Fielmann will (Kontaktlinsen-) Eigenmarken stärken
Im Mai 2021 launchte Fielmann die Kontaktlinseneigenmarke Atrea. Hergestellt werden diese derzeit von CooperVision und Alcon.
Erstveröffentlicht in der DOZ 09I22
Nachdem Fielmann Anfang Juli 2022 seine Halbjahreszahlen präsentiert und dabei mitgeteilt hatte, dass die Vorsteuerrendite (EBT) lediglich dem pessimistischen Szenario der im Geschäftsbericht dargestellten Prognose entspricht, war der Aktienkurs des börsennotierten Unternehmens innerhalb nur weniger Tage um nahezu 20 Prozent abgerutscht und auf den schlechtesten Wert seit fast zehn Jahren gefallen. Entsprechend wurde mit Spannung erwartet, welche kurz- und mittelfristigen Schritte das Unternehmen einleiten würde, um die Profitabilität wieder zu steigern. Antworten auf die Frage lieferte die virtuelle Hauptversammlung der Fielmann AG am 14. Juli. „Um unser starkes Umsatzwachstum zu halten und öffnegleichzeitig die Ertragskraft deutlich zu steigern, haben wir eine Vielzahl von Maßnahmen erarbeitet“, leitete der Vorstandvorsitzende Marc Fielmann ein. Das Ziel: die aktuelle EBT-Marge (Vorsteuerrendite) von derzeit 10,5 Prozent wieder auf 16 Prozent bis 2025 zu steigern, ebenso wie den Eigenmarkenanteil bei Kontaktlinsen auf bis zu 60 Prozent erhöhen.
Punkt 1: Optimierung des Wareneinsatzes
Derzeit weist Fielmann ein Wareneinsatzquote von 22 Prozent auf – ein Übergangseffekt, wie Fielmann sagt, der das Unternehmen in diesem und im nächsten Jahr noch begleiten werde. „Mittelfristig sind wir zuversichtlich, dass die Fielmann-Gruppe den Wareneinsatz und die Rohertragsquote wieder erhöhen wird“, sagte der Vorstandsvorsitzende auf DOZ-Nachfrage. Durch besagte Erhöhung der Rohertragsquote wolle man eine Verbesserung der Einkaufskonditionen erzielen, die Sortimentssteuerung weiter zentralisieren, die Warenwirtschaft automatisieren sowie den Anteil der Eigenmarken steigern. „Natürlich bietet der Rollout unserer Eigenmarken insbesondere im Ausland erhebliches Potenzial“, erklärte Fielmann und nahm dabei besonders die übernommenen Geschäfte von Optika Clarus (Slowenien) und Optica & Audiologia Universitaria (Spanien) ins Visier.
Während man bei den Eigenmarken im Bereich der Korrektionsfassungen (von derzeit 78 auf 80 Prozent) und den Sonnenbrillen (57 auf 60 Prozent) bereits gut aufgestellt sei und daher nur einen kleinen Zuwachs anstrebe, zielten die Bestrebungen eher auf den Bereich Korrektionsgläser und Kontaktlinsen ab. Bei den Gläsern wolle man die Produktionsentwicklung und -kapazität ausweiten, nicht zuletzt durch neue Fertigungsstätten in Europa. „Die Planungen hierzu sind bereits weit fortgeschritten und werden voraussichtlich noch in diesem Jahr umgesetzt“, kündigte Fielmann an. Entsprechend halte man einen Anteil der Eigenmarke in diesem Bereich von derzeit 28 auf 35 Prozent bis 2025 für realistisch.
Die Anpassung von Marken-Kontaktlinsen lohne sich für Augenoptiker kaum noch
Deutlich größeres Potenzial wird aber dem Bereich Kontaktlinse zugesprochen. „Geringe Margen im Vertrieb stehen unverhältnismäßig hohen Einkaufspreisen gegenüber“, befand der Vorstandsvorsitzende auf der Hauptversammlung und legte im DOZ-Gespräch nach: „Deshalb lohnt sich die Anpassung von Marken-Kontaktlinsen für Augenoptiker kaum noch. Unsere Kunden erwarten innovative Produkte und beste Qualität zum günstigen Preis.“ Anders ausgedrückt: wenig zahlen, viel bekommen. Aus diesem Grund hatte man im Mai 2021 die eigene Kontaktlinsenlinie Atrea gelauncht. Hergestellt werden die Eigenlinsen derzeit von CooperVision und Alcon. Die DOZ hakte deshalb gerade bei diesen beiden Herstellern nach (auch bei Bausch + Lomb sowie Johnson & Johnson, deren Kontaktlinsen ebenfalls im Fielmann-Sortiment sind. B + L wollte sich nicht äußern, J & J gab nur ein generelles Statement ab, demzufolge man seit Jahren eng mit Kontaktlinsenanpassern zusammenarbeite und die erfolgreiche Kooperation durch ein hochwertiges Produktportfolio und bestmögliche Unterstützung im Geschäft auch in Zukunft vorantreiben werde).
