Fielmann: 50. Kolloquium zur Zukunft des Brillenkaufs
Screenshot des 50. Fielmann Kolloquiums im März zum Thema "Zukunft der Augenoptik".
Die Redner des 50. Fielmann Kolloquiums: Dr. Franziska Schroeter, Head of Technology bei Fielmann Ventures und Marc Fielmann, Vorstandsvorsitzender der Fielmann AG
Refraktion per App
Dr. Franziska Schroeter, Head of Technology bei Fielmann Ventures, gab den Zuhörenden Einblicke in die Entwicklungsarbeit des automatisierten Refraktionssystems über eine App. Fielmann nutze in seiner App das Prinzip der Photorefraktion, eine bekannte Methode zur objektiven Refraktionsbestimmung, die den Fundusrotreflex in der Pupille der Kundin auswerte. Bei einem emmetropen Auge erscheine die Pupille gleichmäßig dunkel ausgeleuchtet. Ein ametropes Auge weise einen halbmondförmigen Lichtreflex auf. Aus der Größe und Lage des halbmondförmigen Reflexes lasse sich die Refraktion mit Hilfe mathematischer Formeln berechnen. Damit dies hinreichend genau gelingen könne, nutze die App neben reinen Formeln einen Deep-Learning-Algorithmus aus Fotos und Refraktionsdaten. Voraussetzung für den Lernprozess der Maschine seien möglichst viele, „gute" Daten, erläuterte die Entwicklerin. Der Zugang zur App solle möglichst leicht für die Kundschaft sein, deshalb plane Fielmann, den Zugriff auf die App vorerst zu begrenzen und diese ausschließlich myopen, nicht presbyopen Kunden zur Verfügung zu stellen.
Die Refraktions-App von Fielmann arbeitet mit der Photorefraktion.
KI in der Augenoptik
Darüber hinaus erwarten viele Branchen durch den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) große Umbrüche. Die KI ist bereits in Screeningsystemen zur Erkennung von Netzhauterkrankungen in Anwendung – vor allem bei der optische Kohärenztomographie (OCT) und bei der Fundusfotografie. Dass diese Technologien die Arbeit der Augenoptikerinnen und Augenoptiker sowie Augenärztinnen und Augenärzte (teilweise) ersetzen und sich damit nachteilig auf diese auswirken könnten, sieht Priv.-Doz. Dr. med. Sebastian M. Waldstein, Vorstand der Abteilung für Augenheilkunde am Landesklinikum Mistelbach-Gänserndorf in Österreich, nicht. In der Netzhaut seien Informationen zu Geschlecht und Alter einer Person ablesbar, darüber hinaus lassen sich Hinweise auf Augen- und Allgemeinerkrankungen finden. Dazu gehören beispielweise Risiken auf Herz-Kreislauf- oder Nieren- und Lebererkrankungen. Ein Screening auf Augenerkrankungen könnte im niederschwelligen Bereich, beispielsweise im Augenoptikbetrieb, in Apotheken oder im Supermarkt angeboten werden, wie Waldstein aufzeigt. Wegen der Korrelation von Netzhautveränderungen und systemischen Erkrankungen sei der Einsatz auch in allgemeinärztlichen und internistischen Praxen sinnvoll.
Priv.-Doz. Dr. med. Sebastian M. Waldstein, Vorstand der Abteilung für Augenheilkunde am Landesklinikum Mistelbach-Gänserndorf in Österreich (links) und Prof. Dr. med. Norbert Schrage, Chefarzt der Augenklinik Köln-Merheim.
Gesundheitsscreening im Supermarkt, dieser Idee steht Prof. Dr. med. Norbert Schrage, Chefarzt der Augenklinik Köln-Merheim, kritisch gegenüber. Obwohl die KI Augenuntersuchungen unabhängig vom Standort ermöglicht, gehören Gesundheitsscreening und fachkompetente Beratung für ihn untrennbar zusammen, wie er in seinem Vortrag erklärte. Der technologische Fortschritt habe in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass Augenoptikerinnen sowie Augenärztinnen in einigen Geschäftszielen aneinandergerückt seien. Dazu zähle insbesondere die Sehkraftoptimierung, beispielsweise durch refraktiv-chirurgische Eingriffe oder Kontaktlinsenanpassungen. In der Arbeitsebene finde oftmals bereits eine enge Zusammenarbeit zwischen beiden Berufsgruppen statt, berufspolitisch habe dieses Thema weiterhin Brisanz. Beide hätten jetzt die Chance, die neuen Technologien der künstlichen Intelligenz in ihren gemeinsamen Dienst zu stellen und ihre Kompetenzen sinnvoll zu vernetzen – bevor der Supermarkt diese Idee aufgreife und die Kundschaft sich dort Gesundheitsvorsorge hole.