Wartezeiten positiv gestalten – so macht es die Branche

viele Uhren
Warten ist eine äußerst unangenehme Tätigkeit. Egal in welcher Situation – sei es in der Schlange vor der Kasse, wenn wir die Tage zählen bis zu einem besonderen Ereignis oder wenn wir gerade dabei sind Informationen auf einer Website aufzurufen – Warten erfordert Geduld.
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Manchmal ist es wie die Ruhe vor dem Sturm: Erst herrscht gähnende Leere im Geschäft, dann plötzlich wünschen drei Kunden auf einmal eine Refraktion, andere warten auf eine Beratung, eine Schlange hat sich schon gebildet. Die Dame ganz hinten schielt ungeduldig zu den Kontaktlinsenmitteln hinter dem Tresen, als wolle sie mitteilen: Aber bei mir geht es doch ganz fix, könnten Sie mir nicht eben schnell …?

Doch am Verkaufstresen geht es natürlich der Reihe nach. Alle anderen Mitarbeiter sind beschäftigt: hier einen Kunden beraten, dort eine beschädigte Brille entgegennehmen... Die Dame, die nur eben schnell Kontaktlinsenmittel kaufen möchte, braucht ein bisschen Geduld. Solch eine Situation wird selbst im bestorganisierten inhabergeführten Geschäft zu Stoßzeiten mal vorkommen. Insofern muss sich wohl jeder, der ein Geschäft führt oder eine Filiale leitet, früher oder später mit der Frage auseinandersetzen: Wie lassen sich Wartezeiten vermeiden oder wenigstens auf positive Weise gestalten? Was tun, wenn es Kunden an Geduld oder Verständnis mangelt? Wie sensibilisiere ich mein Personal dafür? Augenoptiker gehen damit höchst unterschiedlich um, wie ein Blick in die Branche zeigt.

Termine vergeben, Wartezeit verkürzen

Schon auf den Homepages scheint sich die Zunft grundsätzlich in zwei Lager zu spalten: Die einen versprechen, ohne Wartezeiten auszukommen – die anderen weisen mehr oder weniger direkt darauf hin, dass sie vorkommen könnten. Viele Augenoptikergeschäfte haben ihrem Angebot einen Hinweis wie diesen beigefügt: „Da eine gute Refraktion Zeit benötigt, vereinbaren Sie vorher bitte einen Termin mit uns, um Wartezeiten zu vermeiden.“ So etwa bei Nebelung-Optik am Angerbrunnen in Erfurt (www.optik-nebelung.de). Für „Termine ohne Wartezeit“ kann man sich dort eintragen und zwischen verschiedenen Serviceleistungen wählen, zum Beispiel einem Netzhautbild (ca. 15 Min.), der Option „neue Brille in Auftrag geben“ (ca. 90 Min.) oder einem kostenlosen Erstgespräch mit Bedarfsanalyse (ca. 30 Min.). So erfahren Kunden auch gleich, wie viel Zeit sie für den Besuch selbst einplanen müssen. „Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass es sich bewährt. Wenn wir wissen, dass wir Termine haben, können wir uns darauf einstellen“, sagt Franziska Nebelung-Wesemann, Augenoptikermeisterin und Geschäftsinhaberin. „Das bedeutet natürlich nicht, dass wir Kunden, die spontan reinkommen, alle wegschicken.“ Im Zweierteam mit Augenoptikermeisterin Susanne Fritsch bemüht sie sich, auf individuelle Situationen einzugehen. „Wenn wir einen spontanen Kunden sofort stemmen können, weil wir gerade keinen Termin haben, machen wir es natürlich sofort.“

Optik Nebelung
Bei Optik Nebelung in Erfurt können Kunden auch eine gemütliche
Sitzecke nutzen. © Optik Nebelung

Zeichnet sich indes eine Wartezeit ab, haben die beiden Lösungen parat. „Wir bieten dem Kunden zum Beispiel an: Wie passt es Ihnen in einer halben Stunde? Dafür können wir direkt noch einen Termin ausmachen. Und schlagen ihm dann vor, solange noch eine Runde durch die Innenstadt zu drehen, im Sommer etwa ein Eis essen zu gehen.“ Wer lieber dableiben möchte, kann es sich in einer Sitzecke mit einladenden blauen Polstermöbeln gemütlich machen, auch ein Fernseher und ein Ständer mit Zeitschriften stehen bereit. An der Wand prangt der Spruch „Man muss das Leben nur durch die richtige Brille sehen“ – eine Weisheit, die man durchaus auch auf die sinnvolle Nutzung von Wartezeit übertragen könnte. „In der Sitzecke bieten wir auch Kaffee und andere Getränke an, das ist wie in der guten Stube“, stellt die Geschäftsinhaberin fest. „Unsere Kunden fühlen sich wohl hier und verweilen daher sogar ganz gern in unserem Laden.“

