ZVA-Mitgliederversammlung in Weimar

Christian Müller folgt auf Thomas Truckenbrod

Eine Ära geht zu Ende. Nach 13 Jahren Amtszeit stellte sich Thomas Truckenbrod
auf der Mitgliederversammlung am 11. und 12. März nicht mehr zur Wiederwahl
als ZVA-Präsident. Sein Amt übernimmt Christian Müller. Kai Jaeger und
Armin Netuschil-Ameloh komplettieren das Präsidium. Neben der personellen
wurden auf der Tagung aber auch einige fachliche Weichenstellungen getätigt.
Der neue ZVA-Präsident Christian Müller

Der neue Präsident des ZVA: Christian Müller. 

© ZVA/Peter Magner

Erstveröffentlicht in der DOZ 04I23

„Die letzte Nadel, die ich verschießen darf“ steckte Thomas Truckenbrod als ZVA-Präsident Michael Hauck ans Revers. Hauck, Vorstandsmitglied des Augenoptiker- und Optometristenverbands NRW sowie den DOZ-Lesern als langjähriger Autor der Kolumne „Oppicker“ bekannt, wurde ebenso wie Detlef Micheli, ehemaliger Obermeister der Augenoptiker- und Optometristeninnung Thüringen, das ZVA-Ehrenzeichen in Gold für besondere Dienste verliehen. Auch wenn der Überraschungsgrad gegen Null tendierte, so war doch der Wechsel an der ZVA-Spitze sicherlich das Ereignis auf der Mitgliederversammlung in Weimar. Nach mehr als 13 Jahren Amtszeit stellte sich Thomas Truckenbrod nicht mehr zur Wiederwahl. Zu seinem Nachfolger wählten die Delegierten mit 77 Prozent der Stimmen den langjährigen ZVA-Vize Christian Müller. Komplettiert wird das Präsidium durch den wiedergewählten Armin Netuschil-Ameloh (81 Prozent) sowie den frisch gewählten Kai Jaeger (87 Prozent), der bisher als kooptiertes Mitglied im ZVA-Präsidium tätig war. In seinem 27. und damit letzten „Bericht zur aktuellen Situation“ umriss Thomas Truckenbrod nochmals in einem großen Bogen das Branchen- und Verbandsgeschehen. Nach wie vor ein Stein des Anstoßes ist die Remote-Refraktion: Immer wieder vernimmt man seitens des ZVA, dass Betriebe aus der Handwerksrolle gelöscht werden, obwohl diese – mit einem digitalen Meister – weiterhin am Markt tätig sind (siehe auch DOZ 01/23). „Ich persönlich rechne damit, dass es in den nächsten Wochen zu Gerichtsverfahren kommen wird, wenn einzelne Anbieter weiterhin versuchen, durch die Remotemessung einen dennoch notwendigen Eintrag in die Handwerksrolle zu umgehen“, prognostizierte Truckenbrod.

COE Punkte auf der Opti?

Während die Handwerksrollen-Umgeher juristisch angreifbar sind, stehen die Opti-Trittbrettfahrer eher im moralischen Zwielicht. „Wenn Firmen die Kunden vor den Messetoren mit dem Porsche abholen, dann ist das unverschämt.“ Umso erfreuter zeigte er sich über das klare Bekenntnis zur Opti von Mirjam Rösch, Vorsitzende Consumer Optics Spectaris (siehe DOZ 02/23). Truckenbrod: „Wir brauchen eine starke Messe für die Augenoptik in Deutschland. Und darum müssen auch wir als Verband uns bemühen.“ „Ich hoffe, dass es ab kommendem Jahr noch besser gelingt, den Messebesuchern zusätzliche Fortbildungsangebote zu machen“, sagte Truckenbrod weiter. „Hier müssen wir uns zusammen mit den wissenschaftlichen Vereinigungen engagieren.“ Im besonderen Fokus stünden dabei die COE Punkte, mit denen für optometrische Leistungen ein bundesweit einheitliches System zur Bewertung von Fortbildungen in der Augenoptik und Optometrie eingeführt werden soll. „Dann könnten die Augenoptiker nach München fahren, um für ihre Betriebe einzukaufen und um Fortbildungspunkte zu sammeln, die sie für verschiedene Mitgliedschaften oder Spezialisierungen benötigen.“

