Jede Dioptrie zählt

Mann und Frau mit Kindern
Das Thema Myopiekontrolle oder besser Myopie­-Management wird immer präsenter und sorgt für Aufmerksamkeit in der Branche.
© istockphoto.com / GeorgeRuby

Seit einiger Zeit wird Myopie-Management unter anderem mit multifokalen Brillen oder Kontaktlinsen, Orthokeratologie-Linsen (Ortho-K-Linsen) oder auch medikamentös mit Atropin vorgenommen. Bisher gab es keine Kontaktlinse auf dem Markt mit spezieller Optik, die ausschließlich dem Myopie-Management dient. Dies hat sich nun geändert.

Die Studie „High Prevalence of Myopia and High Myopia in 5060 Chinese University Students in Shanghai” aus China (IOVS, 2012) zeigt, dass 90 Prozent der Teenager und jungen Erwachsenen kurzsichtig sind. Und vor 60 Jahren waren es nur circa zehn bis 20 Prozent der chinesischen Bevölkerung. Aber auch hier in Europa macht die Kurzsichtigkeit einer Erhebung zufolge offenbar kein Halt. Der Anteil der Myopen im Vereinigten Königreich hat sich, wie die Studie „Six Year Refractive Change among White  Children  and  Young  Adults:  Evidence for Significant Increase in Myopia among White UK Children“ (PLoS ONE, 2016) belegt, in den vergangenen 50 Jahren bei Kindern im Alter zwischen zehn und 16 Jahren mehr als verdoppelt und Kinder werden heutzutage früher kurzsichtig. Weltweite Tendenz steigend. Und das Risiko für Augenerkrankungen steigt, je höher die Myopie ist.

CooperVision lud am 20. Juni dieses Jahres eine ausgewählte Anzahl Augenoptiker und Augenärzte ein, um neue Wege im Myopie-Management zu beschreiten. Die Teilnehmer des „Seeding Events“ trafen sich bereits am Abend vorher in einem Hotel in Frankfurt. Das Abendessen fand in lockerer Atmosphäre mit tollem Blick auf die Frankfurter City statt.

Kontaktlinsen zum Myopie­Management

Am nächsten Morgen ging es bei CooperVision in Eppertshausen weiter. Dort wurde die neue Kontaktlinse zum Myopie-Management vorgestellt. Zu Beginn der Veranstaltung begrüßten Petra Zapsky, Leitung Professional Service für Deutschland, Österreich und die Schweiz (DACH) und Frank Hauerken, Geschäftsführer DACH alle Teilnehmer. Hauerken stellte das stete Wachstum des Marktanteils von CooperVision in den letzten Jahren vor, das nicht zuletzt auch am großen, komplexen Portfolio des Unternehmens liege, um für nahezu jeden Kontaktlinsenträger eine Lösung anbieten zu können. Die neue Kontaktlinse zur Myopiekontrolle stelle eine echte Innovation auf dem Markt dar und biete den Anpassern eine großartige Möglichkeit, das Leben und vor allem die Gesundheit ihrer Kunden positiv zu beeinflussen, so der Geschäftsführer.

Dann präsentierte Philip Morgan, Professor für Optometry and Director of Eurolens Research an der University of Manchester (UK), die neusten Erkenntnisse im Myopie-Management. Er sieht Kontaktlinsen  für  Myopie-Management als nächste Revolution im Kontaktlinsenbereich, vergleichbar mit der Entwicklung von Hydrogellinsen oder mit der Einführung der Silikonhydrogellinsen. Nicht zuletzt auch, weil  sich  das  Sehen und die Sehanforderungen weltweit verändern. Nicht nur in Asien gibt es einen dramatischen Anstieg der Kurzsichtigkeit in der Bevölkerung, vielmehr kann es in Zukunft ein weltweites Problem für die Gesellschaft und eine Art Volkskrankheit werden, die nicht  zu  unterschätzen  sei. Die Hauptsache sei  aber  nicht  die  Myopie an sich oder die Unbequemlichkeiten mit Brille oder Linsen. Zudem könnten bevorzugt Krankheiten wie Makulopathie, Netzhautablösung oder Glaukom aus einer hohen Myopie entstehen. Und die Wahrscheinlichkeit, eine dieser Krankheiten zu bekommen, steige mit jeder Dioptrie an. Es zähle also jede Dioptrie, die wir unseren Kunden ersparen können. Der Anstieg an Kurzsichtigen hat zahlreiche Gründe, die teilweise noch unklar sind. Vererbung, Sehanforderungen und Freizeitgestaltung spielen laut Studie eine große Rolle. Der Aufenthalt im Freien wirke sich positiv auf die Myopie aus. Wenn ein sechsjähriges Kind mit zwei kurzsichtigen Eltern + 0,75 dpt oder weniger hat, wird es zu 75 Prozent im Alter von 13 Jahren kurzsichtig sein.

