Lenzbox: Start-up will Kontaktlinsenhygiene revolutionieren
Die Lenzbox, also das Case, kann bis zu zwei Jahre verwendet werden. Die Kartuschen müssen nach 30 Anwendungen getauscht werden (angebrochen nach spätestens zwei Monaten) und sind auf der Lenzbox-Homepage oder bei diversen Augenoptikgeschäften erhältlich.
Erstveröffentlichung in der DOZ 04I24
Eines haben Kontaktlinsenträgerinnen und -träger, die eine Wochen-, Monats- oder Jahreslinse besitzen, weltweit gemeinsam: Am Ende des Tages müssen die Kontaktlinsen gereinigt und aufbewahrt werden. Mit den Kontaktlinsen ziehen also zwangsläufig noch weitere Pflegeprodukte ins Badezimmer ein, wie Kochsalzlösung, Proteinentferner, Aufbewahrungsflüssigkeit und ein Aufbewahrungsbehälter. Das nimmt einiges an Platz ein, vor allem beim Reisen. Die Convenience, dieses sperrige englische Buzzword, das übersetzt „bequem“ oder „lebenserleichternd“ bedeutet und mit dem Hersteller auch gerne die Kontaktlinse bewerben, muss sich gegen dieses umfangreiche Hygienepflichtprogramm behaupten. Ein Widerspruch, den drei Unternehmer aus Wiesbaden aus der Welt schaffen wollen.
Seit den 80ern habe sich nicht viel getan, was den Alltag mit der Kontaktlinse erleichtert, erklärt Dr. Cornelius Doniga, Mitgründer des Start-ups Lenzbox. Der Allgemeinmediziner und Kontaktlinsenträger vermisste Innovationen im Bereich der Pflegeroutine. Dass die Materialien so verträglich sind wie nie zuvor, ist unbestritten. Nur die Anzahl der Flaschen für das Reinigen und Aufbewahren habe sich nicht verändert. Doniga bezeichnet sich selbst als stark kurzsichtig und damit als „heavy user“, also jemand, der auf seine Kontaktlinsen täglich angewiesen ist. Er wollte ein Produkt entwickeln, das den Lifestyle für Kontaktlinsenträger verbessert. „Ich dachte: Es kann doch nicht sein, dass es in einer Zeit, in der man inzwischen seine Waschmaschine per App steuern kann, noch keinen bequemeren Weg gibt, seine Kontaktlinsen zu reinigen“, erzählt er. Also brachte der Wahl-Mainzer seine Ideen zu Papier und entwarf erste Skizzen. Sein Vorhaben wurde zu einem Forschungsprojekt, an dem sich mehrere Unternehmen beteiligten. Gemeinsam mit seinem Bruder Sergiu Doniga, der als Augenarzt wichtigen Input lieferte, entwickelte er die Lenzbox.
Wirtschaftsinformatiker Peter Bruhn (links) ist bei Lenzbox Herr der Zahlen, kümmert sich unter anderem um Marketing und IT. Dr. Cornelius Doniga studierte Allgemeinmedizin in Gießen und Mainz, bevor er die Lenzbox entwickelte. Sein Bruder Dr. Sergiu Doniga (nicht im Bild) ist praktizierender Augenarzt und „Medical Advisor“ des Unternehmens.
Lenzbox vereint Reinigen und Aufbewahren
Der haptische Handschmeichler, der im Design dem Case der Airpods von Apple ähnelt, ist ein „meisterhaftes Ingenieurstück“, schwärmt Doniga. Weißes Kunststoffgehäuse, abgerundete Ecken, etwa von der Größe eines Brillenetuis, nur deutlich breiter. Es sollte in jede Sport- und größere Handtasche passen und vor allem die Reinigungsroutine vereinfachen. Vorstellen kann man sich das als Drei-Komponenten-System: Die äußere Lenzbox besteht aus einem zweiteiligen Hartschalengehäuse. Im oberen, wesentlich kleineren Teil befindet sich die aufklappbare Linsenkammer mit Vertiefungen für zwei weiche Kontaktlinsen. Gegenüber befinden sich zwei perforierte Gegenstücke aus medizinisch geprüftem thermoplastischem Elastomer. Schließt man die Box, werden die Kontaktlinsen von den Kunststoffauflagen touchiert. An die Linsenkammer wird eine Kartusche mit 92 Milliliter All-in-one-Lösung geschraubt. Die Kartusche ist ein patentierter Folienbeutel mit Schraubvorrichtung, dessen Inhalt bei täglicher Nutzung für etwa 30 Anwendungen reicht. Stülpt man den unteren Teil der Hartschale über die Kartusche, schließt sich die Lenzbox und schützt den Folienbeutel vor äußeren Einwirkungen. Durch das Betätigen eines Knopfs an der Außenseite der Linsenkammer kann nun Flüssigkeit hineingepumpt werden. Die Kontaktlinsen werden umspült und gereinigt. Anschließend können sie bis zu zwei Wochen in der Lenzbox aufbewahrt werden. Will man die Kontaktlinsen wieder tragen, lässt man per Knopfdruck die Flüssigkeit aus der Linsenkammer ins Waschbecken ab und setzt sie wie gewohnt ein.
