Low Vision und vergrößernde Sehhilfen bei Optiker Schulz in Oldenburg

Eine Herzensangelegenheit, die großes Potenzial bietet

Am Älterwerden kommt niemand vorbei. Dabei kommt der eine mehr, der andere weniger gut mit den Begleiterscheinungen zurecht, die die Zeit mit sich bringt. So lässt bei vielen die Sehkraft langsam nach. Ein wachsender Nischenmarkt, den Optiker Schulz in Oldenburg bedient: Low Vision und vergrößernde Sehhilfen. Ein Team aus drei Fachleuten kümmert sich vor Ort um die spezielle Zielgruppe – wer einmal mit André Siebler, Nadine Pargmann und Florian Jakob gesprochen hat, merkt auf Anhieb ihre Begeisterung für das Thema.
André Siebler, Nadine Pargmann und Florian Jakob von Optiker Schulz in Oldenburg

Das Low-Vision-Team bei Optiker Schulz in Oldenburg:  André Siebler (l.), Nadine Pargmann und Florian Jakob befassen  sich leidenschaftlich mit dem Thema vergrößernde Sehhilfen.

© Optiker Schulz

Aufgrund der hohen Lebenserwartung in Deutschland steigt die Zahl der betroffenen Menschen mit altersbedingten Sehbeeinträchtigungen. 2020 belief sich die durchschnittliche Lebenserwartung in der Bundesrepublik bei Männern auf 78,9 und bei Frauen auf 83,6 Jahre. Tendenz wie in vielen Teilen der Welt: steigend. Auch in Europa werden die Menschen zunehmend älter. In den vergangenen fünf Jahrzehnten ist die Lebenserwartung nach Angaben der EU-Kommission bereits um zehn Jahre gestiegen. Der Trend hält an. Im Jahr 2070 geborene Männer werden im Schnitt 86 Jahre und Frauen sogar 90 Jahre alt werden.

Einige Betriebe haben erkannt, dass der demografische Wandel und die steigende Altersstruktur der Gesellschaft eine sinnvolle Integration von Low-Vision-Angeboten in Unternehmenskonzepte immer wichtiger macht. Seit mehr als 160 Jahren kümmert sich Optiker Schulz im hohen Norden, in Oldenburg, um gutes Sehen. In dem dreistöckigen Fachgeschäft für Brillen, Hörakustik und Kontaktlinsen in der Innenstadt werden vergrößernde Sehhilfen auf einer kompletten Etage angeboten. Mitarbeiter und Augenoptiker André Siebler ist durch das klassische Schülerpraktikum mit der Augenoptik in Berührung gekommen – und zwar bei Optiker Schulz. Seit 2019 ist er wieder zurück im Oldenburger Betrieb und kümmert sich um den Bereich Low Vision. Augenoptikerin  Nadine Pargmann arbeitet seit drei Jahren im Betrieb und befasst sich seit einem Jahr vorranging mit vergrößernden Sehhilfen. Der Dritte im Team ist Florian Jakob, der vor zehn Jahren von einer Augenoptik-Kette zu Optiker Schulz wechselte, um sich mehr mit individuellen Themen zu beschäftigen.

DOZ: Optiker Schulz hat eine sehr große Abteilung für Low Vision und vergrößernde Sehhilfen. Ist der Bedarf bei Ihnen in Oldenburg dementsprechend groß?

Florian Jakob: Je mehr wir das Angebot ausgebaut haben, umso mehr Personen wussten davon – sowohl Augenärzte als auch Kunden. Einige fahren sogar 200 bis 300 Kilometer bis zu uns, die Anfragen haben sich verdreifacht. Aufgrund der erhöhten Nachfrage und dem Umstand, dass man eine gewisse Zeit für eine Beratung einplanen sollte, haben wir auch das Team vergrößert. Durch den demografischen Wandel steigt der Versorgungsbedarf.

Demnach steigt die Zahl der Betroffenen, also der Kundinnen und Kunden, an. Welche Stärken hat Ihrer Meinung nach dieses Geschäftsfeld?