Ortho­K und Atropin zeigten verlässlichste Wirkung

In den vergangenen Jahren wurden bereits verschiedene Methoden zur Kontrolle der Myopie angewandt, wie Unterkorrektion, mehrstärken Kontaktlinsen, Ortho-K-Linsen oder Atropin. Ein Querschnitt durch eine Vielzahl an Studien belegt, dass die konstante Unterkorrektion keine oder sogar schlechte Auswirkungen auf den Grad der Myopie hat. Mit multifokalen Linsen konnte man geringe Effekte erzielen. Am wirksamsten zeigte sich bisher die Behandlung mit Atropin (jedoch mit Rebound Effekt) oder mit Ortho-K-Linsen.

Im Anschluss stellte Stuart Cockerill von CooperVision Europa die MiSight 1 day Kontaktlinse vor. Eine Eintages-Kontaktlinse mit einer neuen Technologie, die speziell für Kinder entwickelt wurde, soll das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit kontrollieren. Es ist die erste und einzige von der Food and Drug Administration (FDA) zugelassene Kontaktlinse, die nur für das Myopie-Management gedacht ist.

Erik Roberstad
Erik Roberstad beantwortete die Fragen seiner Kollegen aus Dach. ©Ute Franz

Das Hauptmerkmal der neuen Kontaktlinse ist die Optik, die sogenannte Dual Focus Zone. Sie besteht aus vier ringförmigen optischen Zonen. Im Zentrum ist die Korrektionszone, weiter außen ist eine Myopie-Kontrollzone, dann nochmal eine Korrektionszone und eine Myopie-Kontrollzone. Der Aufbau ist ähnlich einer simultanen multifokalen Kontaktlinse, jedoch sind die Durchmesser der Zonen deutlich größer. Der Fokus wird in den zwei Myopie-Kontrollzonen vor die Netzhaut geholt. Durch diesen myopen Defokus kann das axiale Längenwachstum, also die Myopisierung, kontrolliert werden,  da  die  peripheren  Bilder nicht hinter der Netzhaut abgebildet werden.

Die Ergebnisse einer seit drei Jahren laufenden klinischen Multi-Center-Studie zeigen positiv stimmende Ergebnisse. 144 myope Kinder im Alter zwischen acht und zwölf Jahren mit einer Brillenrefraktion zwischen - 0,75 und - 4,00 dpt und einem Zylinder unter 0,75 dpt bekamen die MiSight 1 day (Testlinse) und die Proclear 1 day (Kontrolllinse) randomisiert, doppelmaskiert zugewiesen.

Nach drei Jahren zeigte sich bei den Kindern, die die Testlinse trugen ein um 59 Prozent geringerer Myopiezuwachs gegenüber  der  Kontrollgruppe.  Ebenso wiesen sie ein um 52 Prozent geringeres axiales Längenwachstum der Augen auf. Die Studie zeigt ebenfalls, dass es keine klinisch signifikanten Veränderungen, wie bulbäre und tarsale Rötungen, durch das lange tägliche Tragen gab. Auch fand es die Mehrzahl der Kinder leicht, die Kontaktlinsen auf- oder abzusetzen. Bei den jüngeren Kindern, die an der Studie teilnahmen, halfen die Eltern in den ersten Wochen noch mit. Die Eltern mit in die Kommunikation einzubeziehen sei ein sehr wichtiger und nicht zu unterschätzender Punkt, so Cockerill. Da Myopie- Management im (Klein-)Kindesalter anfängt, müsse man die Eltern und auch den Augenarzt eng in den Prozess mit einbinden.

Feedback zur MiSight Eintageslinse

Beispiele dafür zeigte Erik Robertstad, Augenoptiker aus Norwegen. Er passt die MiSight Eintageslinse bereits seit Februar an und empfiehlt in der Kommunikation mit Kindern und Eltern nicht von Myopie, sondern von Kurzsichtigkeit zu sprechen. Wenn man in einfachen Worten und zum Beispiel mit Hilfe einer ansprechenden Broschüre den Betroffenen vor Augen führe, was Kurzsichtigkeit sei, welche Faktoren Einfluss darauf haben und  warum
sich die Kontrolle der Myopie lohne, dann standen die Kinder und Eltern dem Thema offen gegenüber.

CooperVision Active Control Technologie
Die Korrektionszonen sichern eine voll korrigierte Myopie in alle Blickrichtungen. Die Myopie-Kontrollzonen sichern permanenten Defokus vor der Netzhaut in alle Blickrichtungen. ©CooperVision

Am Nachmittag teilte sich die Gruppe in unterschiedliche Workshops auf. Es wurde diskutiert, wie die Kontaktlinsenspezialisten ihre Kunden am besten ansprechen und wie sie die Erwartungen der Eltern managen können. Im Großen und Ganzen waren sich alle einig, dass es beim Myopie-Management einer aufmerksamen Kommunikation bedarf und freuten sich darauf, die neue Linse anzupassen.

Zum Abschluss betonte Petra Zapsky nochmal, dass nur geschulte Anpasser und damit zurzeit ausschließlich die zehn anwesenden Kontaktlinsenspezialisten die neue Kontaktlinse für das Myopie-Management erhalten würden.