Geringe Margen im Vertrieb stehen unverhältnismäßig hohen Einkaufspreisen gegenüber.
Wie zu erwarten, wollten sich beide Eigenmarken-Lieferanten nicht zur Margensituation äußern. „Zu Einkaufskonditionen unserer Kunden treffen wir grundsätzlich keine Aussagen, ebenso bewerten wir keine Margensituation, die bei jedem Kunden individuell ausfällt“, sagt beispielsweise Jérôme Kuzio, (zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch) Head of Marketing DACH bei CooperVision. Kuzio verweist stattdessen darauf, dass man allen Kundinnen und Kunden stets ein „attraktives, faires und wettbewerbsfähiges Angebot“ biete. Alcons General Manager DACH, Dr. Benedikt Hoffmann, verdeutlichte im Statement, das Rabattsystem seines Unternehmens berücksichtige nicht nur die abgenommenen Mengen, „sondern auch die Sichtbarkeit unserer Produkte im Geschäft, die Schulung des Personals und andere Aspekte, die wir gemeinsam mit unseren Kunden festlegen“.
Nur geringe Preisunterschiede für die Verbraucher
Vergleicht man auf der Fielmann-Homepage die Eigenmarke Atrea mit den Originalprodukten von CooperVison und Alcon, liegen die Verkaufspreise zumeist gar nicht so weit auseinander. Beispiele: Die MyDay toric von CooperVision kostet im 30er- Pack 29,70 Euro, die produktgleiche Eigenmarke Atrea Excellence 1 Day toric gibt es für 28,70 Euro; Alcons Dailies AquaComfort Plus multifocal wird für 29,90 Euro (30 Stück) angeboten, die Atrea Select 1 Day multifocal gibt es für 28,90 Euro (30). Legt man jetzt die Margen-Aussagen von Marc Fielmann über diese Preise, wird schnell ersichtlich, dass die Einkaufskonditionen für die Eigenmarken deutlich attraktiver sein müssen, die Differenz zwischen Selbstkosten und Verkaufspreis also deutlich größer. Und bei einem von Marc Fielmann ausgegebenen Ziel von 60 Prozent Eigenmarkenanteil bei Kontaktlinsen bis 2025 (aktuell sind es lediglich fünf Prozent), dürfte sich dieser Margenvorteil deutlich bemerkbar machen.
Dass das Eigenmarken-Geschäft für Alcon und CooperVision dennoch attraktiv bleibt, liegt sicher auch in der immer stärker werdenden Internationalisierung der Fielmann-Gruppe. „Es ist sicher kein Geheimnis, dass international agierende Großkunden branchenübergreifend einen wichtigen Aspekt für alle Unternehmen darstellen“, erläutert Kuzio. International ausgerichtete Eigenmarken öffneten den Unternehmen demnach auch die Option, einer einheitlichen und länderübergreifenden Darstellung des Portfolios. Kuzio: „Daher bieten Eigenmarken die Möglichkeit, die sogenannte Customer Lifetime Value zu erhöhen.“
Egal ob bei CooperVisions MyDay oder bei Alcons Dailies: Die Preisunterschiede zu den produktgleichen Kontaktlinsen der Eigenmarke Atrea sind im Verkauf nur gering.
Während Fielmann im Bereich Fassungen und Brillenglas schon seit Jahren auch auf eigene Produktionsstätten zurückgreift, scheint dies bei Kontaktlinsen (zumindest kurzfristig) nicht geplant zu sein. „Wir arbeiten mit den besten Partnern zusammen, die sich den hohen Ansprüchen unserer Kunden stellen“, sagt Marc Fielmann. Und auch bei CooperVision und Alcon sieht man derzeit nicht die Gefahr, dass Fielmann durch eine eigene Kontaktlinsenherstellung die Wertschöpfungskette ändern werde. „Zu den Zukunftsplänen anderer Unternehmen können wir nichts sagen. Wir wissen aber, dass die Herstellung von hochwertigen Kontaktlinsen viel Fachwissen erfordert und sind stolz darauf, dass wir gerade eine der innovativsten Produktionsstätten für Kontaktlinsen in Großwallstadt erweitert haben“, heißt es dazu von Hoffmann. Bei CooperVision klingt es ähnlich: „Das ist schwierig zu beantworten, denn grundsätzlich ist die Herstellung und das in den Markt bringen von Kontaktlinsen inklusive aller damit verbundenen Prozessschritte ein sehr aufwendiges und komplexes Verfahren. Auch vor dem Hintergrund, dass es sich hierbei um Medizinprodukte handelt. Diese
Komplexität erhöht sich nochmals im Zusammenhang mit den neuen MDR-Auflagen (Medizinprodukte-Verordnung, Anm. d. Red. wir berichteten hier und hier), die aktuell für zusätzliche Herausforderungen bei allen Herstellern sorgen. Deshalb gehen wir derzeit davon aus, dass ein Neuaufbau einer Kontaktlinsenproduktion nur mit einem sehr langen zeitlichen Vorlauf und einem entsprechend umfangreichen Investment umgesetzt werden kann.“
Doch egal ob irgendwann mit oder grundsätzlich ohne eigene Kontaktlinsenproduktion: Insgesamt sieht man bei Fielmann bei der Optimierung des Wareneinsatzes über alle Produktgruppen hinweg ein zusätzliches Ergebnispotenzial von einem Prozent EBT-Marge oder 20 Millionen Euro in 2025.
