutschen Handwerk zum ersten Mal anbietet, hat auch noch keine Berufsschulklasse davon gehört. „Das wird sich aber sicher bald ändern, der Master Professional ist nun einmal gleichwertig mit dem akademischen Master-Abschluss“, sagt Neukirchen und sei daher sehr interessant für Berufsschüler. Trotzdem ist und bleibe der Master Professional ein Handwerkstitel. Für die nahe Zukunft hofft Neukirchen, dass auf diese Weise das Fachwissen in der Optometrie nachhaltig erweitert wird und sich mehr Augenoptiker spezialisieren. „Das Handwerk muss sich nicht verstecken“, sagt Neukirchen. Es scheint, als wäre mit dem Master Professional nun endlich der fachliche Kreis geschlossen.


FAQ zum Master Professional 

Was ist der Master Professional? Eine Weiterbildungsmöglichkeit für Augenoptikermeister und Optometristen.

Wer kann sich dafür melden? Alle Augen­optiker­meister. Die Fortbildung besteht aus zwei Teilen. Wer bereits die Fortbildung und Prüfung zum Optometristen (HWK/ZVA) absolviert hat, steigt gleich in den zweiten Teil des Lehrgangs ein.

Wie ist der Master Professional aufgebaut? Der zweite Teil der Fortbildung zum Master Profes­sional Optometrie ist modular aufgebaut und besteht aus fünf Seminarblöcken zu jeweils zehn Tagen. Der Unterricht findet jeweils zu einem Drittel online und zu zwei Dritteln in Präsenz statt. Hinzu kommen zwei Wochen verpflichtende externe Praktika in einer Klinik oder Augenarztpraxis und zwei Wochen in einem optometrieorientierten Fachgeschäft unter Leitung eines Optometristen. Die reine Lehrgangsdauer beträgt 18 Monate. Hinzu kommen die abschließende Projektarbeit und Projektpräsentation.

Prüfungen: Jedes Modul wird mit einer theoretischen Prüfung und der Teilnahmebestätigung am praktischen Unterricht abgeschlossen. Eine große praktische Prüfung wird im Doppel-­Modul „Spezialisiert optometrische Verfahren“ abgelegt (hier wird u. a. die Applikation von Mydriatika und Anästhetika geprüft). Ein Augen­arzt ist bei dieser Prüfung präsent.

Welche Praktika müssen absolviert werden? Neben dem fachpraktischen Unterricht müssen noch zwei externe zweiwöchige Praktika absolviert werden. Eins davon in einer augenärztlichen Klinik oder bei einem operierenden Augenarzt, ein weiteres bei einem Optometristen. Bei diesen Praktika müssen die Teilnehmer je zehn Fälle dokumentieren, die sie entweder gesehen haben (Arzt) oder beim Optometristen selbst optometrisch versorgt haben.

Welche Kosten sind damit verbunden? Die Kosten für den Master Professional belaufen sich auf 7.485 Euro. Wer den Optometristen (HWK/ZVA) noch verpflichtend absolvieren muss, zahlt noch einmal 4.390 Euro drauf. Allerdings sind umfassende Förderungen wie Aufstiegs-­Bafög möglich. Ehemalige der Akademie erhalten zehn Prozent Alumni-­Rabatt.