Die Lenzbox ist ein System aus drei Komponenten: die Linsenkammer, der untere Teil der Box und die Kartusche. Reinigen geschieht per Knopfdruck, im Anschluss können die Linsen in der Box bis zu zwei Wochen aufbewahrt werden.
Nutzungsdauer von 750 Anwendungen
Die Lenzbox wurde für 750 Anwendungen geprüft, das entspricht etwa einer Nutzungsdauer von zwei Jahren. Danach sollte sie getauscht werden. Wenn zuvor Komponenten wie die Linsenkissen defekt werden sollten, können Nutzer diese bald bei Lenzbox nachkaufen und zuhause austauschen. Ist die Kartusche leer, wird sie im Wertstoffmüll entsorgt. Das gleiche gilt für die Lenzbox selbst.
Erreicht man damit einen wesentlichen Unterschied zum herkömmlichen Kunststoffverbrauch? Ja, sagt Cornelius Doniga. Denn auch die konventionellen Kontaktlinsenbehälter sollten alle vier Wochen, spätestens alle drei Monate getauscht werden. Diese gibt es inzwischen in jeder Drogerie zu kaufen und werden zumeist in China produziert. Und auch wenn Lenzbox das Grundprodukt auf Amazon anbietet, sind die Kartuschen bisher nur über den Onlineshop des Start-ups oder über Partner-Augenoptiker erhältlich.
„Wir sind erst am Anfang einer spannenden Reise“, sagt Dr. Cornelius Doniga, der bei der Produktpremiere auf der diesjährigen Opti viel positives Feedback für die Idee erhielt. Aktuell wirbt Lenzbox mit besonders guten Konditionen und attraktiver Marge für Augenoptikbetriebe.
Weniger Handgriffe – weniger Chancen für Keime
Die medizinischen Vorteile der Lenzbox sieht Augenarzt Dr. Sergiu Doniga vor allem für Kontaktlinsen tragende Kinder, die „schnell mal einen Finger im Aufbewahrungsbehälter haben“, wenn sie ihre Linsen absetzen und den Behälter befüllen. Das Hantieren mit Flaschen fällt mit der Lenzbox weg, der Pumpvorgang, der zur Reinigung führt, findet unter Vakuum statt. Ob die Chance für Keime, in die Linsenkammer einzudringen, damit gänzlich ausgeschlossen ist, werde gerade noch abschließend geprüft. Ein weiterer Pluspunkt sei die Kontrolle über die verwendete Flüssigkeit. Bei jedem Reinigungsvorgang werden nicht mehr als drei Milliliter der Kontaktlinsenlösung verbraucht. Ein mechanisches Reinigen sei nicht mehr nötig. Wer dennoch händisch reinigen möchte, kann sich per Knopfdruck Flüssigkeit aus der Lenzbox holen und damit wie gewohnt verfahren. Was vielreisende Kontaktlinsenträgerinnen besonders freuen wird: Die Lenzbox darf im Handgepäck mit ins Flugzeug. Bis zu 1,7 bar Druck halten die Linsenkammern aus und sind damit quasi auslaufsicher. Einziger Nachteil: Die Proteinentfernung muss bisher noch separat erfolgen. An einer passenden Kartusche arbeitet das Start-up aber bereits.
Ohnehin haben die Erfinder noch einiges an Ideen in der Schublade. Bisher gibt es die Lenzbox zum Beispiel nur für Weichlinsen. Ein System für Hartlinsen soll ebenfalls bald erhältlich sein. Als Start-up wollten die Gründer jetzt ihr Produkt bekannt machen, Investorinnen finden und als Unternehmen wachsen. Bisher sind sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Lenzbox beschäftigt. Auf ihrer ersten Opti diesen Januar kam die Lenzbox Cornelius Doniga zufolge bei den Augenoptikern jedenfalls gut an. „Wir freuen uns über Vertriebspartnerschaften mit Augenoptikbetrieben und bieten sehr gute Einkaufskonditionen mit hoher Handelsmarge an“, betont Mitgründer Peter Bruhn, zuständig für die Finanzen bei Lenzbox. Zahlen zum Verkauf wollte Bruhn zwar noch keine preisgeben, dafür aber die zur Produktionsmenge: bisher habe das Start-up im vierstelligen Bereich produziert. Apropos Produktion, diese findet komplett in Deutschland statt. Der Lieferant für die Kontaktlinsenflüssigkeit ist Optosol aus Miesbach. Einzelteile werden in Bayern produziert, die Endmontage und Qualitätskontrolle findet in Mainz statt.
„Die Entwicklung der Lenzbox ist erst der Anfang einer spannenden Reise“, erklärt Cornelius Doniga. In Zukunft stelle er sich unter anderem eine smarte Lenzbox vor, die, mit einer App verbunden, das Trageverhalten wie zum Beispiel die Tragedauer tracken kann. Er ist sicher, dass damit die tatsächliche Tragedauer des jeweiligen Kontaktlinsenträgers individueller bestimmt werden könne. Bis dahin dauert es aber noch einige Zeit. Der Fokus der Unternehmer liegt auf der aktuellen Lenzbox.