André Siebler: Mit diesem Bereich besitzen Betriebe ein Alleinstellungsmerkmal, wenn man fachlich gut aufgestellt ist. Es ist sehr wichtig, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Aktuell werden vermehrt elektronische Sehhilfen angeboten. Auch wir benötigen das entsprechende Know-how, um unsere Kunden in diesem Bereich zu beraten. Da ist ein guter Kontakt zum Außendienst sehr wichtig, um sich über die neuen Entwicklungen zu informieren und nicht den Anschluss zu verlieren.

Jakob: Wir haben sehr viele Geräte und Produkte vor Ort, egal ob elektronische Sehhilfen, Ferngläser oder spezielle Brillengläser für migränebedingte Lichtempfindlichkeit. Wir wollen die Kunden bestmöglich informieren.

Wie viel Zeit planen Sie für eine Beratung im Bereich vergrößernde Sehhilfen ein?

Siebler: Wir planen pro Kunde circa eineinhalb Stunden für die Beratung ein. Daher sind für diesen Bereich personelle Ressourcen wichtig. Denn viele Betroffene wünschen sich persönlichen Service, eine individuelle Beratung.

Jakob: Viele möchten sich gerne mit dieser Nische beschäftigen. Wichtig ist, dass man am Thema dranbleibt. Immer mehr Menschen suchen die persönliche Beratung vor Ort, denn gerade durch die Digitalisierung und die Pandemie stieg der Wunsch nach direktem Kontakt. Zwar muss man für die Beratung Zeit einplanen, aber dadurch steigert sich zunehmend die Kundenbindung. Außerdem macht Low Vision mit der Beratung und Anpassung von vergrößernden Sehhilfen richtig Spaß. Je mehr Kollegen sich damit beschäftigen, umso mehr stachelt man sich an. Man erfährt schneller, wenn neue Produkte auf dem Markt sind. Es ist eine tolle Sache, wie wir uns gegenseitig pushen und motivieren.

Wie läuft bei Ihnen eine typische Beratung im Bereich Low Vision ab?

Siebler: Wenn der Kunde bei uns einen Termin bucht, schicken wir ihm einen selbstentwickelten Anamnesebogen zu, den er im besten Fall ausgefüllt zurückschickt. Wir fragen zum Beispiel nach Vorerkrankungen oder dem behandelnden Augenarzt. So bekommen wir vorab Informationen und können uns auf den Termin vorbereiten. Vor Ort besprechen wir die Anamnese dann mit dem Kunden: Wo liegt der Bedarf? Welchen Wunsch hat der Kunde? Und was davon kann ich überhaupt erfüllen? Das kommunizieren wir klar und offen. Wir können immer wieder auf den Anamnesebogen zurückgreifen und aktualisieren, dokumentieren und archivieren die Daten.

Sehlösung von Eschenbach

Wenn eine klassische Brille nicht mehr ausreicht, kann mit vergrößernden Sehhilfen – wie zum Beispiel vom Nürnberger Hersteller Eschenbach – das vorhandene Sehvermögen optimal genutzt werden.

© Eschenbach

Jakob: Neben der Refraktion führen wir weitere Tests wie Amsler-Test, Katarakt-Screening und Wellenfrontmessung durch. Wir schauen, welche Möglichkeiten in den Alltag des Kunden passen. Da wir alle Produkte vor Ort haben, kann er diese selber ausprobieren. Bei elektronischen Sehhilfen ist die Kommunikation sehr wichtig, um den Kunden die Angst vor der Bedienung zu nehmen. Doch auch die Angehörigen sind für die Beratung wichtig. Für sie können wir einige Augenerkrankungen wie Retinitis pigmentosa mit speziellen Brillen simulieren.

Nadine Pargmann: Nachdem der Kunde das Produkt abgeholt hat, fragen wir nach zwei Wochen noch einmal nach. Kommen sie zum Beispiel mit der Handhabung der Geräte zurecht, auch der elektronischen? Die Nachsorge ist uns sehr wichtig.

Ist die spezielle Beratung bei Ihnen kostenpflichtig?