„Keine langen Wartezeiten“

Kommt es zu einer Wartezeit, beträgt sie in der Regel maximal eine Viertelstunde, schätzt Franziska Nebelung-Wesemann. „Durch unsere Terminvereinbarungen klappt es insgesamt sehr gut. Ich denke, das ,akademische Viertel‘, wie man so schön sagt, das ist durchaus okay.“

Lühr Optik
Lühr Optik betreibt fünf Filialen in Hamburg und drei in der Umgebung
der Elbmetropole. Die manchmal anfallenden Wartezeiten versucht
man „charmant zu überbrücken“. © Lühr Optik

Andere Augenoptiker formulieren es ebenfalls entsprechend vorsichtig: „Keine langen Wartezeiten“, verkündet etwa Optik Meyer mit Filialen in Quickborn und Henstedt-Ulzburg auf der zugehörigen Homepage (www.o-m-a.net). Dazu wird versprochen: „Messen, Beraten, Begeistern – alles ohne lange Wartezeiten. Und sollten doch mal alle beschäftigt sein, so überbrücken wir ihre Wartezeit mit einer Auswahl an Kalt- oder Heißgetränken.“ Dafür, dass es läuft, sorgt ausreichend Personal, bestätigt Marcel Lietz, einer der Geschäftsführer der Filiale Quickborn. „Das Thema Wartezeit kommt bei uns selten auf, denn die Kundschaft verteilt sich über den Tag ganz gut. Und wenn‘s doch mal voll wird, servieren wir eben Getränke.“

Auf geplante Termine wiederum setzt man auch bei Lühr Optik mit fünf Filialen in Hamburg sowie drei weiteren im Umland der Elbmetropole. Unerwarteter Andrang ist dort mal mehr, mal weniger ein Thema. „Unsere Filialen sind ganz unterschiedlich aufgestellt, das macht sich auch bei der Kundenfrequenz bemerkbar“, sagt Jan-Hendrik Lühr, der zusammen mit seinem Bruder Marc die Firma führt. „In einer unmittelbaren Lauflage befinden sich nur unsere Läden in Hamburg-Blankenese und Uetersen. Sie liegen jeweils direkt am Marktplatz und dort ist der Kundenverkehr natürlich deutlich höher als zum Beispiel im dörflichen Tornesch. Generell möchten wir aber in allen Filialen möglichst viel über eine Terminvereinbarung abdecken.“

Kunden ein bisschen „erziehen“

Nach seiner Einschätzung ist dazu auch ein gewisses Umdenken nötig. „Es hat sich zu solch einer Selbstverständlichkeit entwickelt, dass unsere Leistungen und Kompetenz immer direkt verfügbar sind. Da muss man die Kunden also vielleicht auch ein bisschen ‚erziehen‘“, ergänzt er mit einem Augenzwinkern. „Wir erklären ihnen auch, dass die hochwertige Leistung, die wir als Augenoptikermeister zum Beispiel mit dem i.profiler plus anbieten, nicht mal eben gemacht ist. Nach dem Motto: Hier nehmen wir uns wirklich Zeit für Sie. Zwar ist bei uns auch eine spontane Augenprüfung möglich, doch da kann es dann durchaus zu Wartezeiten kommen, weil das bei uns eine umfassende Augenprüfung und kein einfacher Sehtest ist. So nimmt die Untersuchung an sich bereits eine halbe oder dreiviertel Stunde in Anspruch.“ Die Terminvergabe erfolgt bei Lühr sowohl per Handkalender als auch per Outlook, damit sie für alle Mitarbeiter jederzeit einsehbar ist.

Optik Meyer
„Keine langen Wartezeiten“ verspricht Optik Meyer auf seiner
Homepage. © Screenshot: www.o-m-a.net

Auf Laufkundschaft stellen sich die Geschäftsführer dennoch ein. „Selbstverständlich kommt es immer mal vor, dass Kunden einfach vorbeischauen und eine Refraktion wünschen. Wenn dann ein Mitarbeiter gerade Zeit hat und der Prüfraum frei ist, machen wir das sehr gern und sofort“, betont Lühr. „Und wenn sie die Brille im Internet kaufen wollen, machen wir eben einen schnellen Sehtest, der dauert fünf Minuten und kostet bei uns 40 Euro. So ist es dann für uns auch in Ordnung.“ Und wenn es doch mal zu Wartezeiten kommt? „Die überbrücken wir dann ganz charmant, indem wir Kaffee anbieten oder Tee. Außerdem können unsere Kunden eine kleine Bibliothek mit verschiedenen Zeitschriften nutzen. Und wenn ein Mitarbeiter gerade Zeit hat, kann er schon einmal beratend zur Seite stehen – so kann der Kunde etwa schon einmal nach Fassungen schauen oder, wenn die Geräte frei sind, vorab eine objektive Messung machen.“

