Befürchtungen bestätigt, Online-Kauf abgebrochen
Gleitsichtbrille online kaufen? Anscheinend nicht die beste Idee.
Ich kann die Ergebnisse dieses Selbsttests nur subjektiv und in der Ich-Form wiedergeben. Auch und vor allem, um meine voreingenommene Meinung nicht verleugnen zu müssen: Ich bin der Überzeugung, dass Gleitsichtbrillenträger, die online eine Brille bestellen, binnen kurzer Zeit zum Stammkunden der stationären Augenoptik werden müssen. Ja, das ist sehr einfach gedacht und viel zu theoretisch, aber anders ist es aus den unterschiedlichsten Gründen für mich nicht denkbar. Vermutlich haben selbst die reinen Onlinehändler kaum Interesse daran, Gleitsichtbrillen zu verkaufen, aber reine Onlinehändler gibt‘s ja so viele auch nicht mehr.
Aber jemand, der denselben Fehler wie der Hobby-Bastler machen möchte, der sich zunächst die billige No-Name-Bohrmaschine für den Umbau des Hauses kauft, um anschließend ein zweites Mal (teurer) zu kaufen, um sich trotzdem daran zu erfreuen, so jemand kann das mal mit der Gleitsichtbrille im Internet ausprobieren. Ich wollte zunächst mit der App von Ace & Tate meine jetzige Brille ausmessen und war schier erstaunt, dass das geht. Erst nach dem Download habe ich unter anderem erfahren, dass das nur für Einstärkengläser funktioniert. Okay, dann mache ich eben den Sehtest bei Ace & Tate und bin schon leicht genervt, dass ich schon vorab meine Mailadresse und meine Schuhgröße eintragen muss. Immerhin wird mir erklärt, warum – und noch dazu erhalte ich den Hinweis auf die Sturzgefahr, die ich jetzt ohne meine Brille auf dem Weg vom Rechner weg für den Sehtest auf mich nehmen muss. Dabei kennen die doch noch gar nicht meine starken Werte?!
„Du solltest einen Sehtest in Betracht ziehen“
Der Sehest dauert vermutlich nur deswegen so lange, weil ich natürlich versuche, das „System“ zu verwirren, besser gesagt: Fehler zu finden. Das gelingt nur bedingt, am Ende einer gefühlt unendlichen Ewigkeit steht für mich schriftlich als Sehtestergebnis fest: „Du solltest einen Sehtest in Betracht ziehen“. Hm, okay. Ich bin dann trotzdem in den Onlineshop, habe einige Sehwerte eingegeben und dabei blöderweise die Achse 0° gewählt. Das geht aber nicht bei Ace & Tate. Dafür werden meine Gläser automatisch im Index 1,74 gefertigt. Was das ist, kann ich ja anderswo nachlesen. Was das kostet? 50 Euro. Dass ich zu meiner Bildschirmbrille, die ich einst angeklickt hatte, einen Sonnenbrillen-Clip empfohlen bekomme, nehme ich schulterzuckend hin, als alter Fuchs vermisse ich dafür den Warnhinweis, da ich ja trotzdem Gleitsichtgläser in den Warenkorb geklickt habe. Lieber ZVA: Müssen denn Onlinehändler nicht einen Warnhinweis online stellen, dass Gleitsichtbrillen, die auf einer derart schmalen Datenbasis erstellt werden, (zumindest) für den Autoverkehr ungeeignet sein könnten?
Dr. Jan Wetzel klärt mich in seiner Funktion als Geschäftsführer des Zentralverbands der Augenoptiker und Optometristen auf: Der ZVA hatte diesen Warnhinweis einst mit der Wettbewerbszentrale erstritten, jedoch muss er nur von denjenigen Händlern umgesetzt werden, die auch damals bei dieser Auseinandersetzung namentlich benannt waren. „Der Warnhinweis ist auch weniger für Verbraucher oder Käufer von Gleitsichtbrillen gedacht, weil der Kauf von Gleitsichtbrillen online ohnehin kaum Interesse findet“, sagt Wetzel. Aber wenn die Onlinehändler ihre eigenen Produkte mit einem Hinweis auf eine eingeschränkte Nutzbarkeit versehen (müssen), hat das natürlich in vielerlei Hinsicht eine öffentliche Wirkung. Brille24 und Mister Spex zum Beispiel weisen verhältnismäßig prominent auf die Besonderheiten beim Onlinekauf einer Gleitsichtbrille hin – beide verweisen dann schnell und gerne auf Partneroptiker oder eigene Geschäfte.
Tipps im Chat machen keinen Mut
Während ich darauf verzichte, den telefonischen Support bei anderen Portalen in Anspruch zu nehmen, überfällt mich bei 1brille.de die Neugier, was der Kollege am anderen Ende des Chats für mich als Tipps zum Brillenkauf parat hält. Ich mache ihn auf meine verhältnismäßig hohe Kurzsichtigkeit aufmerksam, er sichert mir zu, die Produktion intern dahingehend zu benachrichtigen. Zudem schreibt er (oder sie?) ich könne gerne mit der Bestellung fortfahren, aber nur auf besonderen Wunsch. Das macht mir keinen Mut, und auch der Hinweis auf mein Rückgaberecht lässt mich innerlich jubilieren, aber offiziell an meinem Vorhaben zweifeln.
Richtig gut informiert fühle ich mich beim Platzhirsch: Mister Spex knausert nicht mit Informationen rund um das gute Sehen. Fraglich, ob der Durchschnitts-Brillenträger hier nicht leicht den Überblick verliert, zumal auch die oben bereits erwähnten Hinweise auf die Besonderheiten einer Gleitsichtbrille sehr ausführlich sind. Aber wie dem so ist, Information wirkt, und am Ende nennt mein Warenkorb einen Preis von 529,70 Euro: Dafür, dass die Brillenfassung knappe 50 Euro kostet und ich nicht mal die Marke der Brillengläser kenne – nein, lieber nicht.
Angesichts diverser mir bekannter Tests aus Funk und Fernsehen (zuletzt: „Der Haushaltscheck – Mogelpackung Brille – Klarer Durchblick oder teure Verbrauchertäuschung?“; siehe ARD-Mediathek) und einem gewissen augenoptischen Know-how reicht diese Stichprobe, um mein Urteil zu verfestigen. Wohlgemerkt ging es in diesem Test ja auch nur um die Bestellung der Gleitsichtgläser, nicht um das Tragen. Gewiss hätte mir auch der telefonische Support geholfen, aber der ist nur zu bestimmten Zeiten für mich da und letztlich hätte er mir vermutlich das geraten, was ich bei Ace & Tate schon zu lesen bekam: „Besuche bitte einen unserer stationären Stores“ oder so ähnlich. Das scheint mir für den Kauf einer Gleitsichtbrille eine gute Idee zu sein und dient demzufolge als Gesamturteil dieses sehr subjektiven Selbsttests.