Jakob: Bisher haben wir alle unsere Beratungen kostenlos angeboten. Aber derzeit testen wir in einem Pilotprojekt unseren Service gegen Bezahlung. Wir sind sehr überrascht, denn viele unserer Kunden verstehen es und bezahlen die Servicepauschale. So berechnen wir für eineinhalb Stunden einen Betrag, der unsere Beratungsleistung abdeckt inklusive der Folgetermine. Falls es beispielsweise auf ein einfaches Gerät wie eine Handlupe hinausläuft, schreiben wir die Beratungskosten gut. Wir wollen die Wertschätzung der Beratung wieder aktivieren und viele Menschen sind bereit dazu.

Wie haben Sie den Bereich unter sich aufgeteilt?

Siebler: Wir teilen uns den Bereich Low Vision mittlerweile zu dritt. Während ich vor allem in der Kundenberatung tätig bin, übernimmt Florian Jakob den Einkauf und administrative Aufgaben. Dabei wird er von unserer Kollegin Nadine Pargmann unterstützt.
 

Die Anforderungen eines Berufslebens wechseln schnell und erfordern lebenslanges Lernen. Wie wichtig ist Weiterbildung für Sie in diesem Bereich?

Jakob: Wir können an unterschiedlichen Schulungen der Hersteller wie etwa Eschenbach Optik teilnehmen oder besuchen die SightCity in Frankfurt. Auch unsere anderen Kollegen schulen wir intern, damit sie Kunden spontan informieren können, wenn einer aus unserem Team gerade nicht verfügbar ist.

Siebler: Wir nutzen die Leerläufe, um uns weiterzubilden und haben für die Kollegen der anderen Abteilungen ein Beratungsskript erstellt, das ihnen helfen soll.

Wie machen Sie auf Ihre Dienstleistungen und Produkte im Bereich Low Vision und vergrößernde Sehhilfen aufmerksam?

Jakob: Wir nutzen Social Media. Zwar ist unsere Zielgruppe dort derzeit noch weniger aktiv, aber das wird sich in den kommenden Jahren ändern. Und wir haben hier die Möglichkeit, die Angehörigen anzusprechen und diese so auf vergrößernde Sehhilfen als Hilfsmittel aufmerksam zu machen. Daneben versenden wir auch Mailings und werben im Schaufenster für Low Vision. Aber das wichtigste Instrument bei uns ist die Empfehlung.

Siebler: Vor allem die Zusammenarbeit mit den Augenärzten ist sehr wichtig, denn dort werden die ersten Empfehlungen über Hilfsmittel ausgesprochen.

Pargmann: Vor Corona statteten wir Hausbesuche ab und waren auf Messen für Senioren vertreten. Wir besuchten auch Veranstaltungen in Pflegeheimen. Unser Fokus ist es, den Menschen Hoffnung und mehr Selbstständigkeit zu geben. Wir organisierten Infotage für Kunden in Zusammenarbeit mit Herstellern und führten die Produkte vor.

Optiker Schulz bietet neben vergrößernden Sehhilfen und Brillen auch Kontaktlinsen und Hörlösungen an. Ergeben sich Synergien zu Low Vision?

Jakob: Einige Sehhilfen besitzen eine Sprachsteuerung oder eine Vorlesefunktion. Die Bereiche Low Vision und vergrößernde Sehhilfen sowie Hörakustik werden immer näher zusammenrücken. Wir haben dementsprechend auch die Augenoptiker und Hörakustiker im Betrieb geschult, um beide Themen bei den Kunden anzusprechen.

Wegen des demografischen Wandels steigt der Bedarf an vergrößernden Sehhilfen. Was reizt Sie an dem Thema?

Jakob: Für uns ist das Thema nicht nur Zusatzgeschäft, sondern auch Herzensangelegenheit. Wenn man in diesen Bereich investiert, Strukturen schafft und Aufmerksamkeit generiert, bietet es großes Potenzial. Der Bedarf an Low Vision und vergrößernden Sehhilfen steigt. Gleichzeitig sinkt das Schamgefühl bei diesem Thema, da die Geräte immer  moderner werden.