Je nach Lage gibt es noch andere Möglichkeiten. „Unsere Filiale in Hamburg-Othmarschen etwa befindet sich in der Waitzstraße, einer beliebten Einkaufsmeile. Da kann es gerade samstags schon mal voll werden, und wir schlagen unseren Kunden dann zum Beispiel vor, noch ein wenig bummeln zu gehen, um eine Wartezeit zu überbrücken.“ Zeitweise, räumt Lühr ein, habe er sich einen zweiten Refraktionsraum gewünscht. „Aber durch die Terminvergabe klappt es insgesamt mit einem Raum wirklich gut.“ Auch bemühen sich die Geschäftsführer und ihre Teams, einen Blick zu haben für die individuelle Situation. „Wenn zum Beispiel jemand nur mal eben Kontaktlinsen oder Pflegemittel kaufen möchte, bedienen wir denjenigen auch mal außer der Reihe. Dabei fragen wir die Kunden, die eigentlich vorher dran wären, ob das in Ordnung ist. In der Regel haben sie dafür Verständnis.“ Insgesamt, resümiert der Augenoptikermeister, seien ungeduldige Kunden bei Lühr selten. „Natürlich gibt‘s immer mal Leute, die einen schlechten Tag haben und das an uns auslassen wollen – aber darauf lassen wir uns gar nicht erst ein und bleiben einfach höflich.“

„Du hast da einen Kunden übersehen“

Das eigene Personal wird für das Thema Wartezeiten ebenfalls sensibilisiert. „So kann es vorkommen, dass ich dem Mitarbeiter zum Feierabend sage: Mir ist heute aufgefallen, dass Du drei Kunden gleichzeitig bedient hast, während ein anderer übersehen wurde. Bitte achte künftig darauf, den Kunden dann zumindest einmal anzugucken und anzusprechen, damit er sich wahrgenommen fühlt. Auch in Schulungen und regelmäßigen Meetings weisen wir darauf hin, dass die Meister auf ihre Mitarbeiter entsprechend einwirken können.“

Optik Nebelung Termine

Optik Nebelung

Optik Nebelung
In drei Schritten zum Wunschtermin: der Online-Terminkalender von
Optik Nebelung macht‘s möglich.
Screenshots: www.optik-nebelung.de

Eher locker sieht man es bei Optiker Paul in Ingelheim am Rhein. „Keine Wartezeiten! Optiker Paul misst Ihre Sehstärke kompetent, sofort und ohne Termin!“, wird dort auf der Homepage (www.optiker­paul.de) sogar versprochen. Hakt man indes bei Inhaber Paul Sajélian nach, wie es funktioniert, wenn doch einmal mehrere Kunden gleichzeitig  etwas wünschen, wiegelt er ab. „Wenn man einen Termin macht, ist es nicht hundertprozentig sicher, ob dieser Termin vom Kunden auch wahrgenommen wird. Daher verfolge ich die Strategie: Wir machen keine Termine, die Kunden können einfach vorbeikommen. Und wenn es dann doch mehrere sind, dann warten sie eben. Aber so viele sind es dann ja auch wieder nicht, in der Regel ist nur eine Person davor, höchstens zwei oder drei. In der Zeit kann man ihnen ja Wasser anbieten oder einen Espresso.“

Wartezeit
Eine solche Lösung dürfte für Augenoptiker eher
kontraproduktiv sein.
© Dieter Schütz/pixelio.de

Eine Wartezeit sieht der Augenoptikermeister auch als Vorteil. „Der Kunde ist dann schon einmal im Geschäft und kann dabei zusehen, wie gründlich ich die Refraktion bei einem anderen durchführe. Dies wird ihn gleich von der Qualität überzeugen.“ Etwas Verständnis dürfe man außerdem vom Kunden erwarten. „Es kommt vor, dass jemand anruft und einen Termin für eine Augenuntersuchung machen möchte. Dann sage ich, gegen elf Uhr würde es passen. Und wenn der Kunde kommt und da sitzt dann doch schon einer auf dem Refraktionsstuhl, dann wartet er eben ein wenig – und wenn er deswegen wieder geht, kann ich damit leben.“

Autorin: Christine Lendt