Punkt 2 und 3: Produktmix und Verbesserung der Produktivität
Verstärkte digitale Unterstützung in der Beratung sollen die Produktvorteile bei Fielmann zukünftig noch besser darstellen und erklären lassen können. Außerdem biete der demographische Wandel mit der älter werdenden Bevölkerung und dem steigenden Anteil an Gleitsichtbrillen weiteres Potenzial. Im Ergebnis soll die EBT-Marge hier um 1,5 Prozent steigen beziehungsweise um 40 Millionen Euro in 2025.
Die weitere Automatisierung und Optimierung des Abgleichs der Kundenflüsse mit der Personaleinsatzplanung eröffne laut Fielmann ebenfalls erhebliche Potenziale. Eng verbunden ist damit der Rollout bestehender und weiterer Omnichannel-Services in den von Fielmann bespielten Märkten. Erst kürzlich war mit Frame Removal eine Online-Brillenanprobe gelauncht worden, bei der Kunden ihre Brille digital anprobieren können, ohne die eigene abzusetzen. Als Folge soll der Versandanteil weiter steigen (von einer Million Pakete in 2021 (+ 30 Prozent zu 2020) auf bis zu fünf Millionen), insbesondere bei Korrektionsbrillen gebe es geringere Transaktionskosten als im stationären Vertrieb. Grundlage dafür soll der Launch des selbst entwickelten Online-Sehtests sein, der derzeit aber noch auf sich warten lässt. „Das Thema Messtechnologie ist komplex – und wenn man ganz ehrlich ist auch komplexer, als wir uns das ursprünglich vorgestellt haben“, erläutert Fielmann schon in der DOZ 06/22. Sollte die Markteinführung gelingen, rechnet Fielmann mit einem Ergebnispotenzial von ebenfalls 1,5 Prozent EBT-Marge (40 Millionen Euro) in 2025.
Punkt 4: Kostensenkungsmaßnahmen
Nach dem kräftigen Wachstum im Zuge der digitalen Transformation habe man nun zahlreiche Funktionen und Bereiche identifiziert, deren Kostenwachstum nicht im Verhältnis zum Ergebnisbeitrag stünden. „Nach vielen Jahren des Kostenwachstums prüfen wir derzeit kritisch den wichtigen, aber indirekten Wertbeitrag unserer Zentralbereiche“, sagt Marc Fielmann. Zu diesem Thema gehöre natürlich auch eine umfangreiche Analyse (und Optimierung) des Niederlassungsnetzes. Was aber laut Fielmann nicht bedeute, dass man das Filialnetz verkleinere – im Gegenteil. „Die Coronavirus-Pandemie und der Trend zum Homeoffice haben das Einkaufsverhalten der Kunden verändert. Grundsätzlich entwickeln sich Stadtrandlagen und Umfelder mit hohem Wohnanteil positiver als Einkaufscenter oder Innenstadtlagen mit hohem Büroanteil. Wir werden unseren Kunden deshalb in Zukunft mit weiteren Niederlassungen entgegenkommen, rechnen also kurz-, mittel- und langfristig mit einer deutlichen Ausweitung unseres Standortnetzes. Außerdem erwarten wir eine Mietkostenentwicklung, die den veränderten Frequenzen Rechnung trägt.“ Mit zwei Prozent EBT-Marge (50 Millionen Euro), sieht man in Hamburg hier sogar das größte Potenzial.
Vorstandsvorsitzender Marc Fielmann
„Wir sind zuversichtlich, mit den eingeleiteten Maßnahmen in 2025 wieder eine Vorsteuerrendite von 16 Prozent zu erzielen“, bekräftigt Marc Fielmann und nahm auch kurz zu den bereits jetzt eingeleiteten kurzfristigen Maßnahmen Stellung. Seit der ersten Juli-Woche gilt in der Hamburger Zentrale ein Einstellungsstopp. Stattdessen wollen man sich auf die Entwicklung der bestehenden Mitarbeiter fokussieren. Ausgeschlossen davon seien Neuanstellungen von Augenoptikern und Hörakustikern, ebenso der Bereich Ausbildung. Der Vorstand hat zudem eine vorübergehenden Kostenkontrolle eingeführt, um das Management mit Blick auf den Ergebnisbeitrag zu sensibilisieren und Beratungskosten sollen eingespart werden.
Es bleibt abzuwarten, ob alle nun angestoßenen oder bereits eingeleiteten Maßnahmen auch den gewünschten Erfolg haben werden. In gewissen Bereichen aber nutzt Fielmann ganz konsequent sein Marktmacht, um das eigene Geschäft rentabler zu machen.