Berufsbildung im Wandel

Die promovierte Augenoptikergesellin Carolin Lohse von der Technischen Universität Berlin beschäftigte sich in ihrer Dissertation unter anderem auch mit der Augenoptik. Die Essenz dieses Teils ihrer Doktorarbeit präsentierte sie im Rahmen eines Impulsvortrags „Berufsbildung im Wandel – Fokus Augenoptik“. Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung und Automatisierung, des Fachkräftemangels sowie des demografischen Wandels stehe die Berufsausbildung in der Augenoptik vor immensen Herausforderungen. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, spricht sie sich unter anderem für Wahlqualifikationen und mehrstufige Abschlüsse aus: Zwischen Geselle und Meisterin sei zum Beispiel ein Fortbildungsniveau „Geselle Plus“ denkbar. Während eine Reform der Berufsbildung aber einige Jahre dauern würde, könnte die Gesellenprüfung schon im kommenden Jahr in einem neuen Format ablaufen. Matthias Müller, Vorsitzender des Südwestdeutschen Augenoptiker- und Optometristen-Verbands (SWAV), stellte die umfassenden Möglichkeiten einer rein digitalen Prüfung vor. Die wesentlichen Vorteile sieht er vor allem darin, dass die Prüfung qualitativ besser, einfacher auszuwerten und gerechter wird. Insbesondere der letzte Punkt ist vor dem Hintergrund der zunehmenden Prüfungsanfechtungen ein starkes Argument für die Gesellenprüfung am Laptop. Dr. Stefan Bandlitz, frisch gekürter Schulleiter der HFA in Köln, präsentierte erste Zwischenergebnisse zur Studie „Orthokeratologie im Straßenverkehr“. Diese Zwischenergebnisse wiederum basieren auf einer Vorstudie mit zehn Trägern von Ortho- K-Linsen, die zu zwei Tageszeitpunkten (9 Uhr und 21 Uhr) vermessen wurden. Das Fazit dieser Vorstudie: Bei Sehschärfe, Kontrastsehen, Dämmerungssehen und Blendungsempfindlichkeit konnte kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den beiden Messzeitpunkten festgestellt werden. Einer der Teilnehmer erfüllte die Visusanforderung (0,7) des einfachen Führerschein-Sehtests auf einem Auge zu beiden Messzeitpunkten knapp nicht, wobei nicht bekannt ist, welcher Visus zuvor mit Brille oder Kontaktlinse erzielt wurde. Die Orthokeratologie wird wohl noch lange Zeit ein stationäres Geschäft sein. In anderen Bereichen hat aber in den vergangenen Jahren der Onlinehandel Fuß gefasst. Wie stark der Abdruck der Webshops in der augenoptischen Branche derzeit ist, ermittelt das GfK-Consumer-Panel, das Thomas Heimbach, Vorsitzender des Augenoptiker- und Optometristenverbands NRW, in seiner Funktion als Vorsitzender des Betriebswirtschaftlichen Ausschusses vorstellte.

 

Eröffnung der ZVA Mitgliederversammlung 2023

Der zu diesem Zeitpunkt noch amtierende Präsident, Thomas Truckenbrod bei der Eröffnung der ZVA-Mitgliederversammlung. 

© ZVA/Peter Magner

Im Online-Brillenverkauf steckt der Wurm

Nach den coronabedingt starken Wachstumsraten 2020 und 2021 war der Online-Markt 2022 stark rückläufig. Fanden 2021 noch 3,9 Prozent aller Brillenkäufe rein online statt, lag die Zahl 2022 nur noch bei 1,9 Prozent, wobei sich der durchschnittliche Rechnungsbetrag auf 122 Euro belief. Der reine Offline-Brillenkauf hingegen legte von 89,4 auf 91,3 Prozent zu, wobei der Durchschnittsbon bei circa 324 Euro lag. Besonders erfreulich: Voriges Jahr kam jeder vierte Brillenkäufer in ein augenoptisches Fachgeschäft, ohne sich vorher über den geplanten Kauf informiert zu haben. Ein Zeichen des Vertrauens in Kompetenz und Glaubwürdigkeit des augenoptischen Berufsstands! Anders sieht die Situation bei den „Social Products“ aus, wie Kontaktlinsen und Sonnenbrillen ohne Sehstärke aufgrund ihrer vorwiegenden Verwendung im sozialen Leben (Sport, Freizeit, …) genannt werden. Bei den Plano-Sonnenbrillen kommen die augenoptischen Betriebe noch auf einen Umsatzanteil von 67 Prozent, bei den Kontaktlinsen gar nur auf 48 Prozent.

Christian Müller: „Digitalisieren, modernisieren, offen werden“

Der ZVA verfügt mit einem Organisationsgrad von 49,5 Prozent über einen starken Rückhalt in der Augenoptik. Wohl nicht zuletzt, um diese Position zu halten, forderte der neu gewählte ZVA-Präsident Christian Müller am Sonntag zum Abschluss der Veranstaltung: „Wir müssen digitalisieren, modernisieren, offen werden.“ Forderungen, die sicher alle anwesenden Delegierten unterschrieben hätten – und bestimmt auch Thomas Truckenbrod. Dieser war es auch, den die erste Nadel des neuen ZVA-Präsidenten „traf“: In feierlichem Rahmen zeichnete Christian Müller seinen Vorgänger mit der ZVA-Ehrennadel in Gold aus.